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Zu viele Köche verderben den Brei? Nicht, wenn die Küche groß genug ist

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Vorbei sind die Zeiten, in denen jeder noch jeden Tag ins Büro fuhr und willkommen im Zeitalter von Homeoffice und Remote Work. Doch was, wenn in der Einzimmerwohnung oder dem Hotelzimmer kein Platz zum Arbeiten ist oder man nicht allein will? Coworking Spaces bieten eine willkommene Lösung. Mittlerweile sind sie gar zu einem fixen Bestandteil unserer Arbeitswelt geworden und verdrängen nach und nach traditionelle Büroräume. Ein Konzept, von dem auch Gastronomen enorm profitieren können. Doch worauf müssen sie achten? Und was sind die Risiken?

Die Bankschalter, an denen Kunden vor rund 100 Jahren ihr Geld einzahlten, abhoben oder lamentierten, dass sie keines hatten, trennen heute die Konferenzräume vom Café. Kunstvolle Messingleuchten hängen von der mit bronzenen Ornamenten verzierten Decke. Durch die riesigen Fenster scheint das Sonnenlicht auf die schlichten Schreibtische. Der Architekt Henri Cleinge hat hier ganze Arbeit geleistet, als er in den Hallen der Royal Bank, die in den 1920er Jahren im historischen Viertel von Montreal erbaut wurde, ein 12.000 Quadratmeter großes Café samt Coworking Space für Start-ups und Freiberufler schuf.

Zusammen ist man weniger allein

Zugegeben, nicht alle Gemeinschaftsbüros bzw. Coworking Spaces sind architektonisch so beeindruckend wie das Crew Collective & Café in Montreal. Doch die Branche wächst rasant, und das nicht zuletzt wegen der Pandemie. Denn obwohl Social Distancing kurzzeitig für massive Einbrüche sorgte, veränderte es gleichzeitig unsere Ansprüche an den Arbeitsplatz und die Art, wie wir arbeiten. In der „neuen Arbeitswelt“ bilden Coworking Spaces quasi einen dritten Raum zwischen Homeoffice und Büro. Einen, wo sich unternehmensinterne Arbeitnehmer mit anderen internen wie externen austauschen können und dennoch für sich sind. Ein Ort, um neue Kontakte zu knüpfen, gemeinsam Ideen zu entwickeln, das berufliche Netzwerk auszubauen und/oder Kunden in stilvollem Ambiente zu empfangen. Und nicht zuletzt auch ein Ort, bei dem Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Büroflächen an die jeweiligen Projekte anzupassen und dadurch ihre Fixkosten und das damit verbundene finanzielle Risiko zu reduzieren.

Im Juni 2022 gab es bereits mehr als 28.000 Coworking Spaces auf der ganzen Welt, davon 6.200 allein in Amerika. Bis Ende 2024 werden es laut des Statista Research Departments fast 42.000 sein. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von rund 21 Prozent. Die Branche hat also zweifellos Zukunft und birgt garantiert auch großes Potenzial für die Gastronomie. Denn auch wenn der mittägliche Gang in das Betriebsrestaurant entfällt, so ist doch eins gewiss: Hunger haben die Arbeitenden zweifellos irgendwann. Es bleibt also nur die Frage, wie die Gastronomen dieses Potenzial nutzen können.

Café und Coworking Space unter einem Dach

Gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen Gastronomen, indem sie im eigenen Lokal Flächen für Coworking zur Verfügung stellen.

Foodlab Hamburg: Restaurant und Büro in einem

Image: SarahHartel

Neben Schnellimbissen und Restaurants, die nur zu bestimmten Tageszeiten wie mittags oder abends geöffnet haben, eignen sich hierfür vor allem Cafés, weil diese meist bereits über sämtliche Voraussetzungen bzw. Annehmlichkeiten verfügen, die man für ein Gemeinschaftsbüro braucht: Wlan, Steckdosen, bequeme Sitzmöglichkeiten, Zugang zu Kaffee und natürlich kulinarische Verpflegung. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, wie etwa eingangs erwähntes Crew Collective & Café, richtet zudem moderne Tagungs- und Konferenzräume sowie private Büros ein. Doch was hat das nun mit der Gastronomie zu tun?

Coworking Space: Chancen für die Gastronomie

  • Zentrale Lage von Restaurants und Cafes: attraktiv für Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber, die keine großen Büroflächen mehr anmieten müssen
  • Generierung zusätzlicher Einnahmen: Mieten sind teuer geworden. Zusätzliche Einnahmen sind sowohl für Café- als auch Restaurantbetreiber notwendig um weitermachen zu können.
  • Ausweitung der Öffnungszeiten ohne deutlich erhöhten Personalaufwand
  • Neue Kunden, die nicht nur des Essens wegen kommen, sondern auch solche, die in Ruhe arbeiten möchten und zwischendurch eine Stärkung brauchen. Im Idealfall verschwimmen die Grenzen und die Kunden suchen das Café oder Restaurant immer wieder auf, sowohl während der Arbeits- als auch in der Freizeit.
Foodlab Hamburg Essen

Image: Vivi D. Angelo

Coworking Küchen: Wo Ideen in die Tat umgesetzt werden, und Fehler erlaubt sind

Neben Coworking Spaces gibt es aber längst auch sogenannte Coworking Küchen, also Gemeinschaftsküchen. Der große Vorteil für Nutzer/Kunden: Man setzt sich quasi ins gemachte Nest. Sprich: mietet sich in eine Profi-Küche ein, die mit Top-Geräten ausgestattet ist und Platz und Raum bietet, um sich zu entfalten, neue Gerichte oder Produkte zu kreieren oder auch Fehler zu machen. Denn der organisatorische Aufwand, die Kosten und das damit verbundene Risiko bleiben in einer solchen Küche überschaubar.

Beispiele für erfolgreiche Coworking Kitchens (engl. Küchen) gibt es auf der ganzen Welt, wie etwa den Food Innovation Hub KitchenTown. Am Standort in Berlin ist neben Testküchen und Büros auch ein eigenes Food Labor untergebracht, wo Start-ups aus ganz Europa am Essen der Zukunft tüfteln können. In KitchenTown in Kalifornien vermietet man hingegen auf einer Fläche von beeindruckenden 20.000 Quadratmetern modernst ausgestattete Küchenflächen inkl. professionellen Küchengeräten und treibt von dort aus die Entwicklung, Kommerzialisierung sowie Markteinführung neuer Lebensmittelprodukte voran.

Eigener Coworking Space für die Food-Szene

Mitten in der Hamburger Hafencity steht ein weiteres Erfolgsmodell: das foodlab – ein Coworking Space, das speziell auf die Food-Szene ausgerichtet ist. „Als freie Marketingberaterin habe ich unter anderem für Food-Startups gearbeitet“, erzählt die Gründerin Christin Siegemund. Dabei habe sie eine echte Marktlücke entdeckt: „Es fehlte ein gemeinsamer Ort, an dem es Raum für Austausch gibt und der als Plattform für die Branche dient. So wurde meine Idee geboren: Genau diesen Ort zu schaffen.“

Christin Siegemund - Gründerin des Foodlab

Image: Brita Plath

2020 entstand schließlich das foodlab, das Menschen und Know-How durch Essen zusammenzubringen und Food Start-ups die perfekten Gründungsbedingungen bieten soll. Egal, ob im Coworking Space, wo an Produktideen und Konzepten gefeilt wird oder in einer der fünf professionell ausgestatteten Gewerbeküchen: darunter zum Beispiel eine Entwicklungsküche, wo Testings in größeren und kleineren Mengen durchgeführt werden können, eine Produktions- und eine Allergenküche. Darüber hinaus gehören auch ein eigenes Café und ein Popup Restaurant zum foodlab, in dem Workshops und Veranstaltungen abgehalten oder neue Ideen getestet werden können, ohne gleich ein ganzes Restaurant anmieten zu müssen.

Risiko: Startup-Branche

Doch so spannend, innovativ und vielseitig die Branche auch ist, so kann sie leider auch unbarmherzig sein und Projekte in die Knie zwingen, noch bevor sie richtig angelaufen sind. So wie den einst vielversprechenden Foodroom in Montreal, die erste Coworking Küche Kanadas. Gegründet wurde sie 2015 von Amélie Morency. Im Jahr darauf verlieh man ihr bereits den Young Entrepreneur Award 2016 für Unternehmer unter 25 Jahren.

Amelie Morency

Image: Amelie Morency (privat)

„Wir hatten es fast geschafft; wir waren fast an dem Punkt angelangt, wo wir Geld verdient hätten“, schrieb sie rund ein Jahr später in einem Blog auf der Internetplattform Medium. Monatelang hätte sie nach Wegen gesucht, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. Am Ende hat es doch nicht gereicht. Unter anderem, weil schon der Start schwierig gewesen war und sie das Budget noch vor der Eröffnung durch die Kosten für die Umbauarbeiten überschritten hatte. Erschwerend kam hinzu, dass viele der Start-ups, die sich eingemietet hatten, selbst Geldprobleme hatten und sich eine Option, die anfangs gewinnbringend erschien, letztendlich als das Gegenteil entpuppte. Da halfen auch die steigenden Umsätze nicht mehr und der Foodroom ging in Konkurs.

Rezept gegen die Insolvenz?

Ob sie es wieder tun würde? „Auf jeden Fall“, schreibt Amélie Morency, allerdings würde sie heute vieles anders / besser machen. Ihr Know-how gibt sie jetzt unter anderem an Food Start-ups und Gastronomiebetriebe weiter, unterstützt sie beim Aufbau ihres Unternehmens und bewahrt sie davor, dieselben Fehler zu machen wie sie einst bei der Gründung ihrer Coworking Kitchen.

  1. Die Wahl der richtigen Geschäftspartner
    Geschäftspartner sollte man so wählen, dass deren Werte mit den eigenen übereinstimmen und man mit ihnen auch persönlich gut auskommt. „Diejenigen, mit denen ich mich gut verstanden habe, haben mich nicht verklagt, sondern angerufen, um zu fragen, wie es mir geht. Sie waren es, die mich davor bewahrt haben, den Verstand zu verlieren,“ rät Morency.
  2. Win-Win für beide Parteien
    Bei Vertragsabschluss sollte man sicherstellen, dass beide Parteien gewinnen und mit dem Vertrag zufrieden sind..
  3. Bessere Verwaltung der Betriebskosten
    Ein essenzieller Bestandteil für den Erfolg des Unternehmens ist es, regelmäßig ein genaues Auge auf die Betriebskosten zu haben, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können und einer drohenden Insolvenz so zu entgehen .
  4. Absatz und Budget mit Puffer
    Meist werden Prognosen bzgl. Dauer und Kosten unterschätzt, darum empfiehlt die Expertin, lieber die Verkaufsprognosen zu halbieren und das Budget zu verdoppeln. Denn letztendlich brauche doch alles länger als geplant und koste mehr als erwartet.

In jedem Fall wertvolle Tipps, die jeder angehende Unternehmer oder Gastronom, der über das Konzept Coworking Space oder Coworking Kitchen nachdenkt, beachten sollte. In ihrem Fall gibt es also doch ein Happy End. Zumindest für sie und hoffentlich auch für ihre Kunden, denen sie ein Scheitern somit im Idealfall erspart.

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