Wegen der Craft-Beer-Welle, die vor etwa sieben Jahren aus den USA herübergeschwappt kam, ist der Hopfen in Großbritannien mittlerweile knapp geworden. Als Gareth Davies davon hörte, brachte ihn das auf eine Idee. Er und seine Frau Yohanna Best führten bis dahin ein Leben als digitale Nomaden, betrieben einen eigenen kleinen Handel für Heimbrau-Utensilien, während sie einige Monate im Jahr von Italien, Australien, Thailand oder sonstigen Wahlheimaten aus arbeiteten.
In Großbritannien wiederum lebten sie auf dem Land, wo sie ein Stück Land pachten konnten, auf dem sich Gareth dem Hopfenanbau widmete. Als er dann erfuhr, dass Hopfen eng mit den Hanfgewächsen verwandt ist, kam ihm die Idee zu Hopfenanbau in Hydrokultur. Dafür baute er eine geodätische Kuppel mit 10 Metern Durchmesser – und ihre erste Hydrokultur-Hopfenfarm war geboren.
Das Projekt verlief erfolgreich, und als das Paar nach weiteren Pachtflächen zum Expandieren suchte, verschlug es sie nach Wales, wo Yohanna aufgewachsen war. Über eine Annonce fanden sie ein Lagerhaus, in dem sie ihre Vorräte und Geräte lagern konnten. Die Besitzer zeigten ihnen eine große Scheune im hinteren Bereich, die für ihre Hopfenfarm „wie geschaffen“ war.
Allerdings waren die Lichtverhältnisse in dem Gebäude eher schwierig, doch Gareth hat dazu schon Pläne. „Wir suchen nach wie vor nach einem Grundstück zum Kaufen, um das Projekt voranzubringen. Für die Einrichtung gibt es mehrere Optionen“, erklärt er. „Entweder wir bauen ein bestehendes Industrieobjekt um – was aber teurer wäre – oder wir kaufen ein Grundstück und bauen von Grund auf neu. Zurzeit prüfen wir, was wir aus eigenen Mitteln stemmen könnten. Die Idee ist, eine weitere, größere geodätische Kuppel oder eine Art sechs Meter hohe Riesen-Toblerone zu bauen und so ein ganz spezifisches Ökosystem zu schaffen.“
Leben von und mit der Natur
„Ein großer Teil unseres Umsatzes machen wir über den Verkauf von Heimbrauanlagen, und der Hopfenanbau verleiht uns Glaubwürdigkeit. Wir sind nicht bloß irgendein Händler, sondern wir versuchen, vom Landbau zu leben.“ Gareth braut auch selber Bier, und die Dark Farm hat vor Kurzem ihr erstes Komplett-Brausystem auf den Markt gebracht, mit dem sich sowohl Anfänger als auch erfahrene Heimbrauer ans Bierbrauen in den eigenen vier Wänden wagen können. Die Ergebnisse übertreffen alles, was die sonst im Handel erhältlichen Kits (z. B. Wilco) schaffen.
In der Corona-Zeit haben die Menschen neue Hobbys entdeckt, unter anderem die Lust am Bierbrauen zu Hause. „Unser Umsatz ist in den letzten 18 Monaten um 300 % gestiegen“, erzählt Gareth. „Inzwischen haben wir aber wieder ein normales Maß erreicht. Die Finanzspritze in den letzten 18 Monaten war ideal und hat es uns ermöglicht, mit der Hopfenfarm dahin zu kommen, wo wir jetzt stehen.
In den letzten fünf Jahren (vor Corona) sind Davies und Best meist ständig durch ganz Großbritannien gereist und haben die Wintermonate, wenn der Hopfenanbau ruht, im Ausland verbracht. Ein aufregendes Leben, wie er zugeben muss. Um aber mit dem Projekt voranzukommen, brauchten sie einen dauerhaften Standort auf der britischen Insel. Den haben sie in der Nähe von Aberystwyth in Wales gefunden, wo sie ihr erstes Haus gekauft haben. Dort angekommen, hoffen sie nun darauf, dass die Gemeindeverwaltung sie bei ihrem außergewöhnlichen Konzept unterstützt und Kontakte zur lokalen Wirtschaft ermöglicht.
„Mit dem Standort in Aberystwyth können wir nun losstarten. Die Region ist sehr fortschrittlich“, meint Davies. „Es gibt hier in der Gegend viele grüne, verantwortungsvolle Unternehmen, da passen wir gut dazu.“ Davies überlegt in der Tat den Einsatz nachhaltiger Energie, zumal sich in Machynlleth, keine 30 km von Aberystwyth entfernt, das britische Zentrum für Alternative Energien befindet.
Die Arbeitsumgebung
Auf die Frage, welche Vorteile der Anbau in Gebäuden mit sich bringt, muss Davies gestehen, dass das Konzept die nerdige Seite in ihm angesprochen hat, denn er hat im früher Bereich Webentwicklung gearbeitet. „Ich ziehe mir zwar gern mal die Gummistiefel an und fahre mit dem Traktor raus, aber die Indoor-Landwirtschaft ist doch angenehmer als im Matsch herumzuwaten“, gibt er mit einem Lachen zu.
„Da kommt der Computerfreak in mir hoch: Technologie und Solarenergie zusammen nutzen! Und beides verbinden, um indoor Sachen anzubauen – das gefällt mir. Diese Arbeitsumgebung ist einfach einmalig. Wenn draußen die Sonne scheint, reißen wir die Türen auf, wenn es regnet, ist man hier drin geschützt wie in einem Urwald.“
So hat man auch mehr Einflussmöglichkeiten auf die Wachstumsbedingungen. „Wir lernen laufend dazu, welche Nährstoffe wir zur Ertragssteigerung beigeben können“, so Davies. Dieses Jahr sind alle Pflanzen sehr gut gedeiht, aber der Ertrag lag noch etwas unter den Erwartungen. Das lag wahrscheinlich an der Lichtquelle im Gebäude. Wir haben kein Bio-Siegel, aber wir achten sehr wohl darauf , dass wir biologischen Dünger und keine schädlichen Chemikalien verwenden. Pestizide haben wir bislang nicht eingesetzt, aber vielleicht müssen wir uns damit befassen, weil es dieses Jahr einen kleinen Schädlingsbefall gab.
Doch in Aberystwyth befindet sich auch eine renommierte Universität für Agrarwissenschaften, insofern war der Umzug hierher für die Macher der Dark Farm vielleicht der entscheidende Schritt, um diese zunehmenden Widrigkeiten in den Griff zu bekommen, da sie von dem wertvollen Know-how gleich vor ihrer Haustür profitieren können. Denn, so betont Davies: „Man kann nicht in allem gut sein. Manche Leute haben in diesen Bereichen einfach viel mehr Wissen und Erfahrung, andere wiederum wollen auf diesen Gebieten dazulernen, daher sind wir froh, dass wir uns das jetzt zunutze machen können.
Der Heimbrauer-Club
Als „Mensch der Möglichkeiten“, wie sich Davies selbst bezeichnet, muss er den Hopfenanbau vielleicht leider für eine Weile ruhen lassen, um „den idealen Ort“ zu finden und Gebäude zu erstellen. In einer kleinen Stadt wie Aberystwyth werden sich leerstehende Geschäfte finden. Er möchte gern auf die Vermieter zugehen und um Pop-up-Projekte ansprechen. „Mir schwebt da eher ein Heimbrauerei-Club als eine Bar vor. Das wäre etwas sowohl für Leute von hier, als auch für Touristen oder Studenten, die dann beim Brauen zusehen und vielleicht selbst Hand anlegen können. Die logistische Umsetzung ist aktuell noch unklar“, erklärt er. „Am liebsten würde ich eine Brauerei aufmachen, aber die Konkurrenz ist riesig. Das Bierbrauen ist ja recht einfach, das Schwierigste an der Sache sind eher die Vermarktung und der Vertrieb. Ich bin ganz zufrieden damit, den persönliche Getränkepart zu bedienen.“
Das Abonnementgeschäft läuft dagegen mit über 300 Teilnehmern gut. „Im Abo bekommt man vierteljährlich das Magazin MASHED! (Texte und Gestaltung von Yohanna) und wir haben jetzt ein Getreide-Set. Das Feedback fällt durchweg positiv aus und wir versuchen, die Community-Sparte auszubauen“, so Davies.
„Wir bieten zwei Abonnement-Optionen an: Den „Hopfenclub“ für 60 Pfund im Jahr mit jährlich vier Ausgaben des MASHED! Magazins, Hopfen, exklusiven Brauset-Angeboten sowie 10 % Rabatt auf alles auf unserer Website darkfarm.co.uk oder nur das MASHED! Magazin für 20 Pfund im Jahr.“
Nebenprodukte mit Duftnote
Es gibt auch Überlegungen, eine Reihe von veganen Bio-Seifen mit Hopfenduft für Männer zu produzieren. „Die einzelnen Sorten haben ganz unterschiedliche Aromen. Manche sind würzig, andere haben Kiefer- oder Holznoten“, erklärt Davies. „Die Hopfensorten aus Australien und Neuseeland haben etwas Tropisches. Und der amerikanische Hopfen wiederum hat eher Zitrusnoten. Geplant sind drei Seifensorten in den „Geschmacksrichtungen“ Stout, Lager und Bitter. Wer hätte gedacht, dass Hopfen auch in Körperpflegeprodukten für Männer einen Auftritt haben könnte?
Die traditionellen englischen Hopfenanbaugebiete sind vor allem Kent und Worcestershire. Das liegt daran, dass diese Grafschaften in der Nähe der Großstädte London und Birmingham liegen, von wo die Städter früher oft im Sommer aufs Land zogen, um bei der Hopfenernte mitzuhelfen. Der Ernteaufwand der überschaubaren Dark Farm lässt sich dagegen relativ leicht von Familienmitgliedern und Freunden bewältigen.
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„Wir haben die Chance ergriffen und Hopfen angebaut, weil er eine soziale Kulturpflanze ist“, meint Davies. „Hopfen wächst mächtig in die Höhe und ist völlig anders als das, was sonst in Großbritannien angebaut wird. Mir gefällt die praktische Handarbeit dabei. Als dieses Jahr Familie und Freunde zu Besuch waren, haben wir alle die Ärmel hochgekrempelt, Musik aufgelegt, den Grill angeschmissen und einen Haufen Bier getrunken. Ich sehe das gern als Old-School-Landwirtschaft, die verbindet und Spaß macht. Yohanna und mir arbeiten sehr gern mit Menschen zusammen, die wir mögen und kennen.“
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