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Supermarkt-Gastronomie: Eine ernsthafte Bedrohung für Restaurants?

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Vor allem in den USA setzen Supermärkte verstärkt auf Gastronomie. Damit soll der Einkauf zum Erlebnis und zum genussvollen Zeitvertreib werden. Aber wie genau? Und ist das eine Gefahr für die Gastronomie außerhalb der Supermarkt-Sphäre?

Wenn man die Welt des Essens in Zwei teilen müsste, dann am besten so: Es gibt die Gastronomie – und es gibt den Supermarkt. In der Gastronomie bekommt man sein Essen serviert. Und im Supermarkt kauft man sich die Lebensmittel, um sie anschließend zu Hause selbst zuzubereiten. So einfach ist das – in der Theorie. In der „neuen“ Realität unserer Zeit ist die Sache, wie immer, etwas komplizierter. Denn Supermärkte und Gastronomie wachsen seit einigen Jahren immer stärker zusammen. Aber wie genau? Und warum?

Die Ausgaben sagen: Lieber Gastronomie als Supermarkt

Dass der Einzelhandel und insbesondere Supermärkte bestimmte Elemente der Gastronomie bzw. ein gastronomisches Angebot in ihre Standorte integrieren, ist an sich nichts Neues. Anfang der 2000er-Jahre schon waren sogenannte heiße Theken, in denen Speisen zum Mitnehmen bestellt werden konnten, im Ein- oder Ausgangsbereich vieler Supermärkte gang und gäbe. Doch mit Beginn der 2010er-Jahre suchten große Supermarktketten verstärkt nach neuen Wegen, um sich im umkämpften Markt des Lebensmittelhandels erfolgreich zu positionieren.

Die Supermarkt-Gastronomie bietet warme Speisen an

Image: AdobeStock | Pixel-Shot

Warum? Weil viele etablierte Supermärkte durch den Erfolg von Discountern, die in den letzten 20 Jahren mit Bio-Produkten und Eigenmarken bei Konsumenten punkteten, plötzlich Umsatzeinbußen erlitten. Aber auch, weil sich das Konsumverhalten der Menschen beim Thema Essen immer stärker veränderte: Laut dem United States Census Bureau, der führenden US-amerikanischen Statistikbehörde, geben Menschen seit in den letzten fünf Jahren mehr Geld für das Essen außer Haus aus als für Lebensmittel im Supermarkt.

Mit einer kurzen – logischen – Unterbrechung der Corona-Pandemie, verschärft sich dieser Trend bis heute: Im Februar 2023 betrugen die Ausgaben für die Gastronomie in den gesamten USA 95 Milliarden US-Dollar, die für den Lebensmitteleinkauf von Supermärkten lediglich 72 Milliarden. Daher liegt die Lösung für viele etablierte Supermarkt-Konzerne auf der Hand: Supermärkte müssen mehr können als nur Orte des reinen Verpflegungseinkaufs zu sein. Sie müssen Orte der Begegnung, Orte des Erlebnisses werden. Und wie macht man das? Genau. Mit so genannter Supermarkt-Gastronomie.

Sterneküche, Fastfood oder doch etwas ganz anderes?

Und da kann es schon mal ein Drei-Sterne-Restaurant sein, wie etwa das berühmt berüchtigte Chef’s Table at Brooklyn Fare, das ganz unauffällig hinter einem kleinen Supermarkt inmitten New Yorks liegt. 2016 eröffnet, hat dort Küchenchef Cesar Ramirez ein kulinarisches Universum erschaffen, das mit dem Supermarkt davor nichts, aber auch rein gar nichts mehr zu tun hat.

 

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Lediglich der Besitzer ist derselbe: Moe Issa, der Gründer der Brooklyn-Fare-Supermärkte, der beide Sphären zumindest kaufmännisch zusammenhält. Das heißt: Weil seine Supermärkte so gut laufen, gönnt er sich eben eines der besten Restaurants der Welt, für das einen Sitzplatz zu bekommen als Normalsterblicher mittlerweile fast als unmöglich gilt. Kurz: Moe Issa braucht eigentlich kein Restaurant, damit seine Supermärkte funktionieren. Die großen Supermarkt-Ketten in und außerhalb der USA aber mittlerweile schon.

Blickt man zu den Big Playern der US-amerikanischen Supermarkt-Branche, hat dieser Trend in den vergangenen fünf Jahren ordentlich an Fahrt aufgenommen. Doch so simpel wie sie klingt, ist die Sache natürlich leider nicht. Einfach ein Restaurant neben der Supermarkthalle einquartieren? Schön wär’s. Da gehört schon mehr dazu. Der Supermarkt-Riese Walmart weiß davon ein Lied zu singen.

Personen essen in einem Supermarkt Restaurant

Image: AdobeStock | mavoimages

Über 30 Jahre lang bestand die geschäftliche Partnerschaft mit McDonalds. Und das Geschäft funktionierte: Leute, die bei Walmart einkauften, kehrten davor oder danach beim Fastfood-Riesen ein. Und freuten sich dadurch umso mehr auf ihren Einkauf bei Walmart. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Doch die letzten Jahre machten dieser, bis dahin so bewährten Partnerschaft zu schaffen: Online-Handel, der Trend zum Drive-In bei Fastfood-Ketten, Discounter-Konkurrenz, Corona-Pandemie. Von den rund 1.000 McDonalds-Filialen, die zu Spitzenzeiten bei den Walmart-Supermärkten eingemietet waren, standen im Jahr 2021 gerade einmal noch 150. Wie also weitermachen? Diese Frage beantwortete die Walmart-Führung ziemlich ehrgeizig. Und ziemlich innovativ: In Form von Ghost Kitchens.

Ghost Kitchens als Erfolgsrezept für Supermarkt-Gastronomie?

Wo früher der vertraute Tresen von McDonalds stand, finden Walmart-Kunden heute – etwa in der Walmart Filiale in Rochester im Bundesstaat New York – lediglich einen Schalter vor. Und zwar den des Unternehmens namens – Überraschung! – „Ghost Kitchens“. Dort können Kunden Gerichte von über zwanzig (!) Foodkonzepten bestellen, und diese Bestellung auch über eine App so timen, dass das Gericht erst pünktlich nach dem Einkauf ausgegeben wird.

Saladworks, Big Chicken, Nathan’s Famous, Wow Bao – die beliebtesten Gerichte vieler US-Erfolgsmarken stellen den Walmart-Kunden vor die süße Qual der kulinarischen Wahl. Mit Erfolg: Nach dem Standort in Rochester expandierte das Konzept nach Kalifornien, Texas, Ilinois oder Georgia. Und das, obwohl es zum Essen weder Sitzplätze, geschweige denn einen Service gibt. Doch der unkomplizierte Luxus einer riesigen Auswahl an Essen scheint für den Kunden der Supermarkt-Gastronomie- von morgen durchaus das zu sein, was er braucht. Zumindest bei Walmart.

Supermarkt-Gastronomie als Eigenmarke

Anders verhält es sich bei Kroger, dem anderen Supermarkt-Riesen in den USA. 2019 eröffnete er in Cincinnati eine Filiale auf zwei Stockwerken – tja, in Amerika ist nun einmal alles größer – und integrierte dort gleich einen Food Court.

 

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Mit dabei: Seine neue Restaurant-Eigenmarke namens Kitchen 1883. Unter dem Motto „Rustic Relaxation“, zu Deutsch etwa rustikales Entspannen, wird dort frische Küche zu moderaten Preisen serviert, und eine Cocktail-Bar gibt es auch. Von geschmortem Blumenkohl mit Chilisauce, Frühlingszwiebeln und Sesamtopping über den herzhaften Garnelen-Cocktail bis hin zu knackigen Shishito-Paprika mit Aji-Amarillo-Sauce kosten die wenigsten Speisen über zehn Dollar. Und die Kunden lieben es, wie es scheint. Denn mittlerweile hat Kroger sein Kitchen 1883-Konzept in zwei weitere Filialen gebracht. Und zeigt damit der Konkurrenz: Das Investment einer gastronomischen Eigenmarke – auch jenseits von Ghost Kitchens und Fast Food – kann sich lohnen.

Gibt es das Erfolgsrezept für Supermarkt-Gastronomie?

Doch wird dieser Trend, der von Amerika kommend auch europäische Supermärkte erfasst, zu einem Problem für die Gastronomie jenseits der großen Supermarkt-Ketten? Womöglich ist es noch zu früh, um eine verlässliche Vorhersage zu treffen – doch es sieht momentan nicht danach aus. Natürlich: Große Supermarkt-Komplexe mit eigenem Food Court, oft in Speckgürteln gelegen, könnten in absehbarer Zukunft der urbanen Gastronomie sehr wohl zusetzen.

Supermarkt-Gastronomie bietet seinen Gästen eine breite Essensauswahl

Image: AdobeStock | Nomad_Soul

Doch das gastronomische Angebot der Supermärkte findet zum allergrößten Teil bislang ohne Food Court statt. Und ob in Form von Ghost Kitchens oder gastronomischen Eigenmarken: Solche Restaurants zählen zum allergrößten Teil Supermarktkunden als Gäste – und nicht Menschen außerhalb der Supermarkt-Sphäre. Dafür sind selbst Konzepte wie das vergleichsweise gehobene Kitchen 1883 nicht spektakulär genug. Außerdem: Noch steckt die Supermarkt-Gastronomie in den Kinderschuhen.

Die unterschiedlichen Herangehensweisen der großen Supermarkt-Ketten zeigen das deutlich. Ghost Kitchens mit Comfort Food? Ein Restaurant als Eigenmarke? Und überhaupt: Welchen Restaurant-Konzept funktioniert für eine so diverse Kundschaft wie Supermarkt-Kunden langfristig? Das alles sind Fragen, an die sich die großen Supermarkt-Konzerne erst langsam herantasten. In der Zwischenzeit tut die klassische Gastronomie jedenfalls gut daran, sich auf ihre Kernkompetenz zu besinnen: Ein Ort abseits der Alltagshektik zu sein. Ein Ort, an dem Gäste eine gute Zeit erleben und mit gutem Essen und aufmerksamen Service bedient werden. Ganz ohne Einkaufstaschen.

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