Das Beste von Land und Meer
Mit dem Großvater fuhr sie oft in den Fjord hinaus zum Fischen. Sein Boot war ihr zweites Zuhause und schon als Kind empfand sie diese starke Verbindung zu Land und Meer und den unverfälschten, gesunden Produkten aus beiden Welten, die heute ihre Küche prägt. Heidi Bjerkan kommt aus Trondheim und dort gründete sie 1998 in einer alten Werkshalle das Lokal, das so viel Furore machen sollte: Credo, heute eines von Norwegens führenden Restaurants. Dabei hatte sie erst eine ganz andere Karriere im Sinn gehabt.
„Dass ich zum Kochen gekommen bin, war purer Zufall“, verrät Heidi Bjerkan. „Eigentlich hatte ich vor, Pilotin zu werden, aber ein paar Schichten in einem Café änderten alles.“ Seit sie mit 18 diesen Kellnerjob hatte, wusste Heidi Bjerkan, dass die Gastronomie ihr Ding war. Das Tempo in der Küche entsprach ihrem rastlosen Gemüt. Sie wurde Profiköchin und arbeitete in zahlreichen Restaurants im In- und Ausland, sogar für das norwegische Königshaus war sie acht Jahre lang als Küchenchefin tätig!
Enge Zusammenarbeit mit Fischern und Farmern
So ist es auch kein Wunder, dass die quirlige Gastronomin mittlerweile einen ganzen Gastro-Kosmos errichtet hat, mit fein aufeinander abgestimmten Konzepten, die alle zusammen Bjerkans großes Ziel widerspiegeln – Nachhaltigkeit. „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und nachhaltiger Restaurantbetrieb stehen im Mittelpunkt unseres Handelns“, heißt es im Nachhaltigkeitsmanifest von Heidi Bjerkan. „Wir sind uns absolut sicher, dass so das beste Essen entsteht. Außerdem ist es das Beste für Mensch und Tiere – und für die Erde, die unser Zuhause ist.“ Guter Kontakt zu den Produzenten ist für sie ein Muss. „Credo steht mit unseren Landwirten, Fischern und anderen Lieferanten in einer symbiotischen Beziehung, die sich gegenseitig stärkt“, betont die Gastronomin. „Wir arbeiten für eine nachhaltige Ressourcennutzung in allen Produktionsstufen, von der Erde bis zum Tisch. Anstatt Zertifizierungen nachzujagen, bauen wir langfristige Beziehungen zu Herstellern auf.“ Viele Lebensmittel bezieht Heidi Bjerkan von einer kleinen biodynamischen Landwirtschaft in der Region, die auch den Kompost aus dem Credo verwendet.
Der Gast als Menü-Zutat: Heidi Bjerkan denkt ganzheitlich
Herzstück des kleinen Universums ist und bleibt das Gourmetrestaurant Credo, das 2019 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde und auch den Grünen Stern trägt. Hier nimmt Heidi Bjerkan ihre Gäste mit auf eine schmackhafte Reise zu den Gärten, den Gewässern, den Feldern und Wäldern, aus denen die Zutaten stammen. „Wir glauben, dass jede Zutat entscheidend ist – die Tiere, die Wälder, die Erde, der Mond, die See und du, das Individuum“, bringt sie ihre ganzheitliche Philosophie auf den Punkt.
Daraus entsteht jeden Abend ein 20- bis 25-Gänge-Menü, begleitet von Natur- oder klassischen Weinen, Sake, Craft Beer, Säften und Tees. Legendär ist der Credo-Langustenteller: Glasierte Langustinen vom Yakitori-Grill, mit Brühe aus Langustenkarkassen und auf Keramik serviert, deren Glasur ebenfalls Langustenkarkassen enthält. Einzigartig ist auch das Sauerteigbrot mit edler Butter von einem kleinen Bauernhof bei Trondheim, der in Kreislaufwirtschaft betrieben wird – nur zwei Beispiele für Bjerkans anspruchsvolle Küche, die jeden Tag vollen Einsatz verlangt. Doch das Credo ist bei weitem nicht ihr einziges Projekt.
Nachhaltige Gourmet-Gastronomie: im Verbund gelingt’s!
„Feines Essen an sich ist nicht nachhaltig. Aber es wird nachhaltig, wenn es Teil eines größeren Systems ist“, heißt es im Manifest. Daher ist Credo nicht denkbar ohne sein kleines Schwesterrestaurant Jossa und das Ramen-Restaurant Edoramen im selben Gebäude sowie Foodcourt und Eventlocation Vippa direkt am Oslofjord und last but not least das Geitmyra Credo Esskulturzentrum für Kinder und Jugendliche, wo jährlich mehrere tausend junge Menschen die Freude am selber Kochen und an gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln entdecken und dabei mit einigen der besten Köchinnen und Köche Norwegens zusammenarbeiten dürfen.
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Preisgekröntes Nachhaltigkeitskonzept
Für ihr außergewöhnliches Engagement wird Heidi Bjerkan mit Preisen überhäuft. 2015 wurde sie Küchenchef des Jahres, 2019 Chef’s Chef in Norwegen, um nur zwei zu nennen. Und wie meistert sie das alles, noch dazu als Frau in einem immer noch männlich geprägten Berufsfeld? „Es ist viel harte und kontinuierliche Arbeit“, sagt die Norwegerin. „Es kommt drauf an, gute Teams zusammenzustellen und gute Führungskräfte heranzubilden, die ihren Bereich voranbringen“, betont sie. Aber nochmal: Wie ist das so, als Frau in einer Männerdomäne? Heidi Bjerkan meint dazu nur: „Mein Ziel, und auch mein Rat ist, zu versuchen, sich nicht auf das Geschlecht zu konzentrieren, sondern auf das Thema: Kochen. Ich glaube, 2022 sind wir nicht mehr so altmodisch – ein Chef ist ein Chef!“