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Einhundert Prozent Leidenschaft

Von: Lesezeit: 4 Minuten
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Der Fachkräftemangel lässt die Gastronomie heute rot sehen. Die Zukunft scheint schwarz. Die orangene Flamme auf den Schürzen der Guerilla Chefs strahlt jedoch nichts als Zuversichtlichkeit aus. Mit einem ganz neuen Programm und Lehrangebot will das Netzwerk an jungen Köchen den Nachwuchs in der Branche wieder für das Kochen und den Beruf begeistern. Auch einige Big Players der Branche wie Rational sind schon mit von der Partie…

Zwischen den bröckelnden Mauern einer verlassenen Lagerhalle, Bauschutt und ausgeblichenen Graffiti hat Simon der Koch Tische, Töpfe und Herdplatten aufgebaut. Er ist in Guerilla-Manier unterwegs. In den geschlossenen vier Wänden der Küche hat er noch nie ein Limit gesehen und dem schöpferischen Geist schadet ein wenig frischer Wind durch einen Tapetenwechsel sicher auch nicht. Der Fisch – ein Kaisersnapper um genau zu sein – , den Simon in seinen Händen hält, wird heute draußen in der provisorischen Küche gegrillt und mit Maniokwurzeln angerichtet. Die Kamera hält natürlich alles auf Video fest, für Social Media und die Fans. Untermalt mit einem leichten Hip-Hop Beat kocht Simon also drauf los und stellt sein Handwerk dabei mit voller Leidenschaft unter Beweis. Seine Mission? Zeigen, dass Kochen alles andere als langweilig und altbacken ist. Seine Herangehensweise ist es allemal. Die Guerilla Chefs bieten jungen Nachwuchsköchen unter seiner Leitung so einen längst überfälligen frischen Zugang zur Gastronomiebranche.

Simon Kolar Guerilla Chefs
Fehlende Köche – fehlende Motivation

Es ist kein Geheimnis, dass der Kochberuf unter seinem gegenwärtigen Image leidet. Er ist auf diversen Top 10 Listen der unattraktivsten Ausbildungsberufe zu finden, fast jeder zweite bricht die Ausbildung laut des Bundesinstituts für Berufsbildung wieder ab. Viele würden das Gefühl bekommen, nur als billige Arbeitskraft ausgenutzt zu werden, wenig von der kreativen Seite des Berufs kennenzulernen und kaum auf das digitale Zeitalter vorbereitet zu werden. Falsche Vorstellungen der Bewerber vom praktischen Berufsalltag kreuzen sich hier mit dem oftmals wenig zuvorkommenden Angeboten der Unternehmen und enden in einer Sackgasse. Das soll sich nun ändern. Sicher ist, dass die Ausbildung umgekrempelt und modernisiert werden muss, um den Generationswechsel erfolgreich zu meistern.

Der Fachkräftemangel stellt für fast 60 % aller Gastronomen das größte Problemfeld im beruflichen Alltag und für die unternehmerische Zukunft dar. Obwohl der Sektor durch verändertes Kundenverhalten und die steigende Beliebtheit von Außer-Haus Essen stetig wächst und damit ein immer größerer Bedarf an gelernten Köchen herrscht, bleiben jährlich viele Lehrstellen unbesetzt. Ein Trend, der unaufhörlich abwärts zu laufen scheint, worunter besonders kleine und mittelständische Restaurants leiden. Und das nicht nur in Europa, sondern auch in vielen Teilen Asiens und Australiens. Laut der National Restaurant Association teilen auch bis zu 37 % der Chefs aus den USA die gleichen Sorgen.

Zugegebenermaßen kann man schon nachvollziehen, warum die Gastronomie viele Neueinsteiger abschreckt. Überstunden, arbeiten wenn andere ihre Freizeit genießen, oft mickriges Gehalt und stundenlanges Kartoffelnputzen und -schälen klingen alles andere als attraktiv. „Klar, manchmal ist die Küche gnadenlos,“ sagt Simon, aber darum gehe es bei dem Beruf Koch gar nicht. Mit dem richtigen Mindset stehe nicht mehr der Stress im Vordergrund, sondern der Spaß an der Arbeit und ganz besonders der Zusammenhalt und Teamgeist in der Küche. Diese Seite müssten nur mehr Menschen wiederentdecken.

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Die Guerilla Familie

Langsam aber sicher findet darum in der Branche ein Wandel statt. Im Untergrund. Simon will nicht tatenlos zusehen wie seine geliebte Arbeit nur Missverständnis und Stirnrunzeln erntet. Dem Berufsbild Koch fehle momentan Sex-Appeal, keine Frage, aber es fehle auch eine Menge Aufklärungsarbeit und Motivation von Seiten der Gastronomie. Um die Revolution ins Rollen zu bringen hat er daher zusammen mit dem Institute of Culinary Art und Gerhard Bruder (Präsident des ICA) die Guerilla Chefs ins Leben gerufen. Ein Open Source Netzwerk  aus jungen motivierten Kochbegeisterten, welche die Menschen wieder zurück in die Küche bringen wollen. Denn Kochen ist geil! So das Credo der Guerillas. Sie wollen zeigen, dass die Branche entgegen der allgemeinen Vorstellung viele Perspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten bietet und gestalten das Bild des Kochs ganz neu – als Künstler, Freigeist und Entertainer.

Sei es auf YouTube, Instagram oder auf Events und Live Cooking Shows im echten Leben – das Netzwerk bemüht sich um Dynamik und positive Erfahrungen rund ums Kochen, die zurück in die Betriebe getragen werden können. Es reiche allerdings nicht einfach nur dort bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, sondern der Beruf müsse an sich überdacht und an den modernen Markt angepasst werden. Durch kürzere, intensivere Ausbildungsmodelle mit direktem Bezug zum Arbeitsalltag beispielsweise. Köche sollten vor allem auch in tiefere Prozesse wie Rezeptentwicklung, Forschung und Management mit eingebunden werden und nicht nur für Aushilfsarbeiten und besagten Kartoffelsack verantwortlich sein. Social Media sei dabei ein „Dreh- und Angelpunkt“, um junge Menschen zu erreichen. Die Guerilla Chefs sind dafür ein Paradebeispiel: Das Knüpfen von Kontakten und die Organisation von Veranstaltungen und Speisekarten verläuft hier hauptsächlich über Soziale Netzwerke.

Simon Kolar

Simon Kolar / Image: Lights Up Photo

Ein Koch mit Plan

Das Gute ist: Es gibt bereits viele interessierte Jugendliche, sie müssen nur besser gefördert und ermutigt werden. „Das wichtigste Werkzeug für die Zukunft unseres Berufs ist die Bildung,“ schreibt Simon auf seiner Website. Seit Februar 2020 ist deshalb die Online Guerilla Academy gestartet. Sie soll Know-How sowie Tutorials rund ums Kochen kompakt auf einer Plattform bereitstellen – und das  komplett kostenlos. Über Videos, Rezepte und User-Beiträge können Guerillas gegenseitig voneinander lernen, sich austauschen und vernetzen. Ganz egal, ob du ein 3-Sterne Restaurant führst oder Hobbykoch bist. Ein Zertifikat ist keine Voraussetzung für den Job, wichtig sei es, überzeugt von seinem Talent zu sein. Die Academy will Köchen daher wieder mehr Selbstbewusstsein und eine eigene Bühne verleihen.

Die Bewegung erhält zudem immer mehr Unterstützung von führenden Unternehmen aus der Branche. „Wir sehen uns auch in der Verantwortung den Nachwuchs in der Gastronomie weiter zu fördern,“ so Oliver Frosch, Area Vice President von Rational für die Regionen Deutschland, Österreich und Schweiz. Der Küchengerätehersteller nennt sich daher jetzt stolz „Supporting Friend“ der Guerilla Chefs. Mit professionellen Geräten für die Küche und dem langjährige Branchen Know-How will Rational gerade den jungen Köchen in ihrem beruflichen Werdegang unter die Arme greifen und ihnen über die Vorstellung von Angeboten wie ConnectedCooking auch die digitale Zukunft der Gastronomie näher bringen. Der Einstieg in die Praxis wird ihnen dadurch viel leichter fallen.

Simon Kolar Guerilla Chefs und Oliver Frosch von RATIONAL

Oliver Frosch & Simon Kolar / Image: Daniel Klaus

All diese großen Pläne brauchen auch viel Platz. In einer renovierten Industriehalle in Mannheim malt sich Simon schon wieder neue Projekte für die Guerilla Chefs aus: Kochmessen, ein eigenes Restaurant, eine Showküche – an Ideen mangelt es nicht. Hauptsache es gibt was zu erleben. Sein Konzept kommt auf jeden Fall gut an und hat innerhalb weniger Monate schon mehrere hundert junge Kochbegeisterte erreicht. Koch sein ist also ein Beruf mit vielen unterschiedlichen Facetten – mal anstrengend, mal unbeschwert –, für den es sich aber allemal zu kämpfen lohnt. Wie ein Guerilla.

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