Gleichzeitig. Und jeden so, wie es ihm gefällt. Wenn am 11. Juli in Wembley das Endspiel der Europameisterschaft angepfiffen wird, wird Pappert rein rechnerisch jeden dritten Tag eben diese 90.000 Menschen glücklich gemacht haben.
Herr Pappert, wie kommt es, dass Sie für so viele Menschen kochen?
Von Anfang an habe ich für große Veranstaltungen gekocht. Zuerst in München auf dem Tollwood-Festival für 5.000 Personen, anschließend im Wirtshaus in der Au – da habe ich alles über die traditionelle bayerische Küche gelernt. Auf dem Oktoberfest kamen dann die Grundlagen dazu, aufgrund derer ich heute in Wembley nicht ins Schwitzen komme. Und ich brauche die Herausforderung. Wenn ich was erreicht habe, habe ich schon die nächste Idee im Kopf und fange was Neues an.
Wie geht man denn einen Spieltag in Wembley mit 90.000 Essen an?
In Wembley habe ich ein Kernteam aus fünf Leuten, die sich blind aufeinander verlassen können. An einem Spieltag stehen dann 450 bis 500 Köche in den verschiedenen Küchen, dazu kommen noch ungefähr 1.000 Servicekräfte. Ein hoher Qualitätsstandard beim Essen ist mir wichtig, deswegen gibt es genaue Vorgaben. Gleichzeitig habe ich die Prozesse in den Küchen optimiert, so dass die hohen Standards zuverlässig gehalten werden können.
Wie koordiniert man denn so viele Menschen?
Eines meiner wichtigsten Hilfsmittel für die Kommunikation ist WhatsApp. Darüber verschicke ich auch Bilder, wie die einzelnen Essen aussehen sollen. Und das meiste bereiten wir in Combi-Dämpfern von RATIONAL zu, die über ConnectedCooking vernetzt sind. So kann ich die Programme über eine App kontrollieren und die Küche checken, ohne überall hinzulaufen. Das spart jede Menge Zeit und Aufwand.
Jetzt werden Sie sicherlich nicht 90.000 identische Essen zubereiten, oder?
Erst mal muss man zwischen den Essen für die Concessions, die Boxen und die VIP-Gäste unterscheiden. Gefragt sind Pommes frites, Nudeln, Steak, Burger. In den VIP-Boxen wird sehr individuell gekocht.
In Ihren Stadien wird ja recht exklusiv gekocht? Wie kann man sich das vorstellen?
Für englische Fußballfans ist ein Spiel ein Event, da zählt das Abendessen genauso wie Sieg oder Niederlage des Teams. Entsprechend ist es gar nicht mal so selten, dass es vor dem Spiel ein 3-Gänge-Menü gibt. Emirates Chelsea und Wembley sind daher meist drei Stunden vor Anpfiff geöffnet. Nach dem Spiel gibt es dann noch Käseplatte oder Mini-Pies, um die Fans über einen längeren Zeitraum zu halten und gezielter aus dem Stadion gehen zu lassen.
Und wie sieht es in den Boxen aus?
In den Boxen kochen wir für die VIP-Gäste exklusiv. So eine Gesellschaft besteht aus acht bis zehn Personen. Firmenkunden, Gäste von der UEFA oder auch Sponsoren gehören dazu. In jeder Box gibt es eine eigene Küche, die von der Zentralküche beliefert wird. Vor Ort werden dann Nudeln, Steaks und ähnliches frisch zubereitet. So kommt es, dass beispielsweise im New Tottenham Stadium 180 RATIONAL Combi-Dämpfer stehen, die wir für die Zubereitung benötigen.
Jetzt haben wir eine ganze Menge über das Essen für Zuschauer erfahren. Aber wie steht es denn um die Verpflegung für die Sportler?
Die sind alle so professionell, denen muss man nicht sagen, was sie essen dürfen oder was ihnen gut tut. Sportler brauchen ordentliches Essen, das gut und richtig aus perfekten Grundprodukten zubereitet ist. Auch da verlasse ich mich auf Küchenequipment wie etwa die Combi-Dämpfer, in denen ich immer in derselben Perfektion produzieren kann. Aber natürlich weiß ich, wer was gerne isst oder in einer bestimmten Situation braucht. Wenn beispielsweise ein Spieler auf der Bank gesessen hat, hat er nicht so viel Energiebedarf wie jemand, der die ganze Zeit auf dem Feld war. Also bekommt er von mir ein Sushi, natürlich mit unterschiedlichen Füllungen wie gedämpftem Lachs oder Hähnchenoberkeule. Und dann weiß ich, wenn es beispielsweise Unverträglichkeiten gibt. Kommt ein bestimmter Trainer, weiß ich, dass die Pizza vegan und glutenfrei sein muss.
Woher wissen Sie denn, was Ihre Gäste wünschen?
In der Regel kenne ich meine Gäste schon so lange, dass der ein oder andere auch schon mal in die Küche kommt und fragt, wie ich was zubereite oder sie essen mir den Kaiserschmarren gleich vom Blech weg. Da weiß man dann auch, was die Gäste mögen oder nicht. Ich koche ja nicht nur für Sportler, sondern auch für Stars, Scheichs und Her Majesty The Queen. Eigentlich koche ich für mich und die britische Monarchin isst mit, sage ich immer.
Gibt es schon mal ausgefallene Wünsche?
Die Leute lieben meine deutsch-österreichische Küche, mein Stil ist immer noch sehr bayerisch geprägt. Richtig ausgefallene Wünsche gibt es selten, eher sind es Vorlieben. Einer mag seinen Fisch nur ohne Haut und ohne Zitrone, andere wünschen sich französische Küche auf Sterne-Niveau. Manchmal denke ich mir ein paar nette Kleinigkeiten aus. Wie zum Beispiel selbstgemachten Holundersaft. Die 1.800 Liter waren dann auch sofort weg. Ansonsten gibt es sehr viel Bratkartoffeln, Schnitzel, Kärtner Nudeln, aber auch Frankfurter Grüne Soße. Die kennt hier auch niemand.
Bei diesen Mengen – wie sieht dann Ihre Vorratshaltung aus?
So ein Stadion kann man sich wie eine kleine Stadt vorstellen. Wembley hat beispielsweise fünf Level, auf Level 5 passen bis zu 25.000 Zuschauer. Entsprechend bieten meine Lagerräume, Tiefkühler und Kühlhäuer Platz für Lebensmittel für 2 Millionen Menschen. 40 Tonnen Pommes frites, 50.000 Liter Käsesoße, 4 Tonnen Hackfleisch. So sehen meine Bestellungen aus. Und dank des passenden Küchenequipments bin ich in der Lage, 1.800 Spiegeleier in drei Minuten zuzubereiten.
Bleibt da auch schon mal was übrig?
Eigentlich nicht, das ist alles genau kalkuliert und ich habe zwei Wochen vor Spielbeginn einen Grundstock im Haus und der geht dann auch komplett raus. Leicht Verderbliches wie Fisch wird immer frisch angeliefert. Allerdings hat uns der Lockdown eiskalt erwischt. Plötzlich hatten wir 500.000 Essen in der Kühlung und niemand durfte ins Stadion. Zusammen mit ein paar Spielern habe ich dann kurzerhand das Charity-Projekt „Warmer Winters“ aufgelegt und wir haben das Essen an Schulen, Kinder, Familien und Obdachlose verteilt.
Wie bereiten Sie sich denn auf die Europameisterschaft vor?
So richtig vorbereiten müssen wir uns gar nicht, denn zum einen war der Lockdown gar keine Pause für mich. Ich habe weiter für die Spieler gekocht und hatte meine Charity-Projekte. Zum anderen dürfen in England schon wieder Zuschauer in die Stadien. Da übe ich quasi mit 22.000 Fans und arbeite mich langsam nach oben. Wenn ich dann am 11. Juli beim Endspiel koche, wird es garantiert so gut wie immer.
Herr Pappert, wir danken Ihnen für das Gespräch.