Modezeitschriften, Filmstars, Influencer oder sogar Teenager versuchen uns immer wieder zu erklären, was gerade im Trend ist. Römersandalen mit Socken zum Beispiel. Oder Curtain Bangs – ein fransiger Pony für jeden Haartyp. Meistens sind das nur kurzfristige Modeerscheinungen, die schnell wieder vergessen werden. Aus soziologischer Sicht beschreiben Trends das, was morgen sein wird. Das zu erkennen, ist nicht leicht und erfordert ein ganz besonderes Gespür.
Diese Frau weiß alles über die wichtigsten Food Trends 2024
Trendforscherin Hanni Rützler zählt zu den führenden Food-Expertinnen Europas. In ihrem frisch erschienenen „Food Report 2024“, der heuer zum elften Mal vom Zukunftsinstitut herausgegeben wurde, beschreibt sie die wichtigsten Food Trends und die größten Treiber für den Wandel in der Foodservice Branche für das kommende Jahr. Es scheint so, als würde sich alles gerade verändern: Was wir essen. Wann wir essen. Wer es zubereitet. Und wie es produziert wird. Dabei liegt der Fokus (wiederholt) auf den Themen Nachhaltigkeit, Regionalität und neuen Technologien.
Plant-based-Food
Zu den bedeutendsten Food Trends 2024 zählt nach wie vor Plant-based-Food. Angetrieben durch das wachsende Klima- und Umweltbewusstsein, speziell von der jüngeren Generation. Aber auch das Abwenden der industriellen Fleischproduktion, die für viele ethisch nicht mehr vertretbar ist, stärkt den Trend. Der Gedanke, dass es uns in Zukunft gelingen wird, den Fleischkonsum in den Industrienationen um mindestens 75 Prozent zu reduzieren, um den Planeten zu retten, ist zwar schön, aber nicht realistisch. Es müssen also andere Lösungen her. Und eine davon lautet pflanzliche Fleisch- und Fischersatzprodukte.
Besser, schneller, stärker: Neue Technologien
Doch obwohl es immer besser gelingt, den Geschmack und die Konsistenz von Fleisch und Fisch zu imitieren, ist es für viele (noch) kein vollständiger Ersatz. Dank neuer verbesserter Technologien macht auch die Konkurrenz schnelle Fortschritte.
Großes Potenzial für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion hat etwa die Präzisionsfermentation, eine Technik, bei der mit Hilfe von Hefen Käse hergestellt werden kann. Ganz ohne Kuh. Eine andere Alternative, um Lebensmittel abseits der klassischen Landwirtschaft zu erzeugen, ist Cultured Meat beziehungsweise Cultured Fish. Darunter versteht man Fleisch- und Fischprodukte, die aus tierischen Muskel- und Fettzellen kultiviert werden. Produkte also, die wie das Original schmecken, für deren Produktion aber keine Tiere sterben mussten.
Was vor wenigen Jahren noch wie eine ferne Utopie klang, ist heute ein heiß umkämpfter Zukunftsmarkt. Erst vor Kurzem gaben die Gesundheitsbehörden in den USA grünes Licht für das sogenannte „In-vitro“-Fleisch. Damit sind die Vereinigten Staaten nach Singapur das zweite Land, das den Verkauf von im Labor gezüchteten Fleisch erlaubt. Die bislang größte und nahezu einzige Herausforderung dabei ist die fehlende Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft.
Female Conoisseurs first
Die Foodservice Branche erlebt zudem einen Wandel, weil sich darin immer mehr Frauen durchsetzen. Sie sind nicht nur in der Top-Gastronomie stärker vertreten, sondern dominieren die Food-Blogger-Szene, gründen innovative Food-Start-ups oder machen sich als Barkeeperinnen und im Weinbau einen Namen. Female Conoisseurs – so der Fachbegriff – werden die Branche laut den Food Trends 2024 aufmischen, indem sie verstärkt auf soziale und ökologische Themen setzen und den Weg in eine nachhaltigere und vielseitigere Zukunft vorgeben.
Regenerative Foods macht alles gut?
Ein weiterer schnell wachsender, aber noch relativ neuer Trend sind Regenerative Foods. Dabei liegt der Fokus nicht mehr nur auf den Speisen, die auf unseren Tellern landen, sondern auf der Art und Weise, wie Lebensmittel produziert werden. Sprich: Es geht darum, die Biodiversität zu fördern und den Einfluss der Landwirtschaft auf den Klimawandel zu minimieren, ja gar aktiv gegenzusteuern, um unseren Böden eben Regeneration zu verschaffen.
Damit macht Regenerative Food nun der Bio-Branche Konkurrenz. Obwohl der Anteil an biologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen und Bio-Produkten nach wie vor verhältnismäßig klein ist, sah man in Bio lange Zeit die Lösung für viele Probleme unserer Zeit, wie etwa den Umwelt- und Klimaschutz, Tierwohl oder Ökologie.
Doch die Zeiten ändern sich. Bio scheint auf der Stelle zu treten und wichtige Themen verschlafen zu haben. In Sachen Herkunft, egal ob lokal oder exotisch, hat Bio mittlerweile das Nachsehen. Denn Konsumenten legen heute mehr Wert auf regionale als auf biologische Lebensmittelproduktion. Dabei sind zwei Hauptrichtungen zu erkennen: Zum einen traditionelle Lebensmittel aus unseren Breiten, die immer öfter direkt beim Bauern gekauft werden. Und zum anderen exotische Pflanzen und Tiere, sogenannte „Local Exotics“, die für bestimmte Gegenden untypisch sind. Ein spannendes Thema. Doch dazu kommen wir später noch.
Noch immer zu viel Lebensmittelmüll
Ein Trend, den Hanni Rützler erstmals vor zehn Jahren im ersten Food Report beschrieb, ist Re-use Food. Seitdem hat sich einiges getan. Genug ist es noch nicht. Allein in Deutschland wird immer noch mehr als ein Drittel der produzierten Lebensmittel weggeworfen. Früher sah man die Verantwortung hauptsächlich bei den Konsumenten, heute entwickeln immer öfter auch Start-ups, Supermärkte oder Gastronomiebetriebe nachhaltige Konzepte, um Lebensmittel quasi zu recyclen. Noch einen Schritt weiter geht der Circular-Food Trend. Dabei reicht es nicht, Abfall nur zu reduzieren. Ziel ist es, erst gar keinen entstehen zu lassen, etwa indem man Bestandteile wie Kerne, Schalen usw. weiterverarbeitet und wieder in den biologischen Kreislauf zurückführt. Ein Food Trend 2024, der vielversprechend klingt.
Wann ist ein Food-Trend ein Food-Trend?
Doch was macht einen Food-Trend eigentlich aus? Und woran erkennt man, welcher Trend Zukunft hat? „Ich definiere Food-Trends als Antwort auf aktuelle Wünsche, Probleme und Sehnsüchte in unserer Gesellschaft in Bezug auf die Ernährung oder die Nahrungsmittelproduktion. Ein Food Trend muss demnach immer ein Lösungspotential haben“, erklärt Food-Expertin Hanni Rützler. Weist er das nicht auf, handelt es sich lediglich um ein kurzfristiges Phänomen.
Ihre breitgefächerte Ausbildung – sie studierte Ernährungswissenschaften, Psychologie und Soziologie, Lebensmittel- und Biotechnologie – hilft ihr, das Thema Ernährung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, zu analysieren und einzuordnen. Doch auch der Austausch mit Experten aus den Bereichen Forschung und Politik, Lebensmittelproduktion, Gastronomie und Handel sowie Messebesuche und Recherchen vor Ort gehören zu ihrem Job.
Jeder Food-Trend braucht einen Begriff
Wie es ihr gelingt, Food Trends aufzuspüren, die sich noch außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung befinden? Am besten beschreibt man das mit einem Beispiel. Nehmen wir eingangs erwähnte „Local Exotics“ her, einen Food-Trend, der vor zwei Jahren entstand. Damals hatte das Thema Regionalität gerade durch Corona einen enormen Zulauf erfahren, das Angebot an regionalen Produkten war aber noch recht überschaubar. Gleichzeitig hatte die Landwirtschaft regional stark mit dem Klimawandel zu kämpfen. So konnte etwa im Weinviertel in Niederösterreich der Mais nicht richtig aufgehen, weil dazu das Wasser fehlte. Doch in der Not bauten einzelne Landwirte plötzlich nicht mehr Mais oder Wein an, sondern Erdnüsse.
Anderorts, wie etwa im Burgenland (einem Bundesland an der österreichisch-ungarischen Grenze) begann man Safran, Kurkuma, Ingwer und Wasabi zu kultivieren. Und in Bayern (Deutschland) oder der Schweiz wurden auf einmal Garnelen oder Yaks gezüchtet. Tiere und Pflanzen also, die für diese Breitengrade vollkommen untypisch waren.
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„Wenn mir so etwas auffällt, dann schaue ich mir an, wo es das noch gibt. Und wenn ich das Gefühl habe, dass das schon eine kleine zarte Bewegung ist, die dem Bedürfnis nach mehr Regionalität entspricht und gleichzeitig eine Lösung für das Problem ist, dass es zu wenig regionale Produkte gibt, dann gebe ich dem ganzen einen Namen. Wie in diesem Fall ‚Local Exotics‘.“ Auch das gehört zu ihrem Job. Denn es braucht natürlich einen Begriff, um eine Entwicklung sicht- und greifbar zu machen. „Und schließlich wird daraus ein Trend, der uns noch einige Jahre begleiten wird, bis er am Ende an den Klimawandel adaptiert wurde.“
Was servieren wir in Zukunft?
Fünf bis zehn Jahre halten sich Food-Trends in der Regel. Dabei befinden sie sich in einer permanenten Evolutionsschleife, werden manchmal stärker, dann wieder schwächer, stagnieren oder fusionieren zu neuen Trends. Doch warum ist es wichtig, heute schon zu wissen, was wir morgen essen werden? Und wie kann etwa die Gastronomie diese Informationen am besten nutzen?
Die eine Lösung, die für alle anwendbar ist, werden Unternehmer weder im „Food Report“ noch in irgendwelchen anderen Studien finden. Vielmehr müssen Gastronomen wissen, wer sie sind, wohin sie wollen und wen sie erreichen möchten. Erst wenn diese Basis geschaffen ist, können sie aus der Vielfalt an Food-Trends jene wählen, die am besten zum eigenen Konzept passen und mit denen sie den Weg in die Zukunft ebnen möchten.
Wer aber mehr wissen möchte als die Food Trends 2024, kann auch einen weitaus gewagteren, aber nicht weniger profunden Blick in die Zukunft werfen. Im Artikel ‚So sieht die Zukunft der gastronomie 2073 aus‘ beschreiben eines der führenden Marktforschungsinstitute Euromonitor und RATIONAL gemeinsam, wie wir wohl in 50 Jahren essen werden.