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Daniel Humm: Das Geheimnis seiner veganen Drei-Sterne-Küche

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Drei Michelin-Sterne für vegane Küche: Mit seinem Eleven Madison Park bewies Daniel Humm im Jahr 2022, dass das geht. Aber wie? Und was hat eine Schulpsychologin damit zu tun?

Man kam ja wegen der Entenbrust. Und wegen der Gänsestopfleber. Und der Hummer mit Kürbis war überhaupt das Größte. Das Eleven Madison in New York galt lange Zeit als Inbegriff eines mondänen Drei-Sterne-Restaurants. Daniel Humm zelebrierte dort eine entrümpelte, durch und durch moderne Haute-Cuisine, die weltweit Maßstäbe setzte.

Und das tut der gebürtige Schweizer immer noch. Nur eben anders. Nämlich vegan. Oder wie er selbst sagt: plant-based.

Daniel Humm setzt im Eleven Madison durch moderne Haute-Cuisine weltweit neue Maßstäbe.

Image: The World’s 50 Best Restaurants 2018

Das ist eine große Sache. Vor allem, weil dem heute 47-Jährigen damit etwas gelang, was viele nicht erwartet hatten: Die prestigeträchtigen drei Michelin-Sterne auch zu halten. Damit ist Daniel Humms Eleven Madison Park das erste und weltweit einzige Restaurant, das mit einem veganen Menü die höchste Auszeichnung des Guide Michelin trägt. Humm hat Gastronomie-Geschichte geschrieben – und das, obwohl er mehrmals kurz davorstand, alles zu verlieren.

Daniel Humm: Ein Trauma, das Stärken freisetzte

Aufgewachsen in Zürich, waren seine Kindheit und Jugend von Schulproblemen geprägt, von Orientierungslosigkeit, davon, nicht wirklich verstanden zu werden. Als jemand, der es in Amerika geschafft hat, blickt Daniel Humm heute mit einer entsprechenden Befremdung auf seine Schweizer Heimat. Auf die mutlose Engstirnigkeit, die er bereits als Achtjähriger zu spüren bekommen hatte: Als er einen Wolkenkratzer im Zeichenunterricht auf ein Blatt Papier bringen sollte, er dieses aber zu klein fand – jedoch vom Lehrer kein größeres bekam.

 

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Also zeichnete der kleine Daniel das mehrstöckige Gebäude zu zwei Drittel auf die Schulbank. Ganz getreu dem Motto: Think big. Resultat: Krise, Vorladung der Eltern, jahrelange Therapie bei einer Schulpsychologin. Sie war es auch, die ihm sagte: „Es gibt immer irgendwo ein Blatt Papier, das groß genug ist für deine Träume.“ Für den verunsicherten Jugendlichen war das nicht nur das erste Mal, dass er sich von der autoritären Welt der Erwachsenen verstanden fühlte. Es war genau genommen auch der Start seiner Karriere, die bis heute vom Überschreiten von Grenzen lebt.

Das Eleven Madison Park: Das beste Restaurant der USA

Mit 14 schmiss Humm die Schule, machte eine Lehre als Koch im Schweizerischen Kurhotel Schinznach-Bad. Dort weckte sein Lehrmeister Viktor Geiser seine Leidenschaft für das Kochhandwerk. Nach der Lehre gelang dem ambitionierten Jungspund der Sprung in die Spitzengastronomie. Er kochte in hochdekorierten Häusern wie dem Le Pont de Brent in Montreux oder dem Gasthaus zum Gupf im Appenzell. Im Jahr 2003 folgte er dem Ruf nach San Francisco, wo ihm die Stelle des Executive Chefs im Campton Place angeboten wurde. Die regionale Presse überschlug sich in Lobeshymnen – so sehr sogar, dass im über 4000 Kilometer entfernten New York Daniel Meyer auf den noch nicht einmal 30-jährigen Koch aufmerksam wurde. Als Besitzer der Union Square Hospitality Group – einem Millionenimperium im Hospitality-Bereich – suchte Meyer nach einem neuen Küchenchef für sein Restaurant. Der Name: Eleven Madison Park. Die Lage: Die Madison Avenue mitten in New York. Humm begann mit einem klaren Ziel: Aus dem Restaurant einen Kulinarik-Hotspot zu machen. Die folgenden Jahre lesen sich wie eine erfundene Erfolgsgeschichte, doch alles davon ist wahr: Erster Michelin Stern 2009, zweiter Stern bereits im Jahr 2011. Die Geschäfte liefen so gut, dass sich Humm im selben Jahr mit dem Gastgeber des Restaurants, Will Guidara, zusammentat – und dem ursprünglichen Besitzer Meyer das Restaurant abkaufte. Dann der dritte Stern 2012, Bestplatzierungen in der prestigeträchtigen Liste der World’s 50 Best Restaurants – die das Eleven Madison Park im Jahr 2017 schließlich anführte. Damit wurde es zum höchstdekorierten Restaurant der USA. Kurz: Daniel Humm hatte es geschafft. Und doch: Auf der Höhe des Erfolges fingen die Probleme an.

Luxus, ist für Daniel Humm: Nachhaltigkeit als kulinarische Herausforderung annehmen

Image: Evan Sung

Daniel Humms Krisenjahre

„Als wir zum besten Restaurant der Welt gekürt worden sind, brach meine Welt zusammen“, erinnerte sich Humm in einem Interview mit dem Schweizerischen Gault Millau im Jahr 2020. „Ich war auf einen Berg gerannt, und als ich oben ankam, war die Sicht gar nicht so gut, wie ich gedacht hatte. Es gab Tage, an denen ich das Haus nicht verlassen konnte. Ich konnte nicht einmal meine Assistentin anrufen, das war schon zu viel.“ Humm begab sich auf eine mehrwöchige Indienreise – die jedoch nur für kurze Zeit Abhilfe schaffte. Denn zurück im Big Apple, hatte Humm eine Krise nach der anderen zu bewältigen. Die Trennung von seinem Geschäftspartner Will Guidara etwa, die Humm im Jahr 2019 um ein Haar in den finanziellen Ruin getrieben hatte – komplizierte Auskaufverträge, Streitereien, Verwerfungen und Versöhnungen inklusive.

Und dann war da auch noch die Corona-Pandemie, die das Unternehmen in vielerlei Hinsicht auf eine harte Probe stellte – und Humm, wie so viele in der Branche, nicht nur zum Innehalten zwang. Sondern auch zum Hinterfragen. Was kann und auch was soll Spitzengastronomie in Zeiten wie diesen tun? Was ist ihre Rolle, auch in Zukunft? Wie nachhaltig ist Spitzengastronomie, wie nachhaltig soll sie sein? Was ist Luxus?

Fragen wie diese gingen dem erschöpften Küchenchef nicht mehr aus dem Kopf. Lange wälzte er sie hin und her. Und gab im Mai 2021 eine radikale Antwort auf all die Fragen.

Vegane Gerichte machen deutlich mehr Aufwand als Fleischgerichte

Image: Evan Sung

Was ist eigentlich Luxus?

„Die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel beziehen, die Art, wie wir sie konsumieren und auch die Art, wie wir mit Fleisch umgehen, ist schlicht und ergreifend nicht nachhaltig.“ Mit Sätzen wie diesen hielt Daniel Humm in mehreren Interviews im Frühjahr 2021 die internationale Spitzengastronomie in Atem. Und verstörte sie auch ordentlich. Wie soll das gehen, ein Drei-Sterne-Restaurant, das rein pflanzliche Produkte verarbeitet? Was steckt wirklich hinter dieser Entscheidung? Wie glaubwürdig ist ein Koch in Sachen Nachhaltigkeit, der von heute auf Morgen plötzlich Foie Gras und Ente mit Kürbis und Topinambur ersetzt?

Heute, gut zwei Jahre später, beweist Humm selbst seinen schärfsten Kritikern: Er meint das alles ernst. Sehr ernst sogar. „Wir müssen unsere Vorstellung von Luxus von Grund auf überdenken“, erklärte er vor kurzem gegenüber dem Times Magazine. „Was eine Sache wertvoll macht, ist nicht ihr Preis an sich. Sondern die Art und Weise, wie sie Menschen durch ihr tradiertes Handwerk veredeln. Das ist für mich Luxus. Mit einer Karotte für eine fast schon übernatürliche Erfahrung bei unseren Gästen zu sorgen, dazu ist ein Vielfaches mehr an Arbeit nötig als es jemals mit Fleisch der Fall war.“ Luxus, das ist für Daniel Humm also: Nachhaltigkeit als kulinarische Herausforderung annehmen – und alles geben. „Wir sind zehn Köche mehr als zuvor, einfach, weil wir mit pflanzenbasierten Produkten mehr Arbeit haben“, sagt Humm, und gibt damit auch eine Antwort auf die Frage, warum der vegane Menüpreis sich nicht vom früheren unterscheidet. Und ehrlich gesagt, spätestens, wenn man im neuen Eleven Madison Park essen war, versteht man auch, warum.

Daniel Humm spielt mit veganen Gerichten und sorgt für Geschmacksexplosionen auf dem Teller seiner Gäste

Image: Evan Sung

Geschmacksexplosion im Eleven Madison Park

Wie zum Beispiel die Tonburi-Quenelle, die optisch und hinsichtlich der Textur an Kaviar erinnert. In Kombination mit Meerrettichcreme und einer Rettich-Tostada, die mit einem Klecks Kürbiskernbutter verfeinert wurde, spielt dieses Gericht mit vertrauten Geschmacksbildern – und schmeichelt dem Gaumen mit Subtilitäten, die man keiner der einzelnen Zutaten jemals zugetraut hätte.

Einen Schritt weiter geht der geschmorte Seitan: Dieser wird umhüllt von Spinat, während Morcheln ein breites Spektrum aus Umami-Noten herauskitzeln, das durch eine üppige Sauce geradezu meisterhaft abgefangen wird.

Und auch Desserts sind die ideale Spielwiese für pflanzenbasierte Virtuosität, wie etwa das gefrorene Kirschblüten- und Rosenkonfekt mit Erdbeeren zeigt. „Ich koche heute lieber als je zuvor“, sagt Daniel Humm. „Weil ich mir eingestanden habe, dass gewisse Traditionen einfach keinen Sinn mehr machen. Hier im Eleven Madison Park sind wir nicht gegen Fleisch. Sondern für den Planeten. Und das ist kein Trend. Sondern die Zukunft.“

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