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Dom Fernandos Restaurant Paradise in London: Die neue sri-lankische Küche

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Dom Fernandos Londoner Restaurant Paradise definiert die sri-lankische Küche neu. Warum das ganz schön brutal ist – und seine Ausbildung zum Buchhalter zum Glück nur der Anfang von etwas wesentlich Genussvollerem war.

Dom Fernando ist ein Mann der Widersprüche. Genau wie sein Restaurant Paradise im hippen Londoner Stadtteil Soho. Ist das Paradise ein klassischer Sri-Lanker? Jein. Ist es ein Fine-Dine-Sri-Lanker? Jein. Aber er selbst, Dom Fernando, ist doch Koch und Gastronom durch und durch – oder? Jein.

So weit, so unklar. Fest steht: Noch nie dürfte ein europäischer Gast die bunten Gerüche von Currys, Dahls und Naans in einem solchen Ambiente eingeatmet haben. Beton überall, grauer Beton noch dazu. Kein Schnickschnack, nirgends. Und die eckigen Lampen und Tische: schwarz. Genauso wie der Boden.

Inneneinrichtung des Restaurants Paradise von Dom Fernando im Stil des Tropischen Brutalismus

Image: Paradise

Was auf den ersten Blick trostlos wirkt, nennen Fachleute „Tropischen Brutalismus“. Das ist ein architektonischer Stil, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts seinen Siegeszug erlebte – und in tropischen Ländern wie Brasilien, Hawaii, oder eben auch Sri Lanka eine ganz eigene Ausprägung entwickelte. Mit diesem ästhetischen Erbe spielt nun Dom Fernando in seinem Restaurant Paradise. Und das sehr, sehr erfolgreich. Sein Lokal hat sich zu einer der heißesten Adressen Englands entwickelt.

Ende 2019 eröffnet, standen Menschen aus allen Ecken der Prä-Corona-Welt vor Fernandos Restaurant Schlange. Heute sind die Zeiten schwieriger, klar. Doch im Paradise einen Platz zu ergattern, ist weiterhin kein Kinderspiel – was auch an einem neuen Coup liegt. Höchste Zeit also, sich diesen Mann und sein kühnes Unterfangen einmal genauer anzusehen. Wer ist er, dieser Dom Fernando? Was macht sein Restaurant so erfolgreich? Und warum wissen wir alle so wenig über sri-lankisches Essen?

Dom Fernando: Vom Buchhalter zum Weltenbummler

Fernandos Eltern waren in den 1970ern aus Sri Lanka nach London gekommen. Anfang der 1980er geboren, verbrachte der junge Dom eine behütete, urbane Kindheit in der pulsierenden Millionenmetropole. „Meine Eltern und die Verwandtschaft nahmen mich oft in Restaurants mit“, erinnert er sich, „und sowieso wurde bei Familienfeiern immer groß aufgekocht und während des Essens hauptsächlich übers Essen gesprochen. Wie das in Sri Lanka halt so ist.“

 

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Das alles, relativiert Dom Fernando sofort, habe aber nichts mit seinem späteren Entschluss zu tun, ein Restaurant zu eröffnen. Vielmehr sei seine Leidenschaft für das Gastgewerbe durch einen Nebenjob als 16-Jähriger an einer Hotelrezeption in Chelsea gekommen. „Dort habe ich gemerkt, wie sehr mich alles fasziniert, was mit Gastgeben zu tun hat. Aber eine Karriere in dieser Branche einzuschlagen, davon wagte ich damals nicht im Entferntesten zu träumen.“ Der Grund: Fernandos Vater war Buchhalter, ein zutiefst talentierter und leidenschaftlicher noch dazu. „Und nachdem Kinder sri-lankischer Eltern immer das machen, was ihre Eltern wollen, wurde halt auch ich Buchhalter.“

Er studierte in Edinburgh Buchhaltung, arbeitete dann in London für eine große Buchhaltungsfirma. Diese hatte als Großkunden auch Hotelketten wie Intercontinental Hotels. „Obwohl mir das Buchhalten an sich keinen Spaß machte, fand ich einfach eine große Freude an der Arbeit mit Kunden aus dem Tourismus-Sektor“, erinnert sich Fernando. „Das war dann auch der Grund, warum ich im richtigen Moment den Entschluss fasste, ins Gastgewerbe zu wechseln. Zum Glück.“

Küchenchef Dom Fernando kümmert sich persönlich um seine Gäste

Image: Rebecca Dickson

London als Keimzelle sri-lankischer Restaurants

Mehrere Jahre lang arbeitete er daraufhin auf der ganzen Welt für die Intercontinental-Hotels, vor allem im Nahen Osten und in Asien. „Das waren zwar alles Schreibtisch-Arbeiten im Management-Bereich“, sagt Fernando. „Doch genau in dieser Zeit habe ich den Zauber von Gastronomie kennengelernt. Und mehr und mehr stand für mich fest: Wenn ich nach London zurückkehre, werde ich ein Restaurant eröffnen.“ Aber was für eines genau? Das wusste der weltenbummelnde Schreibtischtäter erst, als er wieder in London angekommen war.

In der Zwischenzeit hatte sich die britische Hauptstadt stark verändert. Vor allem in Sachen Gastronomie. „Früher“, erklärt Fernando, „hatte es sri-lankische-Restaurants lediglich am Stadtrand gegeben, in Bezirken wie Harrow oder Wembley. Jetzt, plötzlich, gab es solche Restaurants mitten in der Stadt. Im Gegensatz zu denen am Stadtrand waren das aber keine kleinen, familiengeführten Restaurants, sondern ziemlich groß aufgezogene, die weit mehr als nur zehn Mitarbeiter hatten.“ Fernando wusste: Hier entsteht ein Trend, der viel mit ihm selbst zu tun hat. Jetzt galt es, zuzuschlagen – und die Chance zu nutzen.

Willkommen im Restaurant Paradise

„Ich wollte etwas machen, das klischeebefreit und authentisch ist, gleichzeitig aber auch die sri-lankische Küche kreativ weiterdenkt“, sagt Fernando. Damit eben diese Kreativität im Mittelpunkt steht, entschied sich Fernando für das kühle, reduzierte Design des Tropischen Brutalismus. „Während meiner Urlaube als Kind und auch späteren Aufenthalte in Sri Lanka hatte mich diese Architektur immer sehr beeindruckt, sie ist für mich irgendwie auch das Sinnbild für urbane Restaurants in sri-lankischen Städten“, erklärt er.

 

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Mitten in diesen klaren Linien kommen die Gerichte als Hauptakteure des Restaurants schließlich umso mehr zur Geltung. Das Fleisch stammt aus kleinen Bio-Bauernhöfen, der Fisch wird in den kühlen Meeresgewässern englischer Hafenstädte handgeangelt, und Gewürze – von denen viele nur schwer in England, geschweige denn in Europa, zu bekommen sind – kommen von Produzenten in Sri Lanka, die Fernando mit seinem Küchenchef und dem gesamten Team regelmäßig vor Ort besucht.

Da wäre beispielsweise der handgeangelte Seelachs aus dem idyllischen Hafenstädtchen Newlyn nahe Cornwall, roh serviert mit Kokos und Calamondinorange, Pomelo und Forellen-Roggen. Oder das gehackte Hühnchen, scharf angebraten, mit unterschiedlichsten, dunkel-erdigen Gewürzen aus Sri Lanka, frischen, grünen Pfefferkörnern und einer Espuma aus Zitrus-Blättern.

Sri Lankisches Gericht in schwarzer Schale - Restaurant Paradise

Image: Rebecca Dickson

Gerichte wie diese waren es, die hungrige Journalisten wenige Wochen nach der Eröffnung auf den Plan riefen. Ihre Lobeshymnen in den größten Tageszeitungen Englands brachten kurz vor dem ersten Corona-Lockdown den Durchbruch für das Paradise. Heute empfiehlt der Guide Michelin das Paradise in der Bib-Gourmand-Rubrik, noch immer eine Seltenheit für ein Restaurant mit sri-lankischem Essen.

„Zum Glück“, sagt Fernando, „haben wir den Faden während der Pandemie nicht verloren. Wir versuchen, immer besser zu werden und einen Schritt weiterzudenken. Im März haben wir deswegen begonnen, ab 22 Uhr das Restaurant in eine Cocktail-Bar mit Snacks zu verwandeln. Und zwar deswegen, weil unsere tropischen Cocktails mit einzigartigen Produkten immer mehr Gäste begeistert haben, auch als Foodpairing-Alternative zu Wein. Wir haben gelernt: Unsere Cocktails funktionieren zum würzigen Essen einfach viel besser als die meisten Weine!“

 

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Dom Fernando – ein Mann der Widersprüche? Nach einem Abend im Restaurant Paradise kann man nicht anders, als seinen ersten Eindruck zu überdenken. Denn widersprüchlich ist da eigentlich gar nichts. So gegensätzlich alle Einzelheiten auf den ersten Blick wirken mögen, sie sind alle wohldurchdacht auf aufeinander abgestimmt. Das versteht aber nur, wer inmitten dieser brutalen Betonwände Platz nimmt – und sich durchs Essen und Trinken eines Besseren belehren lässt.

 

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