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Andreas Gugumuck: Weinbergschnecken als nachhaltige Delikatesse und Proteinquelle

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Feinkost und gesunder nachhaltiger Proteinlieferant: Der österreichische Schneckenzüchter Andreas Gugumuck macht sich viele Gedanken über nachhaltige Landwirtschaft – und bringt deshalb die Weinbergschnecke zurück in die Küchen der Gastronomie.

Kaum eine Delikatesse trägt die Bezeichnung „Slow Food“ so berechtigt wie die Weinbergschnecke. Doch den Wiener Schneckenzüchter Andreas Gugumuck fasziniert ein anderes Attribut noch viel mehr: „Für mich sind sie der Inbegriff des ‚Future Foods‘. Im Vergleich zu anderen Tieren benötigen sie nur einen Bruchteil an Bodenfläche, Wasser, Energie und Futtermitteln. Sie sind zufrieden, wenn sie es feucht und schattig haben – und wenn sie die Reste vom Suppengrün aus der Küche bekommen.“

Andreas Gugumuck: Im Schneckentempo zur Schnecken Manufaktur

Aber wie kommt es dazu, dass man als Wiener Stadtmensch plötzlich mit Schnecken sein Auskommen finden möchte? Spoiler: Alles passierte im – Schneckentempo. Denn vorher sah der Weg in die berufliche Zukunft gänzlich anders aus: Andreas Gugumuck studierte Wirtschaftsinformatik, dann wurde der heute 49-Jährige erst einmal IT-Manager. Doch bei der reinen Computerarbeit schlich sich ein Traum von naturnaher Freiheit ein. Und so kam es, dass Gugumuck parallel zu seinem IT-Job als Nebenerwerbsbauer den Grundstein für seine heutige Freiland-Schneckenzucht legte. 2014 gründete er auf dem Gugumuck-Hof, der seit mehr als 300 Jahren im Familienbesitz ist, die Wiener Schnecken Manufaktur inklusive Hof-Laden und Hof-Bistro. Hier, in Rothneusiedl am südlichen Wiener Stadtrand, züchtet und verarbeitet er mittlerweile rund 300.000 Weinbergschnecken pro Jahr: „Wobei ich zugeben muss: Die Zahl ist geschätzt, ich habe sie nie gezählt …“, lacht er.

Andreas Gugumuck auf seiner Schneckenfarm - hier verarbeitet er rund 300.000 Weinbergschnecken pro Jahr.

Image: Österreich Werbung

Nachhaltige Landwirtschaft mit Schnecken

Neben Humor zeichnet den dreifachen Vater eine hemdsärmelige Leidenschaft für seine naturnahe Arbeit aus. Schon sein Großvater hatte sich früh für eine sanfte Landwirtschaft und gegen den Einsatz chemischer Spritzmittel eingesetzt. Andreas Gugumuck versucht heute, seine Schneckenzucht so regional wie möglich zu gestalten: „Wir füttern unsere Tiere mit vermahlendem Getreide vom eigenen Acker und Suppengrün, das wir von benachbarten Bauern holen.“

Angereichert wird der tierische Speiseplan mit Futterkalk, sagt Andreas Gugumuck, der vom Europäischen Parlament 2012 als „Best Young Farmer of Europe“ ausgezeichnet worden war: „Wir betreiben nachhaltige Landwirtschaft. Anders als andere Tiere produzieren Schnecken weder Methan noch Gülle. Und durch die Kalkfütterung wird der Boden sogar noch angereichert und nicht ausgelaugt wie bei anderer Nutzung der Landflächen.“

Allerdings macht der Klimawandel vor Weinbergschnecken, die sich genügsam auf und unter gewöhnlichen Holzbrettern vermehren, nicht halt: „Wenn es im Sommer zu trocken ist, hat es auch keinen Sinn, diese Gemüseäcker künstlich zu bewässern. Sie verstecken sich vor der Sonne und der Hitze in ihren Häusern und fressen dann nicht. Wir können nur in der Nacht beregnen und damit den fehlenden Tau kompensieren.“

Schnecken: gesund, nachhaltig, proteinreich

Die Helix pomatia, so der wissenschaftliche Name der Weinbergschnecke, ist ein gesundes Naturprodukt. Die Weichtiere enthalten große Mengen an Selen, Jod, Eisen und Zink und sind so reich an Omega-3-Fettsäuren, dass schon drei Weinbergschnecken den empfohlenen Tagesbedarf von 200 Milligramm abdecken. „Und was sie auch sehr interessant macht: Sie versorgen uns mit dem Schilddrüsenhormon T3, das als Turbo für die menschliche Evolution gilt.“

Schnecken haben seit Anbeginn eine große Rolle in unserer Ernährung und damit unserer Entwicklung gespielt, sagt Andreas Gugumuck: „Weinbergschnecken haben einen sehr hohen Eiweißgehalt und waren deshalb eine sehr wichtige Proteinquelle für uns.“ Gerade die leichte Verfügbarkeit verlieh der Schnecke das Attribut eines „Arme-Leute-Essens“: „Jeder konnte sie einfach selbst sammeln.“

Mitte der 1980er-Jahre wurde die Weinbergschnecke allerdings unter Artenschutz gestellt. Deshalb dürfen nur noch als Lebensmittel gezüchtete Exemplare wie jene vom Gugumuck-Hof verzehrt werden. Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum Weinbergschnecken wohl nie wieder zur Massenware werden können: „Anders als heute waren Arbeitskräfte und Arbeitszeit früher kein Kostenfaktor.“

Koch füllt Weinbergschnecken - ein gesundes, nachhaltiges und schmackhaftes Essen.

Image: Felix Mayr

Andreas Gugumuck: „Das ist zeitintensive Handarbeit“

Denn obwohl sich Schnecken recht einfach massenhaft züchten lassen, erfordert ihre Verarbeitung zeit- und personalintensive Handarbeit: „Nachdem die händisch gesammelten Tiere nach einer Woche in eine natürliche Trockenstarre verfallen sind, werden sie zehn Minuten lang in kochendem Wasser blanchiert. Dann wird jede einzelne Schnecke mithilfe einer zweizackigen Gabel aus dem Gehäuse gezogen und in der Mitte auseinandergeschnitten, um – ebenfalls händisch – den Eingeweidesack vom Muskelfleisch zu trennen.“

Und das – sagt Andreas Gugumuck – ist erst der Beginn eines Prozesses, mit dem die Weinbergschnecke langsam für den Verzehr vorbereitet wird: „Zuerst wird das Fleisch entschleimt. Es wird aufgekocht, abgebraust, nochmals aufgekocht und nochmals abgebraust. Danach köcheln die Schnecken drei Stunden lang in einem schmackhaften Sud aus Weißwein, Suppengrün, Lorber und Wacholder.“

Regionale Delikatesse statt internationaler Vertrieb

Schneckenzucht ist es eine saisonale Arbeit, sagt Andreas Gugumuck: „Muttertiere werden im Juni und Juli verarbeitet, die Haupternte findet im Oktober und November statt.“ Da nicht alle Schnecken gleichzeitig verarbeitet werden können, werden sie in der Wiener Schnecken Manufaktur gefrostet und bei Bedarf wieder aufgetaut.

Während Insekten aus seiner Sicht durchaus das Potenzial zum Massenprodukt haben, kann sich der passionierte Züchter diese Entwicklung in der Schneckenverarbeitung nicht vorstellen: „Bei Insekten kann ich Chitin, Fett und Eiweiß in industriellen Anlagen leicht trennen. Bei den Schnecken möchte ich das nicht einmal! Die Schnecke soll eine Delikatesse bleiben, die man sich ab und zu gönnt.“

Natürlich ist die Gastronomie ein wichtiger Abnehmer der Schnecken, und der Markt ist noch lange nicht gesättigt. Doch Andreas Gugumuck bleibt seiner Philosophie von regionaler Feinkost treu: „Eine Zeitlang haben wir unsere Produkte sogar in New York verkauft. Aber wir haben uns dann gegen eine Expansion entschieden. Wir beliefern lieber lokale Gasthäuser und Restaurants. Dabei besinnen wir uns auf die lange Tradition der Schnecken in der Wiener Küche.“

Gastronomiebetriebe in der österreichischen Hauptstadt beliefert Andreas Gugumucks Team zweimal wöchentlich mit tiefgekühlten Wiener Schnecken. Auf Anfrage über die Homepage werden frischgekochte Schnecken im Fond auch per Post in eigenen kleinen Eimern verschickt: „Wenn du heute bestellst, werden die Schnecken morgen gekocht und übermorgen sind sie bei dir – so frisch und in einer Qualität, als hättest du sie selbst gekocht.“

Andreas Gugumuck bereitet leidenschaftlich Schnecken für seine Gäste zu.

Image: Philipp Lipiarski

Milder Nussgeschmack

Doch wie schmecken Schnecken eigentlich? Mit ihrem milden, nussigen Eigengeschmack ist die Weinbergschnecke ein optimaler Hauptdarsteller für unterschiedlichste Gerichte, sagt Andreas Gugumuck. Etwa in Form von „Caracoles a la Catalana“, einer mediterranen Spezialität, bei der die Schnecke samt Gehäuse mit Speck in einer würzigen Tomaten-Gemüse-Sauce mehrere Stunden geköchelt wird.

Oder – bodenständiger – im Leberkäse verarbeitet, einem österreichischen Imbiss-Klassiker: „Wir vermengen halbierte Schnecken mit frischen Kräutern und dem Brät. Aber wir servieren diesen gebratenen Leberkäse nicht traditionell in der Semmel, sondern mit selbstgemachtem Senf und einer Scheibe Brot. Wir wollen die Schnecken ja nicht verstecken!“

Im eigenen Bistro kredenzt der Schnecken-Meister ein Sieben-Gang-Menü, bei dem Küchenchef Jürgen Winter die Weinbergschnecken kreativ und immer wieder neu in Szene setzt: „Es gibt auch in der Zubereitung so viele Möglichkeiten! Du kannst sie zu Gulasch verarbeiten, in eigenen Schneckenpfannen gratinieren oder schonend im Dampfgarer zubereiten.“

Suppe mit Einlage aus Schnecken

Image: Philipp Lipiarski

Keine Angst vor Schmutz und Schleim

Andreas Gugumuck denkt viel über seine Arbeit nach. In seiner „Future Farm“ in Rothneusiedl erarbeitet er – interdisziplinär mit Ernährungs- und Agrarwissenschaftlern, Landschaftsplanern und anderen Forschern – zukunftstaugliche Landwirtschaftskonzepte für urbane Räume.

Und er übernimmt mit gleicher Begeisterung den Kontakt zum Endkunden, indem er mit seinem auffälligen Foodtruck, dem „SnailTrailer“, bei Veranstaltungen ein möglichst niederschwelliges Angebot schafft. Denn während Schnecken noch zu Zeiten unserer Großeltern ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan standen, kosten sie einer neuen Generation an Gourmets offenbar eine gewisse Überwindung: „Ich rede sehr viel mit den Menschen, um ihnen die Angst vor Schnecken zu nehmen. Aber ich mache das gern. Ich weiß: Nach dem ersten Bissen sind sie begeistert!

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