Beim achten TrendTalk-Webinars von Rational am 6. Juli 2022 stand die Entwicklung der virtuellen Küchen im Mittelpunkt. Zu Gast bei Michael Jones, Chefredakteur von Progressive Content und dem Foodservice Consultant Magazin von FCSI, waren diesmal Melina Michna , Mitbegründerin des Münchner Start-ups nourisha, Daniel Gantenberg, Geschäftsführer der deutschen Restaurantkette Enchilada Gruppe, und Simele Shange von Jozi Cloud Kitchens in Südamerika. Als weiterer Gast befasste sich Stephan Leuschner von Rational mit den Möglichkeiten, mit einem hybriden Modell die Rentabilität einer virtuellen Küche zu steigern.
Zunächst sprach Michael Jones mit der Münchnerin Michna über ihre Arbeitserfahrungen mit anderen Unternehmern und hochwertigen Marken, bevor sie und ihre Geschäftspartnerin Nina Eglinsky im August 2021 den Lieferservice nourisha gründeten.
nourisha: gesunde Gerichte frisch zubereitet und geliefert
Der Wunsch nach gesünderer Ernährung war bei Melina Michna auf jeden Fall groß, doch fand sie es eher stressig, frische Lebensmittel zu kaufen und drei Mahlzeiten am Tag zuzubereiten – sei es im Urlaub oder erst recht, als sie wieder in ihren Vollzeitjob zurückkehrte.
Die Geschäftsfrau erkannte eine Marktlücke bei gesunden Fertiggerichten und fand eine Partnerin mit Gastronomieerfahrung, die ihr Know-how ergänzte. Gemeinsam gründeten sie das Unternehmen nourisha, das ernährungsphysiologisch hochwertige Mahlzeiten anbietet und so die leidige Suche nach gesundem Essen erleichtert.
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Auf die Frage, warum sie sich für ein reines Online-Konzept mit virtueller Küche entschieden haben, erklärte sie: „Erreichbarkeit stand für mich an erster Stelle. Ich war frustriert, dass es hier kaum Angebote in München gab. Essen zum Mitnehmen ist meistens Pizza oder Döner. Ich wusste, dass es in München Lokale mit gesundem Essen gibt – die waren aber in meiner Mittagspause nicht erreichbar. Das bestand eine Angebotslücke, die ich schließen wollte, nämlich gesundes Essen, das zu mir kommt.“
Die beiden haben ihre Ersparnisse in das Projekt gesteckt und konnten sich mangels Investoren kaum Ausstattung leisten. „Einen (nagelneuen) Rational-Dämpfer konnten wir uns nicht leisten. Wir wussten zwar nicht viel über das Foodservice-Geschäft, aber wir stellten fest, dass offensichtlich viele so ein Gerät haben. Also fuhren wir mit einem Mietwagen fast 800 km von München nach Hamburg und kauften eins bei einer pandemiebedingt geschlossenen Kochschule“, erzählt Michna. Das ist nur eines der vielen aufregenden Erlebnisse rund um ihre Unternehmensgründung.
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Standortsuche – eine große Herausforderung für das junge Ghost Kitchen Startup
Vor Kurzem sind sie in einen neuen Standort am Stadtrand von München umgezogen, von dem sie sich eine Wende für ihr noch junges Unternehmen versprechen. „Als Online-Anbieter brauchen wir keine (hochpreisigen) exklusiven Räumlichkeiten. Trotzdem war die Suche nach einem Standort, der alle Anforderungen eines Gastronomiebetriebs erfüllt, der schwierigste Teil der Mission. Bei der Firmengründung hätte ich nie gedacht, dass mich das noch nachts beschäftigen würde“, fügte Michna hinzu.
In den neuen Räumlichkeiten konnten sie laut Michna unter Beweis stellen, dass ihr Konzept auch wirtschaftlich aufgeht. Die nächste Aufgabe wird sein, von hier aus weitere Standorte zu finden, an denen sich ihr Konzept übertragen lässt. „Lokaler Lieferservice ist deutlich nachhaltiger, denn so können wir eine Kreislaufwirtschaft umsetzen, indem wir die Kühlelemente und Lebensmittelbehälter sammeln bzw. wiederverwerten“, erklärt sie. Zudem ist Michna zuversichtlich, dass sich das stetig wachsende Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen gesunder Ernährung und Lebensdauer auch positiv fürs Geschäft auswirkt.
Die Enchilada Gruppe: klassische Restaurants plus Lieferservice
Der nächste Gast von Jones war Daniel Gantenberg vom Team der deutschen Enchilada Gruppe, die in den letzten Jahren große Erfolge mit ihren Restaurants hatte und sich nun auch dem Markt der virtuellen Küchen zuwendet. Warum steigt die Gruppe, die schon 74 erfolgreiche Filialen in ganz Deutschland betreibt, in den Lieferservice- und Ghost-Kitchen-Markt ein?
„In der Pandemie hat der Lieferservice in Deutschland konstant zugenommen“, sagte Gantenberg. „Im Lockdown war dieser Absatzweg die einzige Möglichkeit, unsere Produkte zu verkaufen. Ein Restaurantbesuch und geliefertes Essen sind aber zwei völlig verschiedene Dinge.“ Deshalb möchte die Enchilada Gruppe ihre eigene Ghost-Kitchen-Plattform entwickeln und den Lieferservice von der Restaurantsparte trennen, um den Kunden ein optimales Erlebnis bieten zu können.“
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Gantenberg räumt ein, dass die Restaurants der Enchilada Gruppe ohne die Pandemiesituation vermutlich keinen Lieferservice eingeführt hätten. Er sieht jedoch in virtuellen Küchen zahlreiche Vorteile. „Wir können Gastronomiebetriebe weitaus kostengünstiger eröffnen“, stellte er fest. „So können wir unsere Marken in Städten testen, wo wir noch kein Restaurant haben, und sehen, ob es funktioniert. Wir richten unsere Küchen in einem Modulsystem mit Rational- und Kühlgeräten ein. Wenn das an einem Standort nicht funktioniert, können wir es an einen anderen übertragen. Dank diesem Verfahren können unsere Gäste eine gleichbleibend hohe Qualität erwarten.“
Ghost-Kitchen-Plattform für 2023 geplant
Nach einem Testlauf in einer deutschen Großstadt will die Echilada Gruppe Anfang 2023 ihre Ghost-Kitchen-Plattform einführen. Dies ermöglicht den Zugang zu allen Angeboten der Gruppe in einem, „Food Court“, wie Daniel es nennt. Das Konzept ist skalierbar, da die virtuellen Küchen den Lieferdienst übernehmen und sich die Restaurants ganz auf den Service der Gäste vor Ort konzentrieren können.
Wie viele andere Mitstreiter im Gastgewerbe leidet auch die Enchilada Gruppe unter dem aktuellen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Man hat die zukünftigen Entwicklungen bei der Automatisierung im Blick, ohne dabei das Besondere der eigenen Marke aufzugeben. Die Produkte von Rational helfen dabei. „Die Kunden wollen lieber, dass ihre Speisen und Getränke automatisiert zubereitet werden, als dass sie jedes Mal anders schmecken“, meint Gantenberg.
Ein weiterer Grund, weshalb die Enchilada Gruppe ins Ghost-Kitchen-Geschäft einsteigt, ist die Kontrolle über das optimale Erlebnis. „Aktuell können wir nur bis zu dem Moment für die Qualität des Essens garantieren, wenn es unser Lokal verlässt“, so Gantenberg. „Kommt es in schlechtem Zustand an, wird es der Kunde immer dem Restaurant ankreiden. Mit eigenem Fahrdienst und virtuellen Küchen bekommen wir diese Kontrolle zurück. Zwar wird der Lieferradius etwas kleiner“, räumt er ein. „Aber nur so können wir die Qualität bis zur Haustür gewährleisten.“
Jozi Cloud Kitchens: Ein Gespür für Rentabilität
Der nächste Gast, Simele Shange, war auch schon beim dritten TrendTalk dabei, als er gemeinsam mit seiner Frau Kalipha ihr damals einjähriges Unternehmen Jozi Cloud Kitchens in Südafrika vorgestellt hatte. Mit dem Unternehmen ging es seitdem stetig aufwärts, und Shange berichtete Jones darüber, wie es im letzten Jahr gewachsen ist und sich weiterentwickelt hat.
„Im ersten Jahr haben wir viel dazugelernt: wie Ghost Kitchens überhaupt funktionieren, wie sie profitabel werden und wie man sie am besten betreibt“, erzählte er. „Im zweiten Jahr ging es darum, welchen Stellenwert sie einnehmen und neu zu definieren, wie die Menschen virtuelle Küchen annehmen und damit umgehen. Shange ist absolut überzeugt, dass die virtuellen Küchen nicht verschwinden werden, jetzt da die Lockdowns vorüber sind und die Menschen wieder ausgehen.
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Das zeigt sich auch in den positiven Feedbacks, denn keine der Marken von Jozi Cloud Kitchens ist auf Uber Eats mit weniger als 4,5 bewertet. „Entscheidend für eine erfolgreiche Ghost Kitchen ist gutes Essen und eine zuverlässige Lieferung“, ist er überzeugt. „Wir haben unsere neue App Jozi Feast auf den Markt gebracht, mit der man aus einer Hand bei 16 verschiedenen Restaurants bestellen kann. Das System kommt sehr gut an.“
Shange erwähnte zudem, dass das Unternehmen die Mieter für seine Flächen inzwischen sorgfältiger auswählt und ein Prüfverfahren entwickelt hat, um ständige Wechsel zu vermeiden. Das hat schon für mehr Stabilität gesorgt. Zudem werden an den Standorten aktuell Sitzgelegenheiten geschaffen.
Kenne deinen Wert
Ein besonders wertvoller Business-Tipp für sie lautete: Erkennt euer Standing auf dem Markt. „In dieser Wirtschaftslage können nicht viele so viel Platz anmieten, wie wir es bei geringem Risiko tun. Wir müssen die Vermieter nicht hofieren, sondern können auf sie zugehen und fragen, was sie uns bieten“, so Shange. „Wir haben eine gewisse Marktmacht, und die sollten wir nutzen, um Jozi Cloud Kitchens eine bestmögliche Position zu verschaffen.“
Zudem werden Automatisierung und Robotik eingeführt, wie Shange betonte: „Unser Roboter heißt Ralph . Anfangs wollten wir den Roboter nur für zwei Wochen behalten, für ein paar schöne Auftritte in den Social Media und fürs Marketing. Inzwischen transportiert er Pakete aus der Küche, und dafür können wir ihn wirklich gebrauchen, wie sich gezeigt hat. Er ist nicht nur Schnickschnack, sondern eine praktische Lösung für effizientere Abläufe.“
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Das nächste Kapitel für Jozi Cloud Kitchens ist der Einstieg in große Einzelhandelsflächen in den großen Einkaufszentren. „Wir möchten Marken präsentieren, die den Menschen Freude machen. Uns geht es nicht nur ums Wachstum, sondern auch darum, diese kleineren Marken bekannt zu machen. Daher freuen wir uns, dass sie florieren und expandieren können“, erklärte Shange. „Wir möchten, dass die virtuellen Küchen stärker sichtbar werden, und zeigen, dass sie fest zur Gastronomieszene dazugehören.“
Antworten auf den Personalmangel
Letzter Referent der Ausgabe war Stephan Leuschner, Experte für virtuelle Küchen bei Rational. Lieferservice, Online-Bestellungen und Ghost Kitchens sind vielerorts auf der Welt ein fester Bestandteil unserer täglichen Gewohnheiten geworden. Werden sich diese Geschäftsmodelle dauerhaft etablieren? Auch wenn sich deren Entwicklung unter den Pandemiebedingungen beschleunigt hat – für die Restaurants war es die einzige Möglichkeit, ihr Geschäft im Lockdown am Laufen zu halten –, sieht Leuschner auch noch andere Gründe für deren Erfolg und Popularität.
„Es herrscht ein ständiger Mangel an qualifiziertem Personal“, betont er. „Alles muss straffer organisiert werden, da die Arbeitsschritte von gering geschultem Personal ausgeführt werden. Das geht zum Beispiel mit dem Rational iCombi Pro. In der Küche wird weniger Kreativität oder Handwerk gefragt sein. Als ehemaliger Koch sehe ich das auch ein wenig mit einem weinenden Auge, aber aus wirtschaftlicher Sicht ist es auch hochinteressant.“
Die Kunden genießen den bequemen Lieferservice nach Hause oder ins Büro, und hier erleichtern die virtuellen Küchen die Produktion in den dafür erforderlichen großen Mengen. „Künftig werden meines Erachtens zunehmend Einzelhändler und Gastronomiebetreiber ins Liefergeschäft einsteigen“, so Leuschner. „Die Einzelhändler haben u. a. feste Infrastrukturen und Kundenfrequenz, das ist ihr Vorteil. So hat etwa Walmart in den USA und Kanada seine Websites angepasst und Partnerschaften mit Lieferanbietern geschlossen. Viele Gastronomiebetriebe sind zu bestimmten Tageszeiten nicht ausgelastet, vor allem jetzt, da sich der Arbeitsalltag vielfach vom Büro ins Homeoffice verlagert hat. Sie könnten in ihren Küchen ganz einfach für den Lieferservice produzieren oder Räume für Küchen als Dienstleistung (Kitchen as a Service – KaaS) vermieten, um die Ghost Kitchens zu Stoßzeiten zu unterstützen.“
Den Trends auf der Spur: die Ghost Kitchen Modelle der Zukunft
Abschließend haben alle Gäste des TrendTalk noch in der Gruppe diskutiert. Jones fragte die Runde nach ihrer Einschätzung, ob das Wachstum der letzten drei Jahre anhalten werde. „Momentan ist so viel Geld im Geschäft, dass wir künftig, glaube ich, verschiedenste Szenarien erleben werden“, meinte Gantenberg.
Shange ist ebenfalls der Ansicht, dass einige Marktkorrekturen stattfinden werden. „Die Besten werden sich durchsetzen“, war er überzeugt. „In Südafrika ist beim Wachstum der Ghost Kitchens noch viel Luft nach oben. Wir haben bislang nur ansatzweise das gesehen, was alles noch möglich ist.“
Leuschner verwies auf die Betreiber, die riesige Summen in letztlich nie umgesetzte Projekte investiert haben: „Es geht nicht nur ums Tempo oder ums Geld. Genauso wichtig ist ein passendes Konzept und authentisches Auftreten.“
Veränderungen sind positiv, da waren sich alle Teilnehmer einig. „Das ist, glaube ich, enorm wichtig“, so Michna. „Bei dem Personalmangel in der Gastronomie ist die Automatisierung von Prozessen eine große Hilfe.
„Wir sollten uns auf Einschnitte einstellen“, so Leuschner, „wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen und die aktuellen und künftigen Anforderungen begreifen.“
Für Shange „birgt der Wandel auch Chancen, denn ohne ihn bleiben nur die gleichen Leute, die immer das Gleiche tun.“
Weitere Informationen: Das nächste TrendTalk-Webinar findet am Mittwoch, den 14. September 2022 statt.