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Female Connoisseurs: Nachhaltig und weiblich – so schmeckt die Zukunft

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Lange war die Foodservice Branche eine von Männern dominierte Industrie. Immer mehr Frauen erkämpfen sich nun aber ihren (wohlverdienten) Platz in Gourmetküchen, gründen innovative Start-ups oder machen sich als Barkeeperinnen und Winzerinnen einen Namen. Doch woher dieser Wandel? Was machen Female Connoisseurs anders als ihre männlichen Kollegen? Und können sie es besser?

Es ist schon paradox: Solange es sich beim Kochen um unbezahlte Arbeit handelt, gewähren Männer Frauen ­­­ganz „gentlemanlike“ den Vortritt. Geht es aber um den Platz am Herd in einer Profiküche, müssen sich Köchinnen diesen erst „verdienen“. So heißt es auf der offiziellen Website des Restaurants Maison Pic in Valence, Frankreich, das von Anne-Sophie Pic geführt wird, ihr Werdegang zeuge „von einer außergewöhnlichen Charakterstärke, denn sie brauchte viel Überzeugung, Ausdauer und Glauben, um sich als autodidaktische Frau in einer ausgesprochenen Männerwelt durchzusetzen.“

 

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Dabei wollte Anne-Sophie Pic, die aus einer wahren Dynastie von Gastronomen stammt, anfangs gar nichts vom Familienbetrieb wissen. Stattdessen studierte sie lieber Betriebswirtschaft. Nach dem Studium änderte sie jedoch ihre Meinung und entschied sich, doch Köchin zu werden. Sie ging bei ihrem Bruder, der das Restaurant nach dem plötzlichen Tod des Vaters übernahm, in die Lehre. 1997 stieg sie schließlich zur Küchenchefin auf. Zehn Jahre später verlieh ihr der Gastronomieführer Michelin als erster Französin seit 56 Jahren den dritten Stern. Bis heute ist Anne-Sophie Pic die einzige Frau unter Frankreichs insgesamt 39 Drei-Sterne-Köchen!

Aus zarten Spuren werden breitere Tracks

Nach wie vor dominieren Männer die Profiküchen, und das nicht nur in Frankreich. Auch in den USA etwa gibt es mit Dominique Crenn nur eine Spitzenköchin, die mit drei Michelin Sternen ausgezeichnet wurde. Dennoch behaupten sich zunehmend mehr Frauen im Food-Business, meint die renommierte Foodtrendforscherin Hanni Rützler. 2018 erwähnte sie in ihrem alljährlich erscheinenden Food Report erstmals den Trend „Female Connoisseurs“ und beschrieb damit, wie Frauen dabei sind, Bereiche zu erobern, die bisher von patriarchalischen Strukturen geprägt waren – wie eben die Gastronomie.

Und der Trend geht 2024 weiter, denn seitdem hätten sich, wie Rützler schreibt, „die zarten Spuren des Gender Shift in der Food- & Beverage-Branche zu immer breiteren Tracks erweitert, auch wenn in anderen gesellschaftlichen Bereichen sogar rückläufige Bewegungen in Sachen Emanzipation zu spüren sind.“

Hanni Rützler - Autorin des Food Trend Reports

Image: Julietta-Kunkel

Female Connoisseurs denken weiter

Doch wie wirkt sich der weibliche Einfluss auf die Foodservice Branche aus? Und worin unterscheiden sich Female Connoisseurs von ihren männlichen Kollegen? „Ich habe mir angeschaut, wo Frauen sichtbarer geworden sind und mir einige Best Practices herausgesucht. Da zeigt sich, dass sie mehr im Team arbeiten und verstärkt auf die Themen Nachhaltigkeit, Zukunft und Gesundheit setzen“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Als Beispiel führt sie neben anderen Köchinnen und Gründerinnen Parvin Razavi an, die von Gault&Millau zu Österreichs Newcomerin des Jahres 2023 gekürt wurde.

In ihrem Restaurant &flora in Wien serviert die gebürtige Iranerin überwiegend vegane und vegetarische Gerichte. Dabei legt sie Wert darauf, alles zu verwerten, was Pflanzen zu bieten haben, um das Geschmackserlebnis zu verbessern und Abfall in ihrer Küche zu reduzieren. Dass ihr Team zum Großteil aus Frauen besteht, „darf gerne als klares Statement in der Gastronomie-Szene interpretiert werden“, sagt sie. Mit einer Vier-Tage-Woche und drei freien Tagen am Stück sorgt sie außerdem für bessere Arbeitsbedingungen, als man es in der Gastronomie bisher gewohnt war.

Koch schüttet Soja Sauce in ein Gericht unter den strengen Augen der Chefköchin

Image: AdobeStock | Seventyfour

Und auch in anderen Erdteilen etablieren sich immer mehr Frauen zu einflussreichen Persönlichkeiten der Branche. Wie z. B. die Mexikanerin Elena Reygadas. Einst „Latin America’s Best Female Chef” (2014) und „World’s Best Female Chef” (2023) hat die beeindruckende Köchin ein Stipendienprogramm in Mexiko ins Leben gerufen das speziell auf Frauen ausgerichtet ist. Das große Ziel: die Chancengleichheit für Frauen in der Gastronomie zu stärken sowie deren Führungsrolle zu bekräftigen. Das Programm „Beca Elena Reygadas“ steht allen mexikanischen Studentinnen offen.

Female Connoisseurs – Gründerinnen mischen Start-up Szene auf

Noch deutlicher macht sich der Trend in anderen Bereichen der Branche bemerkbar. Besonders in der Food-Blogger-Szene sind Frauen stark vertreten, ebenso in der Diätologie und Oecotrophologie (Lehre der Haushalts- und Ernährungswissenschaften). Immer mehr Frauen gründen zudem innovative Foodservice Start-ups. Dabei steht meist das Thema Nachhaltigkeit im Fokus. „Zum Teil handelt es sich bei Female Connoisseurs um junge Mütter“, erklärt Hanni Rützler, „das verändert den Blick auf die Welt. Ich möchte damit keine Gendervorurteile zementieren, aber es mischt schon die Szene auf.“

 

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Die Israelin Daphna Nissenbaum etwa gründete gemeinsam mit ihrer Kollegin Tal Neuman das Unternehmen TIPA, das komplett kompostierbare Verpackungsmaterialien für Lebensmittel und Bekleidung entwickelt und produziert. Die Idee dazu entstand, als eines der Kinder von Daphna Nissenbaum eine Wasserflasche aus Plastik, die sie ihm für die Schule mitgegeben hatte, verlor und deshalb nicht wiederverwenden konnte. Da beschloss die Unternehmerin eine Alternative zu erfinden, die herkömmlichen Kunststoffen in Sachen Elastizität und Festigkeit um nichts nachsteht, aber von der Natur zu 100 Prozent abgebaut werden kann. Ähnlich einer Orangen- oder Bananenschale. Mittlerweile verwendet eine Reihe von Supermärkten in Europa den abbaubaren Kunststoff von TIPA, aber auch große Bekleidungsdesigner versenden ihre Online-Waren in ihren innovativen Verpackungen.

Doch auch im Bereich plant-based food machen Frauen von sich reden. Insbesondere die Themen Nachhaltigkeit und Tierschutz motivierten die beiden nachfolgenden Unternehmerinnen, sich mit Alternativprodukten auf pflanzlicher Basis auseinanderzusetzen. So gründete Quereinsteigerin Christie Lagally, die früher als Boeing-Ingenieurin tätig war, 2017 das Start-up Rebellyous Foods in den USA. Ihre Mission: pflanzliches Fleisch erschwinglich für alle zu machen. Mit der patentierten Technologie stellt das Unternehmen heute pflanzenbasierte „Hähnchenprodukte“ her. Und dies nicht etwa zu horrenden Preisen, nein, zu gleichen Kosten wie bei tierischen Produkten – jedoch mit geringerem Energieverbrauch und weniger Abfall.

 

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Eine weitere beeindruckende Unternehmerin ist die Gründerin von Crafty Counter Hema Reddy. Sie hat ein pflanzliches hartgekochtes Ei aus Wasser, Mandeln, Cashews und Kokosnussmilch entwickelt, das in den USA nicht nur bei Verbrauchern gut ankommt, sondern auch in der Gastronomie großen Zuspruch findet.

Prost! Darauf stoßen wir an!

Doch nicht nur der Lebensmittel-, sondern auch der Getränkesektor wird zunehmend weiblich. So machen sich mehr und mehr Frauen als Barkeeperinnen einen Namen. Im Weinbau zeichnet sich die Emanzipation ebenfalls schon länger ab, wie die Trendforscherin im aktuellen Food Report festhält. Immer öfter werden die Höfe an Töchter übergeben, die diese dann in eine zukunftsfittere Richtung führen.

Selbst in Regionen wie dem ungarischen Tokaj, in denen es noch vor zwei Generationen kaum Frauen im Weinbau gab, wie Weinjournalist Manfred Klimek in einem Artikel für die „Welt“ schreibt. Gerade in dieser ländlichen Gegend, „in der Machismo nach wie vor zum Alltag gehört, sorgen nun an erster Stelle die Winzerinnen dafür, dass die Weine eleganter und europäischer werden, leiser und vor allem trinkfreudiger.“

Was die hier genannten Frauen geleistet haben, ist zweifellos beeindruckend. Dabei handelt es sich selbstverständlich nur um einen kleinen Auszug. Es gibt noch so viel mehr Female Connoisseurs, die man vor den Vorhang holen müsste, weil sie der Branche den Weg in eine nachhaltigere und vielseitigere Zukunft ebnen und hoffentlich auch andere motivieren, sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.

 

Über den Food Report 2024:
„In Krisenzeiten entstehen keine neuen Food Trends“, sagt Hanni Rützler, Autorin des alljährlich erscheinenden „Food Reports“. „Sie bleiben aber in Bewegung, entwickeln sich weiter, spiegeln die Herausforderungen unserer Zeit wider und zeigen Lösungen auf.“ An dieser Stelle servieren wir Euch daher häppchenweise die Food Trends aus dem aktuellen Food Report 2024.

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