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Warum gute Betriebsrestaurants noch nie so wichtig waren

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Die Rolle von Betriebsrestaurants hat sich durch die Corona-Pandemie stark verändert. Und insbesondere eine Frage wurde laut: Braucht es sie überhaupt noch? Heute wissen wir: Sie sind wichtiger denn je. Warum auch die vermeintlich besten unter ihnen sich in Zeiten von „New Work“ neu erfinden müssen – und was die Stadt Kopenhagen damit zu tun hat.

Nennen wir es den Igitt-Moment. Das kann der Anblick des schleimigen Linseneintopfs sein, der lieblos im Pappteller landet. Oder jener des braunen Gulaschs, das offenbar nur aus fettigen Sehnen besteht. Ganz zu schweigen von der Tagespizza, auf der sich drei Dosen Mais und zwei Kilogramm Salamischeiben tummeln. Fest steht: Diesen kurzen Moment des Ekels kennen wir nahezu alle. Es ist der Moment, in dem man am liebsten umdrehen und sich zurück vor den Bildschirm setzen würde. Aber man bleibt trotzdem. Und zieht es durch. Der Hunger treibt’s eben rein.

Viele Mitarbeitende essen in Betriebsrestaurants

Image: AdobeStock | Tatiana Atamaniuk

Es sind Geschichten wie diese, die man bis heute mit Betriebskantinen verbindet. Vor allem, wenn man das zweifelhafte Vergnügen hatte, in Zeiten vor der Corona-Pandemie in der unternehmenseigenen Kantine essen zu müssen. Klar, die kulinarisch hoffnungslosen Fälle in bestimmten Kantinen gibt auch heute noch. Aber sie sind viel seltener geworden. Schließlich können es sich in Zeiten von Homeoffice immer weniger Firmen leisten, Mitarbeitern zweifelhaftes Essen vorzusetzen. Ja, mehr noch: Eine gute Kantine kann heute sogar ein ausschlaggebender Grund sein, um gute Mitarbeiter ins Unternehmen zu locken – und zu halten. Deswegen nennt man Kantinen neuerdings auch etwas mondäner „Betriebsrestaurants“. Aber was genau ist ein gutes Betriebsrestaurant? Wo gibt’s die besten? Und wohin geht der Trend?

Patrick Wodni: Vom Sternekoch zum Kantinen-Berater

„Das klingt so platt, aber was ein gutes Betriebsrestaurant ausmacht, ist schlicht und ergreifend gutes Essen“, sagt Patrick Wodni. Der 34-Jährige kann getrost als berühmtester Kantinenkoch Europas bezeichnet werden. Jahrelang arbeitete er in einigen der renommiertesten Restaurants Deutschlands, zuletzt im Berliner Sternerestaurant Nobelhart & Schmutzig. Bis er sich dafür entschied, der Sternegastronomie den Rücken zu kehren – und dort zu kochen, wo er „wirklich etwas bewegen“ konnte, wie er sagt. Das tat Wodni zunächst als Koch in einem norddeutschen Krankenhaus. Und kochte dort so gut, dass sogar die in einem langen Artikel ausführlich über seinen Werdegang und seine Küche berichtete.

 

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Heute ist der gebürtige Gießener federführend beim Projekt namens Kantine Zukunft in Berlin tätig. Und hilft Unternehmen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Seniorenheimen dabei, ihr Speisenangebot besser zu machen.

Besser, das heißt in diesem Fall: Den Bio-Anteil der verwendeten Lebensmittel zu erhöhen, ausgewogene Speisepläne auf die Beine zu stellen, in denen es nicht fünf Mal pro Woche Fleisch gibt, und natürlich Rezepturen mit dem Küchenpersonal auszuarbeiten, die schmecken. Dabei geht das, was Wodni als „lecker“ bezeichnet, weit über das rein Geschmackliche hinaus.

Jenseits von Currywurst und Spaghetti Bolognese

Die Antwort auf die Frage, was ein gutes Betriebsrestaurant im Jahr 2023 ausmacht, kommt ohne das sogenannte Kopenhagener Modell nicht aus. „Die Stadt Kopenhagen ist bis heute ein Vorbild“, sagt Wodni. „Es ist mittlerweile 17 Jahre her, dass man dort angefangen hat, den Bio-Anteil der Gemeinschaftsverpflegung in den Mittelpunkt zu stellen. Das war ein politischer Beschluss, gemäß dem alle Küchen, die in Eigenbetrieb der Stadt sind, den Bio-Anteil ihrer Lebensmittel sukzessive erhöhen mussten.“

Die Kantine Zukunft bietet Betriebsrestaurants ein qualitativ hochwertiges Konzept

Image: Etienne Degeest

Hier könnte man einwenden: Das galt ja nur für die staatlichen Kindertagesstätten, Schulen oder Krankenhäuser. Nur: Dieser Beschluss brachte auch die Privatwirtschaft unter Zugzwang. Oder wie Wodni sagt: „Wenn ich als erfolgreiche Anwaltskanzlei nicht einmal den Standard erfüllen kann, den ein Seniorenheim hat, dann stehe ich ja ziemlich doof da.“

Was das Kopenhagener Modell auch zeigt: Es geht nicht mehr nur um Bio. Vielmehr führt die Verwendung von Bio-Lebensmitteln zu weiteren Qualitätsmerkmalen, die ein Betriebsrestaurant heute auch so zukunftsträchtig machen: Die Verwendung regionaler Lebensmittel, übrigens einer der Food Trends 2024, und das Ausarbeiten neuer, kreativer Gerichte jenseits von Currywurst und Spaghetti Bolognese. Und damit die Schaffung eines Ortes, der mehr bietet als eine möglichst günstige Kalorienzufuhr.

Im Betriebsrestaurant der Zukunft geht es ums Essen

Denn genau das darf ein Betriebsrestaurant heute nicht mehr sein. Das haben vor einigen Jahren auch die großen Tech-Konzerne im Silicon Valley bemerkt. Bis heute warten Facebook, Twitter, Dropbox und Co. mit Betriebsrestaurants auf, die von der internationalen Presse regelmäßig als die besten weltweit gelobt werden. Kein Wunder: Neben dem für die Belegschaft meist kostenlosen Bio-Essen zu jeder Tageszeit, oft auch in Form von veganen Gerichten, punkten ihre Betriebsrestaurants mit stylischem Interieur und locker-charmantem Service. Nachahmer gibt es viele, denn Konzerne auf der ganzen Welt haben mittlerweile verstanden: Ein gutes Betriebsrestaurant kann in Zeiten des branchenübergreifenden Fachkräftemangels elementarer Vorteil bei der Mitarbeitersuche sein.

 

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Und doch: Seit dem pandemiebedingten Trend zum Home Office ändern sich auch hier die Dinge. Viel mehr noch als vor der Pandemie geht es bei einem guten Betriebsrestaurant heute ums Essen, und weniger um die Atmosphäre, wie sie so viele Tech-Konzerne in Kalifornien perfektioniert haben. Im besten Fall trank man damals im hauseigenen Betriebsrestaurant auch noch das Feierabendbier, um weiter über das neueste Projekt zu brainstormen. In post-pandemischen Zeiten von „New Work“, in denen das Büro nicht mehr der Lebensmittelpunkt von Angestellten ist, sind solche Orte nicht mehr das Erfolgsrezept, das sie einmal waren.

Betriebsrestaurants als Vorreiter nachhaltiger Gastronomie

Stattdessen werden die Werte – und damit auch der Erfolg – eines Betriebsrestaurants durch das Essen transportiert. Das zeigt das jährlich erstellte Ranking der unabhängigen Initiative Food & Health, das seit 2018 die besten Betriebsrestaurants in Deutschland auszeichnet. Die Kriterien umfassen dabei drei Bereiche: Verantwortung, Gesundheit und Genuss.

Im Jahr 2023 rangierten das Bauunternehmen Josef Rädlinger in Cham, das IT-Unternehmen Vector Informatik in Regensburg sowie der Versicherungsriese Allianz Trade in Hamburg unter den Gewinnern in der Kategorie von unter 400 Essen pro Tag. In der Kategorie von über 400 Essen pro Tag waren es die Investmentbank Union Investment in Frankfurt, der Vector Informatik-Standort in Stuttgart und der Hightech-Fräsmaschinen-Hersteller Deckel-Maho im bairischen Pfronten.

Frische und qualitativ hochwertige Produkte sind wichtig für Betriebsrestaurants

Image: Saskia Uppenkamp

Natürlich: Geschmacklich lassen die Küchen dieser Betriebsrestaurants keine Wünsche offen. Doch der Geschmack steht dort für mehr, wie die Vorsitzende der Initiative Theresa Geisel bei Verkündung des Rankings klarmachte: „Mehr Transparenz in der Produktherkunft, mehr Bio-Lebensmittel, eine größere Relevanz des Tierwohls durch Verwendung von weniger, aber dafür qualitativ hochwertigem Fleisch sowie eine Ausweitung des Angebots von klimafreundlichen Gerichten und Verpackungen: Immer wieder sind wir Juroren beeindruckt von der Kreativität, mit der die Betriebsgastronomie Nachhaltigkeit erlebbar macht und mit Genuss zum Besser Essen verführt.“

Dieser Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit und einem guten Essensangebot ist auch in den USA spürbar, wie Kim Severson in ihrem Artikel der NY Times berichtet. Essen ist und bleibt ein zentraler Teil eines Bürotags und stellt auch die Unternehmen in den USA vor die Herausforderung trotz schwankender Arbeitnehmerzahlen in den Büros und steigenden Lebensmittel- und Betriebskosten ihren Mitarbeitern eine gute bis sehr gute Verpflegung anzubieten.

Aus diesem Grund setzen Firmen dort zum einen vermehrt auf die Bezuschussung von Essenslieferdiensten wie z. B. Relish by ezCater oder auf hybride Konzepte, wie z.B. das The Anecdote. Dieses neuartige Konzept ist eigentlich eine Art Betriebscafé, in dem Unternehmen ihren Mitarbeitern bezuschusstes oder gratis Essen anbieten können, erinnert äußerlich, aber mehr an ein Restaurant. Und das Besondere? Es ist der Öffentlichkeit ebenso zugänglich.

 

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Genau diese Kreativität und Vielfalt die sich in der Betriebsgastronomie etabliert, scheint sich in der hybriden Welt von „New Work“ mehr denn je zu lohnen. „Was wir neuerdings sehen, ist, dass Mitarbeiter ihre Homeoffice-Tage anhand des Speisenangebots planen“, sagt Patrick Wodni. Und zeigt damit: Was ein gutes Betriebsrestaurant bzw. gute Betriebsgastronomie ausmacht, ändert sich zwar im Laufe der Zeit. Doch mehr denn je geht es um gutes Essen. Und zwar um eines, das auch zeitgemäßen Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Das ist in diesen krisengebeutelten Zeiten eine gute Nachricht. Zumindest für all die, die nicht auf sehniges Gulasch stehen. Oder auf schleimige Linseneintöpfe. Oder auf Pizzen mit – ach, lassen wir das.

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