Betritt ein Autofahrer eine Tankstelle, setzt sich an den Tisch und bestellt eine warme Mahlzeit, die gut schmeckt. Was in der Vergangenheit wie ein Lotteriespiel geklungen hat – ist heute gar nicht mehr so. Im Gegenteil: „In Irland gibt es viele Tankstellen, die gutes, wirklich gutes warmes Essen servieren“, sagt einer, der es wissen muss: Scott Annan. Er ist einer der umtriebigsten Berater im Lebensmittelhandel.
Seit Jahrzehnten beobachtet Annan die Entwicklung der Handelsgastronomie und berät die Big Player der Branche, von Japan über Amerika bis nach England. Die Sache mit den Tankstellen ist die: Sie zeigen, wie allgegenwärtig das Angebot an warmen Speisen mittlerweile geworden ist. Und, dass sich mit warmen Speisen ziemlich viel Geld verdienen lässt. Nicht nur als Restaurant oder Tankstelle. Sondern auch – und vor allem – als Supermarkt.
Warmes Essen in Supermarkt als Unterscheidungsmerkmal zum Discounter
Das hat viele Gründe: Zum einen liegt das am Aufstieg der Supermarkt-Discounter. Ganz gleich, wie günstig bestimmte Produkte in etablierten Supermärkten auch waren – in den vergangenen dreißig Jahren gab es immer einen Discounter, der sie noch günstiger verkaufte. Das gelang unter anderem durch die Schaffung von Eigenmarken, die externe Kosten und Preisschwankungen niedrig halten, sowie durch eine simplere Warenpräsentation, die Zeit- und damit Personalkosten einspart.
Generell lautet das Motto dort bekanntlich: Lebensmittel müssen bezahlbar sein. Die Reaktion der unter Druck geratenen großen Supermarkt-Ketten lautete daher nicht nur, die Preise durch eine bessere Qualität der Lebensmittel zu rechtfertigen – etwa durch bio-zertifizierte und regionale Produkte. Sondern auch: Das Einkaufen muss zu einem wahren Erlebnis werden. Ein Erlebnis das aus Kunden Gäste machen soll. Einkaufen soll mehr sein. Und das geht, wie viele Supermarkt-Ketten mittlerweile beweisen, eben am besten durch das Angebot von warmen Speisen.
Warmes Essensangebot als USP
„Der weltweite Umsatz mit Lebensmitteln, also das, was wir Foodservice nennen, beläuft sich auf drei Billionen US-Dollar“, erklärt Annan. „Davon gehen rund eine Billion auf das Konto des Einzelhandels.“ Tendenz steigend, denn: Warme Speisen sind ein Wachstumsmarkt. Das belegen alleine schon die Zahlen aus den USA: Im Februar 2023 betrugen die Ausgaben für die Gastronomie in den USA ganze 95 Milliarden US-Dollar, die für den Lebensmitteleinkauf von Supermärkten hingegen lediglich 72 Milliarden.
Der Zahlenmensch Annan zieht daraus den pragmatischen Schluss: „Wir alle essen und trinken drei Mal am Tag. Pro Jahr sind das also über 1.000 Verkaufschancen für jeden Menschen da draußen. Ziemlich beeindruckend, nicht?“ Ja, ist es. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Margen auf warmes Essen in Supermärkten erstaunlich hoch sind. Je nach Land und Angebot kann es laut Annan durchaus zwischen 60 und 120 Prozent an Gewinnspanne einbringen. Aber warum? Und wie?
„Es ist ein Irrglaube, warmes Essen als etwas zu verstehen, das nur zubereitet und serviert wird“, sagt Annan. „Warmes Essen kann zusätzlich in unterschiedlichen Mengen verpackt, gekühlt oder eingefroren und dann im eigenen Supermarkt als Eigenmarke verkauft werden. Das machen mittlerweile viele Supermärkte so – und schaffen damit einen beeindruckenden Mehrwert in vielerlei Hinsicht.“
Warum? Weil sie damit für die Kunden mit einzelnen Gerichten – ob kalt verpackt oder warm serviert – einen Unique Selling Point schaffen, der auf verschiedene Arten verwertbar ist. Und doch haben die vergangenen Jahre gezeigt: warme Speisen, vermeintlich frisch vor den Kunden zubereitet, sind der ultimative Verkaufsbooster. Dabei hat sich eine spezielle Art und Weise dieses Angebots besonders bewährt.
Darauf kommt es beim warmen Essen im Supermarkt an
„Immer mehr Supermärkte setzen erfolgreich auf offene Küchen“, erklärt Annan. Was dabei in der Regel nie fehlt: ein Kombidämpfer von Rational. Kein Wunder, denn erstens nimmt er mit einem einzigen Quadratmeter nur wenig Platz in Anspruch. Und das ist gerade in Supermärkten, wo jeder Quadratzentimeter Verkaufsfläche zählt ein absoluter Vorteil für Planer und Inhaber. Und zweitens eignet er sich für die unterschiedlichsten Zubereitungsmethoden, die für ein warmes Speisenangebot elementar sind. Egal ob Gebäck, das schnell aufgebacken wird, Eintöpfe, Saucen oder Beilagen, alles kann treffsicher aufgewärmt oder mit der Bratfunktion à la minute gefinisht werden.
„Bei Supermärkten mit großer Einkaufsfläche befindet sich die offene Küche oft in der Mitte, wie ich in Japan oder Amerika festgestellt habe. In kleineren Supermärkten befindet sie sich gerne im Eingangs- oder im Ausgangsbereich.“ Ähnlich wie in der Gastronomie schafft die offene Küche Vertrauen. Kunden wissen, dass sie hier etwas Frischzubereitetes bekommen. Der Benefit für einen Supermarkt kann dabei durchaus größer sein als der für ein Restaurant: Schmeckt es dem Kunden, dann verbindet er den guten Geschmack nicht nur mit der Küche, sondern auch mit den Lebensmitteln, die im Supermarkt angeboten werden.
Umso wichtiger ist es also, bei der Zubereitung der warmen Speisen effizient zu kommunizieren, welche Lebensmittel aus dem Supermarktangebot dafür verarbeitet werden. „Dabei ist es gar nicht so wichtig, ob man das warme Essen in Supermärkten an einem Tisch in einem Gästebereich isst oder mitnimmt“, erklärt Annan. „Es geht immer noch primär um die Mahlzeit an sich, die ist Marken-Botschafter genug!“
Wenig verwunderlich also, dass Annan von Co-Working-Spaces oder anderen Sitzgelegenheiten, die die bloße Verweildauer in einem Supermarkt zum Maß aller Dinge erhoben haben, nicht viel hält: „Wenn man Leuten sagt, kommt her und setzt euch hierhin, nun ja, dann kommen sie eben und setzen sich hin. Manche bestellen sich vielleicht einen Kaffee, an dem sie dann zwei Stunden lang schlürfen. Andere verzehren gar nichts. Ich finde: Damit verspielt man viele Chancen.“ Chancen, soviel steht fest, die in Zukunft auch immer mehr Supermärkte in Europa nutzen müssen. Von den Tankstellen ganz zu schweigen. Irland macht es vor: Warmes Essen, das funktioniert eben offenbar überall.