Was hier wächst, sind wilde Blumen, Flechten, Moos und Pilze. Das Meer liefert Muscheln. Die Inselbewohner halten Schafe, Rinder, Hühner und angeln Fisch, der in den Seen ausgesetzt wurde. Keine Basis für eine Gourmetküche, möchte man meinen, geschweige denn ein Sternelokal. Aber weit gefehlt! Im Koks, einem Zwei-Sterne-Restaurant am Ufer des Sees Leynavatn auf der Insel Streymoy, serviert man die ursprünglichen Produkte der Insel, ganz rein und unverfälscht. Nur wenn nötig, werden auch mal Produkte aus anderen nordischen Ländern eingesetzt. Über das außergewöhnliche Konzept sprach KTCHNrebel mit Chefkoch Poul Andrias Ziska.
Zum Kochen kam er eher zufällig. „Ich glaub, ich hatte nicht viele Pläne“, gibt er zu. Als Schüler jobbte er in der Pizzeria des Vaters eines Freundes. „Und so habe ich schon in der Küche gearbeitet, und als ich die Schule abschloss habe ich überlegt, was ich machen sollte und da habe ich eine culinary school besucht, weil ich eh schon in dem Bereich gearbeitet habe. Es war also eine Reihe von Zufällen, die mich dazu geführt haben, Küchenchef zu sein“, sagt er ehrlich.
Begrenzte Produktauswahl macht grenzenlos kreativ
Heute aber ist Kochen seine ganze Leidenschaft. Und er liebt die Herausforderung, die das limitierte Lebensmittelangebot auf den Faröern darstellt. „Was wir bekommen können, ist schon begrenzt, aber das motiviert auch, nach weiteren nutzbaren Produkten zu suchen“, ist der junge Gastronom überzeugt. In seinen begehrten Degustationsmenüs findet man beispielsweise vielfältige Algen, die Ziska selber von den rauen Felsen am Wasser schneidet. Aber auch andere Menschen liefern ihm Waren, beispielsweise die örtlichen Fischer. „Wir versuchen sie dazu zu bringen, vielfältigere Produkte zu beschaffen“, so der engagierte Koch. Doch auch in der Begrenztheit des Angebots sieht Ziska Chancen.
„Es motiviert auch unsere Kreativität: Wir haben viele Gerichte mit den gleichen Zutaten geschaffen, aber in vollkommen anderen Variationen, und manchmal nutzt man dieselben Zutaten für ein salziges Essen und für ein Dessert.“ Das gilt sogar für den gerne von ihm genutzten Seetang. Er findet sich in herzhaften Kreationen wie einem Salat mit Muscheln, Liebstöckel und Seetang ebenso wie in einem Pudding aus Seetang und Heidelbeeren.
Unvergleichlich frisch, unvergleichlich geschmackvoll
Ein großes Plus ist die Qualität der Produkte. In der unverfälschten Natur behalten sie ihre Reinheit. Und weil das kühle Klima für besonders langsames Wachsen und Reifen sorgt, entwickeln die Produkte eine ungeahnte Geschmackstiefe, die selbst den ungeübten Gaumen beeindruckt. Auch die Frische der oft nur Stunden vor dem Verzehr beschafften Produkte ist unvergleichlich.
Im Salzwind gereift
So dürfte es manche überraschen, dass auch konservierte Lebensmittel einen festen Platz in Ziskas Inselküche haben. Aber nicht irgendwelche Konserven: Hier geht es um eine uralte Methode der Haltbarmachung, die auf den Faröern zur Tradition gehört. „Ræst“ heißt die spezielle Fermentation, bei der Fisch und Fleisch zum Trocknen aufgehängt werden, in Trockenhäusern oder an der frischen Luft, über Monate und bei ganz bestimmten Temperaturen: Nicht zu warm, aber auch nicht zu kühl. Der Meereswind gibt das Salz dazu.
Ziska schätzt den besonderen Geschmack von ræst und verwendet gerne die traditionell fermentierten Lebensmittel in seinen Menüs. Ein typisches Beispiel ist eine Mischung aus getrockneten Pilzen und eingelegten Beeren, die mit einer würzigen Scheibe fermentiertes Lamm kredenzt wird.
Trotz der restringierten Produktauswahl versucht die Küche auf Ernährungsbesonderheiten einzugehen und bittet Gäste um entsprechende Angaben vor dem Besuch. Rein vegetarische oder gar vegane Menüs bietet das Koks allerdings nicht. Kann es auch nicht. „Aufgrund unserer geographischen Lage im Nordatlantik können wir die meiste Zeit des Jahres auf keine große Auswahl an Gemüse zurückgreifen“, meldet die Website. „Daher können wir kein vegetarisches oder veganes Degustationsmenü anbieten.“
Der Tag, an dem alles Wasser gefror
Überhaupt ist Poul Andrias Ziska einer, der an alles denkt. „Wir versuchen sehr organisiert zu arbeiten und wir haben unsere mise en place, daher geht selten viel schief“, sagt er auf die Frage nach seiner größten Küchenpanne. Aber dann fällt ihm doch noch was ein: „Unser Restaurant liegt auf der grünen Wiese, daher kommt all unser Wasser aus dem Fluss, der aus dem Bergen kommt“, führt der junge Koch aus. Eines Tages, so erinnert er sich, war es so kalt, dass alles verschneit war und alle Leitungen zugefroren waren – ein denkwürdiges Ereignis in einer Gegend mit Meeresklima, in der es zwar eher kühl, aber kaum je frostig ist. Da hieß es Schnee in großen Töpfen schmelzen, kochen und abfiltern, um überhaupt Wasser zu haben: Wasser zum Kochen, Wasser zum Abspülen, Wasser zum Putzen … Sogar das Wasser für die Toiletten musste auf diese Weise gewonnen werden. „Wir konnten das nicht wirklich beeinflussen“, resümiert Ziska, „wir haben einfach versucht, uns an die Situation anzupassen, aber es war ein harter Arbeitstag!“