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Food Courts: Das neue Schlaraffenland der Gastronomie

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Food Courts erobern auf der ganzen Welt die Herzen und Gaumen von Foodies. Warum dieses-Phänomen eine glorreiche Zukunft erwartet – und Überforderung der ultimative Appetizer ist.

Wer kennt’s? Man macht die Speisekarte auf – und ist heillos überfordert. Weil einem bei jedem einzelnen Gericht das Wasser im Mund zusammenläuft. Man am liebsten alles bestellen würde und dennoch weiß: Man muss sich entscheiden. Für ein einziges.

Und jetzt wagen wir folgendes Gedankenexperiment: Diese heillose Überforderung multiplizieren wir mit dem Faktor 10. Ach was, 20. Und erhalten nun jene unbeschreibliche enthusiastische Überforderung, die jeder hungrige Foodie empfindet, wenn er im Jahr 2023 einen sogenannten Food Court betritt.

 

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Was sind Food Courts überhaupt?

Food Courts, so nennt man Hallen, in denen eine Vielzahl an unterschiedlichen Restaurants und Imbissbuden untergebracht sind. Kurz gesagt: Dort bekommt man alles, was das hungrige Herz begehrt. Burger, Bowls, Pizzen, Falafel, von ausgefallenerem Schnickschnack ganz zu schweigen. Meist findet man Food Courts in Shopping-Centern. Aber auch an Flughäfen gibt es sie – und mittlerweile gar in eigens dafür konzipierten Hallen. Aber dazu später mehr.

Allen Food Courts gemeinsam ist jedenfalls, dass sich die verschiedenen Gastro- und Imbisskonzepte eine Sitzfläche teilen. Tische und Stühle, meist in der Mitte angerichtet, gehören also den Kunden. Ja, den Kunden –nicht den Gästen. Denn in Food Courts gibt es in der Regel kein Service-Personal, das einem das Essen bringt. Stattdessen holt man sich das Essen direkt von der Theke und setzt sich an einen der Tische, die auf einer Art Gemeinschaftsfläche stehen. Ein bisschen wie in einer Kantine

„Was es aber sehr wohl braucht, ist jemand, der das Geschirr, das manchmal auch aus Plastik und Pappe besteht, abräumt“, sagt Pierre Nierhaus. Der gebürtige Düsseldorfer ist einer der gefragtesten Trendexperten und Konzeptberater weltweit – und bereist seit rund 20 Jahren die pulsierenden Metropolen rund um den Globus, um Trendanalysen zu erstellen.

Pierre Nierhaus, Experte für Food Courts

Image: Pierre Nierhaus

Wer Nierhaus zuhört, merkt schnell: Unter gastronomischen Gesichtspunkten kennt er jede Großstadt, die etwas auf sich hält, wie seine eigene Westentasche. Allein in New York war der Gastro-Experte schon über 85 Mal. Dabei hat es ihm das Food Court-Phänomen besonders angetan. Denn sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern haben Food Courts in den vergangenen zehn Jahren einen Siegeszug erlebt, wie er – zumindest gastronomisch – seinesgleichen sucht. Woran liegt das? Und was macht in Zukunft einen erfolgreichen Food Court aus?

Food Courts: Alles begann mit System-Gastronomie

„Es gibt drei Food Court-Generationen“, erklärt Nierhaus. „Die erste war die klassisch amerikanische in den Shoppingmalls. Da standen mehrere Fastfood-Konzepte im Kreis, und in der Mitte standen Tische und Plastikstühle. Das war so erfolgreich, dass viele bis heute genau dieses Bild vor sich haben, wenn sie an Food Courts denken.“

Die zweite Generation, so Nierhaus, sorgte für einen bahnbrechenden Qualitätssprung. Zwar nahm auch dieser seinen Anfang in den USA. Doch breitete er sich rasant in asiatischen Ländern wie Singapur, Japan und den arabischen Golf-Staaten aus. „Diese Generation an Food Courts fand in gehobeneren Shopping-Malls statt, wir sprechen da von so genannten Upscale Malls. Was wir dabei nicht unterschätzen dürfen: Solche Malls haben in asiatischen Ländern oder den Golfstaaten eine ganz andere Bedeutung. Sie stehen für Sicherheit, aber auch für angenehme Temperaturen in einem sonst viel zu heißen Klima.“

 

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Im Gegensatz zur ersten Generation begannen Food Courts in besagten Upscale Malls nicht nur auf die üblichen Verdächtigen der Systemgastronomie zu setzen. Die Betreiber rekrutierten auch kleinere Konzepte, die etwas Persönlicheres ausstrahlten. „Außerdem wurde die Bestuhlung besser“, so Nierhaus. Statt Plastiktischen und Stühlen mit Campingcharakter konnte man hier und da schon auf gepolsterten Sitzgelegenheiten Platz nehmen. „Bestes Beispiel dafür ist bis heute das Westfield-Einkaufszentrum in London mit seinem wirklich großartigen Food Court“, sagt Nierhaus. „Da findet man mittlerweile Konzepte mit offenen Küchen, teilweise sogar eine Bestuhlung wie im Restaurant. Für mich ist das Westfield der Beweis, dass diese zweite Generation immer noch durchaus aktuell und erfolgreich ist.“

Weltweit ein Erfolg

Die Erfolgsgeschichte der Time Out-Markets begann 2014 in Lissabon, in der geschichtsträchtigen Markthalle Mercado da Ribeira. Die Idee dahinter: Die besten, kreativsten und repräsentativsten F&B-Konzepte der Stadt unter einem Dach zu vereinen. Und damit nicht nur den Einwohnern selbst etwas gastronomisch Hochwertiges zu bieten, sondern auch Touristen auf möglichst wenig Raum möglichst viel über die regionale Kulinarik näher zu bringen. 26 Restaurantkonzepte und acht Bars machen den Time Out-Market in Lissabon heute zu einem regelrechten Schlaraffenland für Foodies aus Nah und Fern.

Beim Besuch fällt auf: Um klassischen Komfort geht es im Time Out ganz und gar nicht. Hier ist es laut, hier ist es voll. Aus einer Nebenhalle dringt Musik, dort wird gerade ein Konzert gegeben, auch wenn es ein Dienstag und erst 10:35 Uhr ist. Die Bestuhlung in der Mitte ist zwar recht schick, aber man setzt sich trotzdem lieber auf einen der wenigen Plätze am Randtresen, der die Gemeinschaftssitzfläche umgibt. Man kommt mit anderen Kunden – oder sprechen wir hier nun doch von Gästen? – wie automatisch ins Reden. Man fachsimpelt übers Essen, über Wein, über die Stadt und ihre Kulinarik, und versteht, lärmbedingt, sowieso nur die Hälfte des unbekannten Gegenübers.

Und doch hat das alles seinen Reiz: Wo sonst wird einem eine solche Fülle an qualitativ hochwertiger, authentischer Kulinarik eines Landes auf so wenig Raum serviert – noch dazu in einer derartigen Atmosphäre? Kein Wunder also, dass die Time Out-Markets in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg in die pulsierendsten Metropolen der Welt expandiert haben. Nach Dubai, New York, Miami, Chicago oder Montreal.

Regionale Food Courts, internationales Management

„Das Erfolgsrezept liegt sicherlich darin, auf qualitativ hochwertige Lokalmatadoren zu setzen“, erklärt Nierhaus das Time Out-Phänomen. „Und zwar auf solche, die alle etwas anderes anbieten – und auch bei dem bleiben, was sie anbieten. Das sorgt nicht nur für verlässlich hohe Qualität, sondern auch für einen kulinarischen Diversitätsfaktor, der trotz allem regional und repräsentativ für den jeweiligen Standort ist.“

Aber könnte man nicht auch einen Widerspruch wittern? Ein Food Court-Konzept, das sich mit Lokalmatadoren brüstet – aber mit jedem Standort mehr in Richtung internationale Kette geht? Nierhaus sieht das nicht so: „Food Courts zu betreiben, verlangt eine ungeheure operative Infrastruktur. Ob es da um Spülstraßen, Toiletten, Warenlager und professionelles Küchenequipment geht – für diese komplexen logistischen Fragen braucht es unglaublich erprobte Profis, ansonsten funktioniert das nicht. Dafür braucht es ein zentrales Management, ein zentrales Marketing, wo das gesamte Knowhow zusammenfließt.Viele verstehen das mittlerweile – deswegen kann man davon ausgehen, dass auch in Zukunft gelungene Food Court-Projekte entstehen werden.

Foodies können also sicher sein: Die totale Überforderung beim Betreten eines Food Courts wird sie auch in den nächsten Jahren begleiten. Zum Glück.

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