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Die unaufhaltsame Dynamik des Lieferservice? Das Schwungrad muss in Fahrt kommen

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Rund um die urbanen Zentren der Welt sind Lieferdienste mittlerweile allgegenwärtig. Doch trotz steigender Umsätze erweist es sich als äußerst mühsam, damit auch Gewinn zu machen. Wann kommt also das große Schwungrad endlich in Fahrt?

Zunächst einmal: Was hat es mit dem Schwungrad auf sich und was hat es mit der Foodservice-Branche, insbesondere mit Food Delivery zu tun? Der Begriff geht auf die „Schwungrad-Theorie“ zurück, die der Management-Guru Jim Collins 2001 in seinem Buch Good to Great vorgestellt hat:

„Stell dir ein riesiges, schweres Schwungrad vor – eine massive Metallscheibe, waagerecht auf einer Achse montiert, mit etwa 9 Meter Durchmesser, 60 cm dick und gut 2 Tonnen schwer. Nun stell dir vor, du willst erreichen, dass sich dieses Schwungrad so schnell und so lange wie möglich auf der Achse dreht. Mit großer Mühe schiebst du das Schwungrad zentimeterweise vorwärts, zunächst scheinbar unmerklich.

Du schiebst weiter, und nach zwei oder drei Stunden beharrlicher Bemühungen gelingt dir eine ganze Umdrehung des Schwungrads. Du schiebst noch weiter, und das Schwungrad bewegt sich allmählich etwas schneller, und mit stetiger Anstrengung schaffst du eine zweite Umdrehung. Und du schiebst weiter, konsequent in eine Richtung. Drei Umdrehungen – vier – fünf – sechs – zwanzig – dreißig – fünfzig … Einhundert. Und an irgendeinem Punkt gelingt dir der Durchbruch! Der Schwung des Objekts arbeitet für dich mit und stößt das Rad Umdrehung für Umdrehung voran… Die riesige, schwere Scheibe rotiert mit geradezu unaufhaltsamen Schwung vorwärts.“

Koch bereitet Speisen für den Lieferdienst vor

Image: AdobeStock | hedgehog94

Übertragen auf die Wirtschaft – in unserem Fall auf den Lebensmittellieferservice –, bedeutet das, man strebt mehr Kunden und damit mehr Umsatz an, dadurch kann man wiederum mehr in Marketing usw. investieren, um weitere Kunden zu gewinnen. Wie man aber derzeit beobachten kann, ist es unglaublich schwierig, einen solchen vermeintlichen „Selbstläufer“ in Gang zu bringen.

Das Schwungrad des Lieferservice

Peter Backman, Berater und Analyst im Bereich Food- und Lieferservice, kennt einige der Hintergründe: „Auf diese Idee haben schon mehrere Lieferservice Firmen zurückgegriffen, wenn sie bei Investoren vorstellig werden. Sie erklären dann, ihr Plan bestehe darin, in der Anfangsphase – in der kein Geld verdient wird und viele investiert werden muss – einfach hart zu arbeiten, und dann käme irgendwann der Moment, in dem alles aufblüht und das Geld in die Kassen fließt. Jedes Unternehmen hat so seine eigenen Theorien, wie das Geld reinkommen soll.“

In Ausgabe 9 seines Newsletters theDelivery.World stellt Backman dar, wie unterschiedlich die Unternehmen das Modell jeweils umsetzen. „Collins versucht nicht, mit dem Schwungrad-Modell zu belegen, wie der Umsatz von allein steigt“, meint Backman, „aber die Lieferfirmen berufen sich als Rechtfertigung auf die Schwungrad-Geschichte.“

Peter Backman - Experte für Lieferdienste

Image: Peter Backman

Der steinige Weg in die Gewinnzone

Es wird viel darüber diskutiert, ob die einzelnen Lieferserviceanbieter überhaupt rentabel arbeiten. Dazu sagt Backman: „Keine [der Lieferservice Firmen] erwähnt den Gewinn, man spricht nur über den Umsatz. Wenn im grundlegenden Geschäftsmodell kein Gewinn anvisiert wird, wird man ihn auch nicht erzielen. DoorDash ist auf EBITDA-Ebene (ohne Berücksichtigung der Finanzierungskosten) auf Quartalsbasis profitabel, und die Investoren-Gemeinde scheint sich damit zufriedenzugeben. Just Eat erklärte, im letzten Quartal Gewinn gemacht zu haben. Alle anderen haben das, soweit ich es beurteilen kann, nicht getan.“

Lieferservice heißt Kundenerwartungen erfüllen

Food Delivery ist inzwischen ein akzeptierter und auch erwarteter Service des modernen Lebens. Das Wirtschaftsmodell hat schon länger ganz gut prosperiert, um dann in der Pandemie endgültig überall, oder besser gesagt: in den urbanen Räumen Fahrt aufzunehmen.

„Die Kunden wünschen sich Lieferservice als Teil des täglichen Lebens und zahlen einiges dafür, es wird aber auch nachgefragt. Dem müssen die Lieferfirmen nachkommen. Der Anreiz war anfangs die unternehmerische Chance auf Wachstum und Umsatz durch ein möglichst hohes Bestellvolumen. Just Eat hat zunächst Vereinbarungen mit den Restaurants geschlossen und gesagt, wir nehmen die Bestellungen auf unserer Plattform auf und leiten sie an euch weiter. Ihr, die Restaurants, seid für die Auslieferung an die Kunden verantwortlich“, erzählt Backman.

Kapitalrendite lässt noch auf sich warten

„Die Investoren machen mit, weil sie davon überzeugt waren, dass es sich um Tech-Unternehmen handelt. Überall ist Technologie im Spiel: von der Bestellungsaufnahme über die Weiterleitung ans Restaurant bis zur Kommunikation mit den Fahrern, um Abholort und -zeit sowie Lieferadressen zu mitzuteilen. Und nicht zuletzt, um die Kunden zu informieren, dass das Essen unterwegs ist. Technologie gehört zu diesem Geschäftsmodell untrennbar dazu, und die Lieferunternehmen preisen sich bei den Investoren als Tech-Investitionen an. Deshalb fließen irrsinnige Summen in die Branche, weil die Lieferfirmen meinen, wir haben dieses Schwungrad in Gang gebracht. Es funktioniert vielleicht noch nicht perfekt, aber mit ein bisschen mehr Geld kriegen wir das hin. Derzeit denkt man vielfach: Nur noch ein kräftiger Ruck, und wir haben‘s geschafft.“

 

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Ausdifferenzierung der Lieferservicemodelle

Wenn dieser eine weitere Schub aber nicht den erwarteten Cashflow bringt, wie können die Lieferfirmen dann den Weg in die Gewinnzone schaffen? Pizza-Anbieter wie Papa John‘s, Pizza Hut und Domino‘s Pizza arbeiten schon seit vielen Jahren mit Lieferservice, der ist aber im Geschäftsmodell integriert. Mit dem Lieferservice mache sie zwar Verluste, die aber durch die übrigen Geschäftsbereiche wieder ausgeglichen werden.

Dazu erklärt Backman: „Das Liefermodell trennt den Liefervorgang von allem anderen ab. In der Gastronomie sind die Gewinnmargen sehr gering. Wenn dann ein großes, massiges Unternehmen 30 % vom zusätzlichen Umsatz für sich abzwacken will, verdient man selbst nichts.“

Ideen für einen rentablen Lieferservice

Backman schlägt u. a. vor, ein eigenes Unternehmen für das Fahrpersonal zu gründen – eine radikale Idee, die die Lieferbranche aufgreifen könnte. „Man könnte alle Fahrer bündeln und ein Unternehmen gründen, zum Beispiel die „Fahrer KG“. Alle Fahrer sind bei diesem Unternehmen angestellt und werden an die Lieferfirmen weitervermittelt, damit diese sich nicht einzeln um ihre Fahrer kümmern müssen. Denn das übernimmt ein eigenes Unternehmen mit Zehntausenden Mitarbeitern, das als Arbeitsvermittler agieren kann. Das wäre eine Möglichkeit, die Kosten zu senken“, sagt er.

Mann auf Motoroller liefert Essen aus

Image: AdobeStock | Tricky Shark

Eine weitere mögliche Spezialisierung wäre ein Lieferservice für Geschäftskunden, also die Lieferung an Kunden auf der Arbeit. „Das könnten Angebote sein, die Arbeitgeber mit einer Lieferfirma vereinbaren“, so Backman. In Zeiten hybrider Arbeitsmodelle zwischen Homeoffice und Büropräsenz könnte dies den bisherigen Vertrags-Caterer ersetzen.

„Lunchpakete bzw. Menüboxen sind eine weitere neue Idee“, rät Backman. „Diese könnten einige Tage im Voraus bestellt werden und müssen dann vom Kunden zu Ende zubereitet und gegart werden. Das wäre für mich eine Mischform aus Lieferservice und Fertiggerichten, die aber in der Regel sehr hochwertig sind und keine Konkurrenz zu Deliveroo darstellen.“

Auch wenn es derzeit mit der Rentabilität noch hapert und das Schwungrad noch nicht gänzlich in Bewegung ist, scheint der Food-Lieferservice doch dauerhaft am Markt etabliert. Die Kunden, meist junge Leute zwischen 20 und 30, sind bereit, für die bequeme Lieferung von Essen an die Haustür mehr zu zahlen. Wie viel mehr das ist, wird sich zeigen, wenn die Lieferfirmen eine bestimmte Marktmacht erreicht haben, um die Preise anheben und die Kosten senken zu können.

 

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