Ihr Browser ist veraltet. Es kann sein, dass nicht alle Funktionen dieser Websites angezeigt werden. Wir empfehlen, einen dieser Browser oder Versionen zu verwenden Mozila Firefox oder Google Chrome

Connect
To Top

Saisonalität in der Gastronomie: Zurück zum Ursprung

Von: Lesezeit: 4 Minuten

Immer mehr Menschen sehnen sich nach einer regionalen und saisonalen Küche. Doch was heißt Saisonalität eigentlich und wie können Gastronomen diesen Trend am besten umsetzen? Welche Chancen ergeben sich daraus und was sind die größten Herausforderungen?

„Saisonalität ist der Ursprung der Gastronomie. Die ersten Gerichte, vor allem jene, welche eine Region und Ihre kulinarische Identität verkörpern, beruhen auf den Grundsätzen der unmittelbaren Nähe zu den Zutaten, zeitlich und räumlich gesehen“, bringt es der deutsche Sternekoch und Restaurantinhaber Jan Maier auf den Punkt. Und fügt hinzu: „Insofern ist saisonale Küche die vermeintlich einfachste und in dieser Beziehung auch gerade dadurch wiederum die anspruchsvollste Form zu kochen.“

Das maiBeck Restaurant von innen

Image: maiBeck

Globalisierung – alles und immer

Doch warum anspruchsvoll? Saisonalität in der Gastronomie bedeutet, Speisen mit Zutaten anzubieten, die passend zur Region und der entsprechenden Jahreszeit angebaut und geerntet werden. Mit der Globalisierung der Lebensmittelproduktion rückte die saisonale Küche vermehrt in den Hintergrund. Zwar schien damit ein Menschheitstraum in Erfüllung zu gehen – nämlich jener, dass alle Lebensmittel, selbst exotische, das ganze Jahr über zur Verfügung stehen. Gleichzeitig ging damit aber eben auch der Bezug zur Herkunft unserer Lebensmittel verloren. Ebenso wie die Bereitschaft, auf bestimmte Produkte zu warten oder gar darauf zu verzichten. Und warum auch? Dank der fortschreitenden Entwicklung in den Bereichen Mobilität, Kühltechnik und Logistik war es nicht mehr nötig regional und saisonal zu kochen. Lebensmittel konnten plötzlich dort eingekauft werden, wo sie am günstigsten waren, und in alle Teile der Welt verfrachtet werden. Die negativen Folgen – allen voran die langen Transportwege und hohen Treibhausgasemissionen, eine weltweite Standardisierung und Qualitätseinbußen – rückten dabei in den Hintergrund.

Rinder Brust angerichtet auf einem Teller

Image: maiBeck

Saisonal und regional kochen: Chance für die Gastronomie

„Die Globalisierung ist ein Megatrend, der sich seit Jahrzehnten rasant verstärkt, was ungewöhnlich ist. Und man fragt sich schon länger, wann er sich einbremsen wird“, sagt Trendforscherin und Food-Expertin Hanni Rützler. In ihrem Bericht über die Food Trends 2025 schreibt sie, dass es nun zumindest zu einer Verlangsamung kommt, da immer mehr Konsumenten Wert auf regionale und saisonale Produkte legen. Eine Sehnsucht, die an sich nicht neu ist, aber durch die Corona-Pandemie, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie den Klimawandel Rückenwind erfahren hat. Für die Gastronomie tun sich dadurch enorme Chancen auf, sagt die Expertin: „Saisonal und regional zu kochen ist eine Möglichkeit, sich von anderen, mehr preisorientierten kulinarischen Antworten zu unterscheiden und das eigene Profil weiterzuentwickeln.“

Die Theke im maiBeck Restaurant

Image: maiBeck

Gewöhnliche Zutaten, außergewöhnliche Gerichte

Jan Maier zählt zu jenen Gastronomen, die sich der saisonalen Küche verschrieben haben. Gemeinsam mit Tobias Becker betreibt er seit 2013 das renommierte Sterne-Restaurant maiBeck am Rande der Kölner Altstadt. Statt auf Schnickschnack, hohe Preise und steife Kellner setzt man hier auf Abwechslung, Transparenz und nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region. „Der Druck, kostengünstig und dennoch einzigartig einzukaufen, war der erste Antrieb, auf regionale, saisonale Lebensmittel zu setzen“, erzählt Jan Maier. Die Erzeuger und Lieferanten ihrer Zutaten kennt er alle persönlich und besonders wichtig ist ihm der regelmäßige Austausch. „Dadurch ist es uns möglich, bei einfachen Produkten eine besondere Qualität, ausgesuchte Reifegrade oder zum Beispiel Blüten oder Sprossen eines ordinären Gemüses zu bekommen. Das verschafft uns die Möglichkeit, mit saisonalen, regionalen – sprich eigentlich gewöhnlichen Zutaten außergewöhnliche Gerichte zu kreieren.“

Jan Maier und Tobias Becker, die Inhaber des maiBeck

Image: maiBeck

Von der saisonalen Küche inspiriert

Die Speisekarte des Kölner Restaurants ist überschaubar und doch überzeugt sie. So wurde das maiBeck nur ein Jahr nach der Eröffnung bereits mit seinem ersten Michelin Stern ausgezeichnet. Und auch bei den Restaurant-Besuchern kamen die moderne Küche und die Qualität der Produkte von Anfang an gut an, sagt Jan Maier: „Unsere Gäste lieben die Transparenz und erfahren sehr bewusst die Intensität der saisonalen Küche. Zudem liefert sie ihnen Inspiration selbst saisonal und regional zu kochen und beeinflusst damit auch den eigenen Einkauf und den Umgang mit Lebensmitteln zuhause.“

Ein leerer Tisch im maiBeck Restaurant

Image: maiBeck

Dass Saisonalität in der Gastronomie eine neue Wertschätzung erfährt, führt Hanni Rützler darauf zurück, dass wieder öfter zu Hause gekocht wird und dadurch die Ansprüche gestiegen sind. Tiefkühlkost oder Dosenware verkochen kann schließlich jeder, von einem Restaurantbesuch erwartet man sich hingegen mehr. „Der Gast geht nicht auswärts essen, um möglichst schnell satt zu werden. Er möchte inspiriert werden, ein gutes Gefühl vermittelt bekommen, etwas erleben“, erklärt die Food-Expertin. Und: Restaurantbesucher sind trotz Inflation bereit, für nachhaltig produzierte Lebensmittel etwas tiefer in die Tasche zu greifen oder gegebenenfalls auf das Dessert oder das zweite Glas Wein zu verzichten.

Tortellini mit Salat angerichtet auf einem Teller

Image: maiBeck

Kochen nach den Jahreszeiten

Allerdings geht die saisonale Küche – und das liegt in der Natur der Sache beziehungsweise an der Natur an sich – mit der ein oder anderen Entbehrung einher. Etwas, an das wir uns erst wieder gewöhnen müssen. „Die größte Herausforderung sind, gerade bei uns im Rheinland, die Monate November bis März – wo wir fast ausschließlich von Eingemachtem und Konserviertem zehren“, erklärt der maiBeck-Chef. Und so heißt Kochen nach Jahreszeiten eben auch: durch die kalte Jahreszeit kommen, wie einst unsere Urgroßeltern oder Großeltern, die damals Obst, Gemüse und Fleisch einkochten, einlegten oder fermentierten.

Rindertartar angerichtet auf einem Teller

Image: maiBeck

„Local Exotics“ – exotisch aber regional

Im Gegensatz zu Vorgängergenerationen stehen uns heute aber mehr regionale Lebensmittel zur Verfügung. Selbst exotische Produkte wie Wasabi, Safran oder Garnelen werden heute lokal angebaut. Denn der Klimawandel macht’s möglich – oder besser gesagt: notwendig. „Local Exotics“ nennt sich der Food Trend, der immer mehr Nachahmer findet und die regionale Esskultur bereichert. Gemeint sind damit „nicht heimische“ Tiere und Lebensmittel, die als Folge der steigenden Temperaturen, aber auch dank neuester Technologien wie Aquaponik oder Indoor-Farming, nun auch in Mittel- oder Nordeuropa bzw. Nordamerika angebaut und gezüchtet werden können. Also in Gegenden, wo dies bis vor Kurzem nicht möglich war. „Diese Entwicklung bereichert unsere Küche extrem“, sagt Jan Maier, „sowohl die Renaissance von Dingen wie Kichererbsen oder Quinoa aus der direkten Umgebung als auch die Melonen aus sonnigen Gewächshäusern oder die Indoor-Zucht von diversen Sprossen und Keimlingen.“ Dass der Treiber dahinter, der Klimawandel, dermaßen in die Natur eingreift, ist beunruhigend, macht gleichzeitig aber umso deutlicher, wie wichtig die saisonale Küche ist und dass wir mit der Natur arbeiten sollten statt gegen sie.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Food Trends