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Ebru Baybara Demir – Gastronomie für sozialen Wandel

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Anfang dieses Jahres wurde die türkische Köchin Ebru Baybara Demir mit dem renommierten Basque Culinary World Prize für ihr soziales und kommunales Engagement in ihrem Heimatland ausgezeichnet.

Ebru Baybara Demir setzt sich mit ganzem Herzen dafür ein, den Menschen in ihrem Land durch ihre gastronomische Arbeit zu helfen, insbesondere in der türkischen Stadt Mardin, wo sie ihre ersten Lebensjahre verbrachte. Für ihr Engagement erhielt sie dieses Jahr den renommierten, mit 100.000 Euro dotieren Basque Culinary World Prize (BCWP), dessen Preisgeld sie für ein Projekt ihrer Wahl einsetzen kann.

Mit diesem Preis sollen insbesondere Köche gewürdigt werden, die mit ihrem beruflichen Schaffen neu Wege eröffnet haben und ihre Einflussmöglichkeiten außerhalb der Küche einsetzen, sei es durch ihr Engagement für sozialen Wandel, Nachhaltigkeit oder andere humanitäre Projekte.

 

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Die Auszeichnung wurde vom Basque Culinary Center in der Nähe der nordspanischen Stadt San Sebastián ins Leben gerufen und bereits zum achten Mal vergeben. Der Jury des BCWP gehören renommierte Köche und Branchenfachleute wie Joan Roca, Pia León, Josh Niland und Elena Reygadas an. Nominiert war außerdem auch Heidi Bjerkan. In der Vergangenheit waren bereits so namhafte Köchinnen und Köche wie Virgilio Martinez, Ángel León, Manoella Buffara, José Andrés, der Gründer von World Central Kitchen oder auch die kolumbianische Köchin Leonor Espinosa unter den Gewinnern und Finalisten.

Die Wurzeln von Ebrus kulinarischem Werdegang

Ebru Baybara Demir wurde 1976 im türkischen Edirne als drittes Kind einer Familie aus der Stadt Mardin geboren. Aufgewachsen ist sie dann in Istanbul, wo sie auch ein Studium abgeschlossen und als Reiseführerin gearbeitet hat. Im Jahr 1999 entschloss sie sich, etwas Neues zu wagen, und zog nach Mardin, eine traditionelle anatolische Stadt, wo es gerade einmal ein Dreisternehotel und ein kleines Restaurant gab. Denn ihr Traum war es, die Stadt für den Tourismus zu öffnen. Das Vorhaben ging sie mit großem Eifer an, musste aber sehr bald feststellen, dass sie Unterstützung brauchte, um Besucher in die Stadt locken zu können.

„Seit ich denken kann, wollte ich von ganzem Herzen einen sinnvollen Beitrag für mein geliebtes Heimatland leisten“, erzählt Ebru. „Die Bedeutung dieser Auszeichnung geht weit über meine eigenen Leistungen hinaus. Sie steht für das gemeinsame Glück und den Stolz meiner Nation.“

 

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Ihre Begeisterung fürs Kochen, mit der sie mittlerweile viele andere Frauen für den Weg in die Gastronomie inspiriert, hat sie in der Küche bei ihrer Mutter entdeckt – denn ihr verdanke sie ihr ganzes Wissen über Essen und ihr Kochtalent: „Was meine Mutter gekocht hat, war immer köstlich. Sie war unheimlich kreativ in der Küche. Ich bin immer sehr gern mit ihr auf die Märkte, sogar schon als kleines Kind“, sagt sie.

Ebru Baybara Demir: Eine gute Portion Unternehmergeist

Der Umzug in eine Stadt mit einem kaum profitablen Tourismus war ein sehr mutiger Schritt. Doch dank ihrem Unternehmergeist ist es ihr gelungen, Reisegruppen nach Mardin zu locken und ihnen die Kultur ihrer Heimatstadt zu zeigen. Als die Besucher ihren Unmut über das einzige Hotel und das eine Restaurant in der Stadt äußerten, beschloss sie, ihr Haus für sie zu öffnen und gemeinsam mit anderen Frauen aus der Verwandtschaft, die sie mit ins Boot holte, traditionelle Gerichte für die Gäste zuzubereiten. Bereut sie diese Entscheidung?

Nein, nicht im Geringsten. Das kam so gut an, dass Ebru danach begann, weitere Menschen im Ort für die Idee zu gewinnen und Touristen bei sich aufzunehmen.

Porträt von Ebru Baybara Demir

Image: Tansel Baybara

Doch das war nur der Anfang. Sie hatte sich fest vorgenommen, den Menschen zu einer Beschäftigung in der eigenen Küche zu verhelfen, die in Mesopotamien einen gemeinsamen Lebenswert darstellt. Dann renovierte Ebru Baybara Demir gemeinsam mit 21 Frauen ein historisches assyrisches Herrenhaus. Da sie ihren außergewöhnlichen Vorsätzen treu blieb, hat sie in dem Gebäude schließlich ihr erstes Restaurants eröffnet: das „Cercis Murat Konağ“. Das bedeutet „Herrenhaus Cercis Murat“ und ist nicht nur die erste touristische Attraktion von Mardin sondern auch das erste und einzige Spitzen-Restaurant der Region. „Dieses Projekt ist mein persönlicher Beitrag für Mardin, dahinter stehen aber auch die vielen Frauen, deren Leben sich wie mein eigenes verändert hat“, so Ebru.

Sie eröffnete das Restaurant zu einer Zeit, als Frauen nicht ohne die Erlaubnis ihrer Ehemänner das Haus verlassen durften. Durch ihre Arbeit im Restaurant hatten sie wiederum die Möglichkeit, andere Frauen zu unterstützen und den Wandel der Stadt zu befördern.

Die Stadt Mardin mit ihren 850.000 Einwohnern ist für ihre traditionelle Kultur bekannt – Frauen haben es dagegen dort schwer, eine eigene Beschäftigung zu finden. Mit ihren Projekten ermutigte Ebru die Frauen, ihre eigenen Kochkünste in einen richtigen Job umzumünzen.

Ein großes Bündel an Herausforderungen

Die Stadt liegt unweit der syrischen Grenze und hatte deswegen im Lauf der Zeit mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nachdem 2011 in Syrien der Krieg ausgebrochen war, öffnete die Stadt Tür und Tor für Flüchtlinge, was die ohnehin schon schwächelnde Wirtschaft und Sozialstruktur noch mehr belastete und nur einmal mehr verdeutlichte, wie dringend Ebrus Engagement gebraucht wurde.

 

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Als sie Ende der 90er Jahre von Istanbul nach Mardin zog und außer einem Dreisternehotel keine weitere touristische Infrastruktur vorfand, sah sie das als Chance, etwas in der Stadt zu bewegen. Nachdem ihr Restaurantprojekt erfolgreich war und sie damit ihrer geliebten Stadt ein Stück neuen Schwung verleihen konnte, hat sie im Anschluss weitere Projekte ins Leben gerufen, in denen es z. B. darum ging, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Böden zu bekämpfen, die Position der Frauen durch Beschäftigung zu stärken, biologisch abbaubare Abfälle zu nutzen oder den sozialen Zusammenhalt zu fördern.

Ihr Engagement in den Gemeinden vor Ort hält an. Als Syrien und die Türkei zu Jahresbeginn von den schlimmen Erdbeben heimgesucht wurden, setzte sie alle Hebel in Gang, um die Suppenküche Gönül Mutfağı aufzubauen. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen versorgt sie dort die betroffenen Menschen in der Provinz Hatay mit Nahrungsmitteln. So haben sie seit Februar täglich 120.000 Mahlzeiten verteilt, bereiten noch immer täglich 10.000 Frühstücksportionen für Kindergarten- und Grundschulkinder zu und versorgen insgesamt 38.000 Menschen in Hatay zwei Mal täglich mit einer Mahlzeit.

Bis heute haben mehr als 2.000 Menschen in Gönül Mutfağı freiwillige Arbeit geleistet und über 12 Millionen Mahlzeiten ausgegeben.

Mahlzeiten für Personen die von Umweltkatastrophen heimgesucht wurden

Image: AdobeStock | foodandcook

Was Gastronomie in der humanitären Hilfe bewegen kann

Ebru ist überzeugt, dass der Gastronomie eine immer größere Bedeutung in der humanitären Hilfe zukommen wird – und sie hat ambitionierte Pläne für die Zukunft. Vor allem hat sie sich fest vorgenommen, dem Projekt Gönül Mutfağı eine nachhaltige Struktur zu verleihen. Und genau dafür will sie das Preisgeld des Basque Culinary World Prize investieren.

„Uns ist daran gelegen, einen Rahmen zu schaffen, der die Küche zukunftsfähig macht und der lokalen Gemeinschaft Zuversicht für ihr Leben in Hatay schenkt“, sagt sie. Darüber hinaus plant sie die Eröffnung eines Zero-Waste-Restaurants, das zugleich als gastronomische Ausbildungsstätte für Schüler in der Region dienen soll.

„Unsere Projekte werden nicht nur in der Türkei, sondern weltweit als Vorbild dienen, und diese wertvolle Auszeichnung wird der Türkei den Raum geben, ihre Stimme auf dieser globalen Bühne zu erheben“, sagt sie abschließend.

Sie hat also noch längst nicht all ihre Ziele erreicht. Deshalb dürfen wir gespannt sein, wie sich das Projekt weiterentwickelt und was sie noch weiter auf die Beine stellt. In jedem Fall hilft diese außergewöhnliche Köchin und Frau Menschen in Not mit dem, was sie ihre Leidenschaft ist. Dafür kann man Ebru Baybara Demir nicht genug danken!

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