Sich die Gäste vom Leib halten, das Gesicht hinter einer Maske versteckt, und statt Handschlag gibt’s Handschuhe – kein Wunder, dass manch ein Gastronom sich verzweifelt fragt, wie er noch das sein kann, wofür er brennt: ein guter Gastgeber, der Gäste glücklich macht. Aber kneifen gilt nicht!
Sehr elegant löst man im Quellenhof Luxury Resort Passeier bei Meran sowie dem Schwesterhaus am Gardasee die Zugangskontrolle – mithilfe modernster Technik! Gleich beim Einchecken bzw. Hereinkommen misst ein Thermoscanner die Temperatur aller internen und externen Gäste von Hotel, Restaurant und Spa sowie der Mitarbeiter. Wer die 37,5-Grad-Marke reißt, wird diskret isoliert, erzählt Chef Heinrich Dorfer. Dann kommt das gesetzlich vorgeschriebene Prozedere in Gang; betroffene Mitarbeiter müssen heimgehen. Tritt ein Fall bei einem Gast auf, dann wird die lokale Notrufnummer gewählt und der zuständige Arzt entscheidet über alle weiteren Maßnahmen in Bezug auf die Isolation, Quarantäne oder Heimfahrt der Gäste. Zur Sicherheit meldet das Gerät, das mit Gesichtserkennung arbeitet, jeden erkannten Fieberfall zusätzlich per E-Mail in die Verwaltung – doppelt hält besser!
Auf Corona-konforme Technik setzt auch Gastronom Heinz Gindullis mit dem Data Kitchen in Berlin – und das schon seit der Gründung 2016. Das in Partnerschaft mit SAP entwickelte Restaurant fällt vor allem durch die „Food Wall“ auf, in deren einzelnen Fächern die zuvor per App oder Web bestellten und vorab bargeldlos bezahlten Gerichte zur Entnahme bereitstehen. Der Gast geht damit einfach an seinen Tisch. Jetzt wird das Restaurant aufgrund der Abstandsregelung mit halber Kapazität betrieben – eine Herausforderung. Den gut etablierten Lieferdienst behält Heinz Gindullis wie viele seiner Kollegen bei.
Technik ganz anderer Art nutzt Dario Goga in seinem Goga Caffè in Mailand, das kurz nach der Eröffnung am 3. März 2020 schon wieder schließen musste. Aber der findige Gastronom gab nicht klein bei und baute kurzerhand Plexiglastrennwände, die die Gäste an den Zweiertischen von drei Seiten umschließen. „Einmal da drin, bist Du in Sicherheit“, sagt er. Dank der kreativen Lösung büßt Dario Goga nur vier seiner rund 60 Sitzplätze ein. Gekostet hat sie ihn um die 800 Euro. Gut angelegtes Geld – mit Sicherheit!
Ganz nobel läuft der Wiedereinstieg beim bekannten Szenen-Restaurant Nobelhart & Schmutzig in Berlin. Designer Jay Barry Matthews hat für die Mitarbeiter Gesichtsmasken aus mit japanischer Binchotan-Kohle eingefärbtem Baumwoll-Leinen-Stoff des edlen Modelabels Frank Leder geschneidert, die man auch käuflich erwerben kann. Und auch mit den sonstigen Maßnahmen sollen sich die Gäste so wohl, sicher und entspannt wie möglich fühlen, sagt Gastgeber Billy Wagner, der mit seinem Team das Reopening acht Wochen lang vorbereitet hat. Sein Maßstab: „Wie handeln wir ohne Angst und ohne fahrlässig zu sein?“ Vom Desinfizieren von Klinke, Kleiderbügel, Kuli und Co bis zur Einhaltung der nötigen Abstände wurde an alles gedacht. Auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter ist Billy Wagner und seinem Küchenchef ein Anliegen. „Als Verantwortliche gehen Micha Schäfer und ich mit gutem Bespiel voran.“
Abstand mit Augenzwinkern – das gelingt Ulrike Haase, die in ihrem Hotelrestaurant kurzerhand die nicht benutzbaren Plätze mit Schaufensterpuppen besetzte. „Mittlerweile sind es acht ansteckungsfreie Herrschaften“, berichtet sie. „Es herrscht Abwechslung und wieder belebte Leere, Humor. Unsere Gäste freuen sich, es ist ja dadurch voller und es entstehen neue, andere Gespräche.“
Die asiatische Variante davon bietet das Maison Saigon in Bangkok. Hier halten putzige Plüsch-Pandas die nicht besetzbaren Plätze frei. So kuschelig hat sich Social Distancing noch nie angefühlt!
In Corona-Zeiten kommt auch das Chambre Separée zu neuen Ehren. Zum Beispiel in Amsterdam, bei Mediamatic Eten, dem Restaurant des modernen Kulturzentrums Mediamatic. Hier diniert man zu zweit in Mini-Gewächshäusern am Wasser, gerade mal 2,54 m2 groß, eine reizvolle Mischung aus Intimität und Öffentlichkeit. Die Speisen, allesamt vegan, werden auf langen Brettern hereingereicht. „Bei einem Brainstorming haben wir das Gelände inspiziert“, erzählt Kommunikations-Manager Tobias Servaas. So wurden die damals ungenutzten Glashäuschen entdeckt: Die Idee der „Serres Séparées“ – Gewächshaus-Séparées – war geboren!
Ganz intim speist man auch in der „Genussgondel“, die zum 5-Sterne-Spa-Hotel Jagdhof im österreichischen Stubaital gehört. Maximal fünf Gäste passen in die ehemalige Skilift-Gondel, die zu einer gemütlichen Mini-Tiroler-Stube umgebaut wurde und jetzt wie gemacht fürs Schlemmen in der Krise wirkt. Den Gletscherblick gibt’s gratis dazu!
Das Gleiche in Nordisch bekommt man im Pegelhäuschen an der Elbe in Hamburg. Bis zu vier Personen genießen ein Vier-Gänge-Überraschungsmenü in dem winzigen Hüttchen, das auf einem Ziegelsteinpfeiler hoch über der Elbe steht. Gebucht werden kann täglich, einmal mittags, einmal abends, für verbindliche 149 € pro Person. „Teilweise haben wir an manchen Tagen eine Wartezeit von einem halben Jahr, zum Beispiel Samstag abends“, erzählt Carsten Hasselbrinck, RoomDivision & Sales Manager vom Hotel Zollenspieker Fährhaus, zu dem das Pegelhäuschen gehört.
Ein ganzes Restaurant nur für zwei – was früher wie frivole Verrücktheit erschien, kommt heute als Vernunftlösung daher. „Solo per Due“ heißt das opulent ausgestattete Minimal-Lokal 68 km nördlich von Rom, das immer nur zwei Gäste empfängt und bei Verliebten schon lange hoch im Kurs steht. „Das Restaurant gibt es seit dem 23. September 1988“, sagt Inhaber Remo Di Claudio. „Seit 32 Jahren, weit vor Corona.“ Die lauschige Location verfügt sogar über einen eigenen Palmengarten. Serviert wird regionale Küche vom Feinsten.
Wem das Speisen zu zweit immer noch zu heikel ist, für den ist „Bord för en“ gedeckt, ein Tisch für eine Person. Und der steht mitten in der freien schwedischen Natur, in Wermland, vom 20. Mai bis 1. August, einen schwedischen Sommer lang. Jeder bezahlt, was er möchte, Überschüsse gehen an einen Kulturfonds für kreative Mütter. „Wir haben ein paar freie Tische im Juli, sonst sind wir fast ausgebucht. Sehr aufregend!“ ((1)), freut sich Mitinhaberin Linda Karlsson. Die Speisen, ein echt schwedisches Menü, kommen kontaktlos per Korb mit Seilzug aus der Küche an den Tisch. Und was, wenn das Wetter mal nicht mitspielt? „Wir haben Decken sowie Regen- und Windschutz angeschafft“ ((2)), so die sympathische Gastronomin, für die nach dem 1. August noch lange nicht Schluss ist. „Wir denken darüber nach, weitere Tische für eine Person in anderen Teilen der Welt zu eröffnen, wo die Temperaturen auch im Herbst noch ein bisschen milder sind.“ Die Idee entstand übrigens, als Lindas Eltern überraschend zu Besuch kamen und wegen Corona sicherheitshalber ihren Tisch im Garten gedeckt bekamen. Bedient wurden sie durchs Küchenfenster. Kreative Gastronomie mit Herz – Corona macht’s möglich!