In einer kleinen Stadt auf der Schwäbischen Alb in Deutschland lebte in den 1950er Jahren ein Mann, der als Eigenbrötler galt. Warum? Weil er in die Zukunft blickte und vieles voraussah. Johannes Tress machte den mutigen Schritt, den Familienbauernhof auf die damals nur wenig bekannten Demeter-Richtlinien umzustellen. Eine Konsequenz? Überaus strenge Richtlinien für Biolandbau und die Verarbeitung von Bioprodukten. Aber nur so, war Johannes Tress überzeugt, könne man die beste Qualität der Produkte sichern und gleichzeitig die Umwelt schützen.
Spätestens heute wissen wir, dass er recht hatte. Gegen den Strom zu schwimmen und eine Landwirtschaft ohne Chemie zu propagieren – das war damals ein rebellischer Akt. Johannes aber zog sein Ding durch und pflanzte damit den Samen für das, was Jahrzehnte später seine vier Enkel mit dem Betrieb TressBrüder weiterführen sollten.
Sein Pioniergeist ließ innerhalb der Familie so einige Ideen für die Zukunft keimen. „Mein Großvater wurde mehr als belächelt dafür. Dennoch ist er seinen Weg gegangen. Er blieb sich selbst treu und das war das Wichtigste dabei“, erinnert sich einer der Enkel Simon Tress in unserem Interview. Stets den eigenen Überzeugungen nachzugehen und Dinge zu tun, die für manche vielleicht radikal wirken – dieses Motto lebt man in der Familie Tress bis heute.
Tress Produkte mit Geschichte
Bereits in den 1980er-Jahren setzten Johannes Tress‘ Sohn (der ebenfalls den Vornamen Johannes trug) und dessen Ehefrau Inge auf nachhaltige Küche und vegetarische Vollwertprodukte. Softdrinks verschwanden von der Karte und das Gasthaus zur Rose, das Stammgasthaus der Familie in Baden-Württemberg, wurde als Bio-Restaurant ROSE zu einem Vorreiter der ökologischen Gastronomie. Dieser unerschütterliche Glaube an Nachhaltigkeit hat die vier Söhne des Ehepaars, Daniel, Simon, Christian und Dominik, tief geprägt. Nach dem Tod von Vater Johannes im Jahr 2008 übernahmen die „TressBrüder“, wie sich die vier Söhne nun nennen, gemeinsam mit ihren Frauen sowie Mutter Inge das Familienunternehmen und bauten es zu etwas aus, das man nur als Bio-Imperium bezeichnen kann. Dieses Bio-Imperium umfasst neben dem Bio-Fine-Dining-Restaurant 1950 und der ROSE noch zwei weitere Bio-Restaurants, ein Biohotel, eine Bio-Kochschule , zwei Event-Locations und eine eigene Genussmanufaktur, in der die Produkte der TressBrüder hergestellt und deutschlandweit vertrieben werden. Jedes Familienmitglied fand im Unternehmen seine eigene Aufgabe: Daniel, der Älteste, ist zuständig für die Events sowie die Service-Seite in den Restaurants und dem Hotel. Simon schwingt den Kochlöffel, Christian ist der „Finanzminister“ der Familie und Dominik ist für die Produktionsbetriebe, den Vertrieb der Produkte im Handel sowie das Marketing zuständig.
TressBrüder Onlineshop
Angefangen von Veganem Butter Chicken, über die TressBrüder Tomatensuppe oder Gulasch bis hin zu veganen Bio Bowls – das Portfolio der TressBrüder Produkte ist vielfältig, wie ein Blick auf die Website zeigt. Gefertigt nach höchsten Qualitätsstandards und mit Feinschliff eines Sternekochs werden die Produkte ohne Aromen, Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker für den alltäglichen privaten Gebrauch zu Hause hergestellt. Einige werden sogar bereits über den Einzelhandel vertrieben. Wer die Bio-Produkte der Tressbrüder online direkt kaufen möchte, muss sich noch ein bisschen gedulden, denn der Onlineshop befindet sich aktuell im Aufbau.
1950 – das erste und einzige Sternerestaurant mit 100 Prozent Bio-Küche
„Jedes neue Konzept wird von uns Brüdern kritisch hinterfragt, denn im Endeffekt muss jeder von uns in den sauren Apfel beißen, wenn etwas nicht funktioniert“, sagt Simon Tress. Die Pionierarbeit des Großvaters wird dennoch stets weitergeführt. „Irgendwer muss es ja schließlich machen, oder?“, schmunzelt der zweitälteste Sohn; derjenige, der seit 2020 das Zepter im Fine-Dining-Restaurant 1950 in der Hand hält. 2024 erhielt dieses als erstes und einziges Restaurant mit 100 Prozent Bio-Küche einen Michelin-Stern. Einen der begehrten grünen Sterne des Guide Michelin, die besonders nachhaltige Betriebe ehren, ergatterte nicht nur das Restaurant 1950, sondern auch das Stammhaus ROSE.
Das Geheimrezept von Simon Tress‘ Küche: Die Natur macht den Teller. Alle Zutaten stammen aus einem Radius von maximal 25 Kilometern – mit der Ausnahme des Salzes. Diese kompromisslose Regionalität setzt man aber auch in allen anderen Projekten um, die das Abbild der TressBrüder ziert. Der rote Faden ist dabei stets die Bio-Qualität, auch wenn die regelmäßige Verfügbarkeit manchmal knifflig ist. „Aber genau das macht es spannend“, wirft der Sternekoch Simon Tress da eifrig ein. „Wir richten unsere Speisekarten nach der Natur aus und nicht umgekehrt. Als Koch muss man damit umgehen können und was gerade nicht verfügbar ist, ist eben nicht verfügbar. Man muss einfach mehr denken – aber daran scheitert es mancherorts eben.“
Simon Tress – Deutschlands nachhaltigster Bio-Sternekoch
Simon Tress kann sich also getrost als Deutschlands nachhaltigster Bio-Sternekoch bezeichnen. Daneben ist er auch noch offizieller Genussbotschafter des Landes Baden-Württemberg, Autor eines Kochbuchs und saß u.a. in der Fachjury der Sodexo Sustainable Chef Challenge, die Nachhaltigkeit in der Gastronomie fördert. Die Michelin-Auszeichnung unterstreicht für ihn ganz klar, dass konsequente Nachhaltigkeit und kulinarischer Genuss Hand in Hand gehen können. Stellt sich natürlich die Frage: Warum machen das dann nicht alle? „Man muss es wirklich wollen, da fängt es an. Hat man davor nicht mit Bio-Produkten gearbeitet, fällt dadurch eine gewisse Marge weg, das ist auch kein Geheimnis“, erklärt der Spitzenkoch. Es ist schlicht eine Überzeugungssache. „Wie bei allem in Leben muss man davon überzeugt sein, dass das genau der richtige Weg ist. Wir können Klimaziele ja auch nur erreichen, wenn wir uns dahingehend verändern.“
Bestes Beispiel: Im Restaurant 1950 gibt‘s ein fünfgängiges vegetarisches Menü, bei dem Fleisch nur auf Wunsch beigefügt wird. „In zehn Jahren wird dieses Konzept normal sein“, prophezeit Simon Tress. „Wir brauchen pflanzliche Ernährung für die Zukunft, anders geht es nicht mehr. Aber dafür braucht‘s keinen radikalen Verzicht. Da bin ich dagegen, denn dogmatisch zu sein, liegt mir nicht. Sieht man Fleisch als Beilage, entwickelt man einen anderen Blick darauf.“ Seit zwei Jahren arbeitet man mit dem Konzept erfolgreich im Bio-Restaurant ROSE, fast vier Jahre bereits im Bio-Fine-Dining-Restaurant 1950. Der Großteil der Gäste nimmt es sehr positiv an. „Man kann aber nie alle erreichen, sondern sollte sich auf jene konzentrieren, die wirklich Bock darauf haben“, so der Sternekoch. Auch beim 2020 eingeführten Angebot an Fertiggerichten, setzt man auf vegane Protein-Bowls, Currys und Suppen, frisch zubereitet von Simon Tress und seinem Team.
Neues Konzept der TressBrüder
„Wenn etwas Bio ist, schmeckt man’s einfach“, ist sich der frisch gebackene Sternekoch sicher. Um das zu beweisen, gibt es im Tress-Stammhaus ein neues Gastro-Konzept. Unter dem Motto „Bio-Vielfalt erleben“ können Gäste in der ROSE nach Belieben kleine Gerichte aus der Karte wählen und kombinieren. Tapas trifft Hausmannskost. Damit reagieren Simon Tress und seine Brüder vor allem auf das veränderte Essverhalten ihrer Gäste: “Die Leute legen heute wieder mehr Wert darauf, ein gutes Essen als gemeinsames Erlebnis zu zelebrieren”, erklärt Simon. “Daran haben wir uns orientiert. Viele kleine Highlights, die man perfekt mit dem ganzen Tisch teilen kann. So entsteht Gemeinschaft.”
Zu Bio greifen
Man muss realisieren, dass man sich mit Bio-Ernährung selbst einen großen Gefallen tut, ist man sich in der Tress-Familie einig. „Wenn in einem Alter von 60 Volkskrankheiten wie Rheuma, Diabetes oder Gelenksschmerzen kommen, kann man das nicht mehr auf die harte körperliche Arbeit schieben, denn die gibt es heutzutage kaum mehr. Man ist, was man isst – das stimmt“ springt Simon Tress für Bio-Ware in die Bresche. „Ich darf nicht glauben, dass ich mir etwas Gutes tue, wenn ich eine Mastsau aus der Massentierhaltung esse, die mit Antibiotika vollgepumpt ist.“ Mit erhobenem Zeigefinger auf Leute zugehen, ist dennoch nicht sein Ding. Viel eher will er auf Aufklärung durch Genuss setzen. So wie im Michelin-Stern-gekrönten 1950: Jeder der fünf Gänge dort erzählt eine Geschichte der Region und ihrer Erzeuger, was den Gästen nicht nur Geschmackerlebnisse, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Herkunft der Zutaten vermitteln soll. „Viele von uns müssen ja komplett neu lernen, was guter Geschmack überhaupt ist. Eine ‚echte‘ Karotte, so wie sie sein soll, hat ja einen ganz anderen Geschmack als die Supermarkt-Karotten.“
Zukunftsmusik
Was sich sonst so tut im Bio-Imperium? Im 1950 ist man gerade dabei, ein Gemüselabor zu bauen. „Wir wollen durch Forschung noch mehr aus den Produkten rausholen und kulinarisch experimentieren. Gemüse lässt sich auf so viele verschiedene Arten zerlegen und man kann noch aus dem kleinsten Rest beispielsweise Hautcreme machen“, erzählt Chefkoch Simon Tress. Auf der Mission nach noch mehr Wertschätzung fürs Produkt verlässt man also auch schon mal die kulinarische Welt und macht Abstecher ins Kosmetikregal. Die Geschichte der TressBrüder ist ein Beispiel dafür, dass visionäres Denken und eine tiefe Verbundenheit zur Natur keine Trenderscheinung ist, sondern auch langfristig Früchte trägt. Was man dazu braucht, ist vermutlich der Mut, sein Ding ohne Kompromisse durchzuziehen. Aber der liegt den vier Brüdern sowieso im Blut.