Food-Delivery: Die Branche kocht über
Hungrige Foodies bestellen mehr als je zuvor: Laut einer Prognose des Digital Market Outlook kann der Markt für Online-Food-Delivery bis 2023 mit einem Umsatz von 1.808,5 Millionen Euro rechnen – und das allein im Bereich Restaurant-to-Consumer Delivery (Quelle: Statista). Wer Erfolg will, muss liefern – so das neue Leitmotiv der Branche. Und wer keinen eigenen Lieferservice hat, sucht neue Möglichkeiten, um den Hunger der urbanen Bevölkerung zu stillen. Wir erinnern uns, in London hat sich Lieferdienst-Gigant Deliveroo unter dem Namen Deliveroo Editions bereits an mehreren Standorten erfolgreich mit Dark Kitchens positioniert. Das Konzept ist simpel: Restaurants kooperieren mit Deliveroo Editions, die in den ausschließlich auf Lieferservice ausgelegten Küchen das Essen zubereiten. Keine Sitzgelegenheiten, keine Gäste, alles in den Ghost Kitchens ist bis ins kleinste Detail durchorganisiert und exklusiv auf den Delivery-only-Markt ausgerichtet.
Die Food-Delivery-Branche brodelt, das zeigt sich schon allein daran, dass immer mehr auf dem wachsenden Markt mitkochen wollen. Das jüngste Beispiel: Der US-amerikanische Taxiersatz Uber.
Uber Eats – hungrig auf den Außer-Haus-Markt
Die sichere Heimfahrt müder Großstadtbewohner reicht dem wachsenden Konzern Uber wohl schon länger nicht mehr aus. Was liegt da näher, als sich einem weiteren lukrativen Markt anzunähern? Mit dem Tochterunternehmen Uber Eats begann Uber 2014 seinen Siegeszug auf dem Delivery-Markt. Das Konzept funktioniert so, wie wir es bereits von Branchengrößen wie Deliveroo kennen. Statt den üblichen Pizzaservice zu bemühen, können die User die Gerichte ihrer Lieblingsrestaurants bequem über die App nach Hause bestellen. Per Kurier werden die Lieferungen durch die Stadt geschickt – Restaurantqualität für Zuhause in weniger als 30 Minuten. Dabei bleibt es nicht: Seit 2017 setzt sogar Pommes-Dealer McDonalds auf die Dienste von Uber Eats.
Während der Taxi-Lieferservice-Hybrid weltweit erfolgreich mit mehr als 80.000 Restaurants zusammenarbeitet, konnte sich der Lieferservice in Deutschland allerdings noch keinen Platz sichern. Auch bei den Nachbarn in Österreich musste sich Uber geknickt wieder davonmachen. Am einzigen Standort in Wien wurde das Geschäft wieder aufgegeben. Doch auch wenn es außerhalb der Vereinigten Staaten noch nicht so richtig klappen wollte, bleibt es nur eine Frage der Zeit, bis Uber beziehungsweise Uber Eats auf dem weltweiten Foodmarkt mitkochen darf.
The Dark Kitchen rises – Uber geht in die Offensive
So langsam kristallisiert sich heraus, dass die Dimensionen des Uber-Vormarschs noch weitaus größer sind, als bisher angenommen. Vor wenigen Jahren investierte der ehemalige CEO des Unternehmens, Travis Kalanick, in City Storage Systems (CSS). Das Unternehmen hatte sich bis dato eher im Immobiliensektor angesiedelt, agiert aber zusätzlich unter dem Namen Cloud Kitchens in den USA, die wiederum Dark Kitchens vermitteln. An dieser Stelle beginnt sich der Kreis langsam zu schließen, denn jetzt wurde öffentlich, dass eben dieses Unternehmen schon 2018 den Kauf des britischen Start-ups FoodStars in trockene Tücher packte.
Ganz ähnlich zu den Ghost Restaurants von Deliveroo fuktioniert auch das Konzept von FoodStars: Seit 2015 warten dutzende volleingerichtete Küchen auf engagierte Küchenprofis, denen Platz, Kapital oder schlicht die Lust auf ein stationäres Gewerbe fehlen. Eine ideale Grundlage für Uber (oder CSS oder Cloud Kitchens… wer blickt da noch durch?), um sich endlich auch auf dem britischen Markt zu positionieren. Mehr als 100 Dark Kitchens – über ganz London verteilt – darf Uber Eats nun sein Eigen nennen. Zuvor hatte Uber seine neue Marktstrategie schon ausführlich in den Straßen von Paris auf die Probe gestellt. 2.500 Pfund sollen die Ghost Kitchens monatlich kosten und es den Mietern erlauben, ihre Happen nun ebenso einfach über die App zu vertreiben. Eben ganz so, wie Deliveroo es seit längerem vormacht. Eine ganz klare Kampfansage an den umkämpften Delivery- und Außer-Haus-Markt.
Das Erfolgsrezept der Uber-Kitchen
So sehr Uber auch in der Kritik steht, wirtschaftlich betrachtet hat das Unternehmen einiges richtig gemacht. Die Vorteile der Dark Kitchen für lokale Restaurants liegen auf der Hand: Die dunklen Küchen sind bis auf den letzten Zentimeter durchgeplant und auf das nötigste reduziert. Damit lässt sich natürlich jede Menge einsparen. Kein Wunder also, dass Konzepte wie Uber Eats gerade bei kleinen Restaurants und Start-Ups offene Küchen einrennen. Das System verschafft auch kleineren Anbietern die Möglichkeit, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und neue Kunden anzuziehen. Ganz davon abgesehen, dass es für so manchen kulinarischen Kleinbetrieb rein wirtschaftlich gar nicht möglich ist, seine Pforten auf einer angesagten Foodmeile in der Großstadt zu eröffnen. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, hat Uber aber noch ein besonderes Ass im Ärmel: Einige Restaurants existieren lediglich für die Uber Eats-App. Damit wird den Nutzern ein Gefühl der Exklusivität vermittelt. Wer ein bestimmtes Gericht will, muss die App nutzen. Perfide nennen es die einen, ziemlich genialer Schachzug die anderen.
Klar ist: Was jetzt noch wie ein kleiner Mitspieler in der Peripherie der kulinarischen Landschaft aussieht, wird sich über kurz oder lang fest in der Gastro-Szene etablieren.
Die dunkle Seite der Delivery-Macht
Wie alle vielversprechenden und lukrativen Businessmodelle haben auch die neuen Delivery-Trends ihre Kehrseite. Kritiker fürchten Qualitätsverluste und die Entfremdung von der kreativen Küche. Nähern wir uns also einem dunklen Endzeitszenario der Gastro-Branche, in dem Köche abgeschieden und gesichtslos ohne jegliche Anerkennung Essen zubereiten? Sind Food-Delivery und Dark Kitchen gar die apokalyptischen Reiter eines kulinarischen Verfalls?
Vielleicht ist es eine romantische Vorstellung, aber einen Restaurantbesuch kann auch das noch so gute Essen aus dem Ghost Restaurant nicht ersetzen… oder? Ganz nüchtern betrachtet verabreden sich die wenigsten zum Essen, weil der Hunger gerade so groß ist. Es ist dieses Gesamterlebnis, das gemeinsame Essen und das Versprechen auf einen besonderen Abend, das uns letztlich dazu bewegt, uns aus der Jogginghose zu schälen und das Abendessen nicht aus dem Karton auf dem Sofa zu essen.
Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass Food-Delivery und Dark Kitchen den lokalen Restaurants dauerhaft den Herd ausmachen. Zwischen Geistern und Dunkelheit sind die gebräuchlichen Synonyme für die mobilen Küchen übrigens grenzenlos – ein dunkles Image, dabei können sie für Start-Ups sogar ein echter Lichtblick sein.
Sind Dark Kitchen die große Revolution der Gastronomie oder droht die Wende zur anonymen Großstadtküche? Mehr zur Dark Kitchen-Bewegung, ihren Ursprüngen und Chancen für die lokale Gastronomie erfährst du hier!