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Food-to-go als Chance im Wandel

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Die zweite Corona-Welle ist bereits in vollem Gange. Deshalb beschäftigen wir uns heute damit, welche Erkenntnisse Unternehmen aus dem ersten Lockdown für ihr weiteres Überleben und mehr Wachstum ziehen können.

Im Frühherbst 2020 wurden in vielen Teilen der Welt wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen die gelockerten Beschränkungen wieder radikal zurückgenommen. Zwar sind Schulen wieder geöffnet und Angestellte werden zur Rückkehr ins Büro ermutigt, doch in Großbritannien etwa hat Premierminister Boris Johnson erneut dazu aufgerufen, so weit es geht von zu Hause aus zu arbeiten. In vielen Stadtzentren der Welt herrscht eine ungewöhnliche Stimmung. Es ist merkwürdig unbelebt, ohne die Menschenströme im Berufsverkehr oder den Trubel der Touristen. Die Gastronomiebetriebe mit Speiseangeboten zum Mitnehmen hat es gerade an zentralen Standorten hart getroffen.

Screenshot des Rational Live Webinars über die wachsenden Möglichkeiten im Food-To-Go Sektor.

Image: Rational | Food-to-go Webinar

In der fünften Folge der Webinare-Reihe von Rational, die von Gavin Rothwell von Food Futures Insights moderiert wurde, ging es um die Zukunft des „Food-to-go“-Marktes und die Möglichkeiten, die einzelnen Segmente dieses Marktes zu erschließen. Rothwells Gäste waren Benjamin Nothaft, der International Key Account Manager für den Einzelhandel bei Rational, und Declan Ralph, Leiter für Einzelhandelsentwicklung bei BWG Foods (dem Betreiber von SPAR in Irland). Gemeinsam untersuchten die drei Experten die wichtigsten Erfolgsfaktoren im derzeitigen Food-to-go-Markt und beschäftigten sich mit weiteren Möglichkeiten, wie der Einzelhandel das eigene gastronomische Mitnahme-Angebot erweitern kann.

Der Blick auf andere Geschäftsmodelle

Die erneut verschärften Einschränkungen und die lokalen Lockdowns haben das Umfeld für das Lebensmittelgewerbe deutlich erschwert. Für Geschäfte im Zentrum Londons waren das schlechte Nachrichten, in Dublin ist die Situation ähnlich schwierig, wie Ralph anmerkt. Ein neues Projekt des Kaffeeabonnement-Anbieters Pret orientiert sich am Netflix-Modell. Man darf gespannt sein, wie es sich weiter entwickelt. Mit der Strategie sollen offensichtlich Anreize für Wiederholungsbesuche geschaffen werden. Eine weitere erfreuliche Entwicklung sind die von Einzelhändlern ins Leben gerufenen Kooperationen, um die eigene Präsenz in der Umgebung zu erhöhen. Als Beispiel nennt Rothwell die Partnerschaft zwischen WH Smith und Marks & Spencer (M&S), bei der M&S von WH Smith Flächen der bestehenden Läden zur Verfügung gestellt bekommt und dadurch an mehr Standorten präsent sein kann. Auch die Zusammenarbeit zwischen EG-Group (EuroGarages) und Asda ist ein Projekt, das man im Auge behalten sollte.

Petrol station

Image: AdobeStock | photowahn

Zum Zeitpunkt des Webinars wurde ein Versuchslauf mit drei Tankstellen-Shops von Asda „On the Move“ angekündigt. Noch wichtiger aber war die Ankündigung kurz nach dem Webinar, dass die Gründer der EG-Group eine Mehrheitsbeteiligung am Asda-Geschäft erwerben wollen. Nothaft erkennt in diesem Bereich einige interessante Entwicklungen für Unternehmen, die eine etwas andere Herangehensweise an die Perspektiven von Tankstellen-Shops haben. Centra, ein Unternehmen der Musgrave-Gruppe, eröffnete einen Drive-in-Standort in Nordirland, wo die eigene Gourmet-Kaffeemarke Frank and Honest sowie zahlreiche Feinkost-Artikel für den täglichen Bedarf zum Mitnehmen angeboten werden.

Frischen Wind in den Laden bringen

Ein weiteres aussichtsreiches Feld sind Konzessionen in Ladengeschäften. Rational hat sich gemeinsam mit Asda dafür eingesetzt, den pan-asiatischen Street-Food-Anbieter Panku in die Asda-Filialen im Zentrum von London und Umgebung zu bringen. „Wir müssen in den Ladengeschäften flexibel sein, um die Kundenerwartungen zu erfüllen“, meint Nothaft.

Bento Box mit asiatischen Lebensmitteln als Beispiel für Takeaway Essen.

Image: AdobeStock | arayabandit

Rothwell ist begeistert vom Konzept von Morrisons‘ Market Kitchen im Zentrum von Manchester. „Morrisons hat sich Gedanken gemacht, wohin sich der Markt entwickelt und wie sich dies in einer Street-Food-Atmosphäre mit Take-away-Angeboten erlebbar machen lässt. Es wird spannend, wie das Konzept auf die eigenen Supermärkte übertragen wird“, fügt er hinzu.

Auf Wachstum setzen

In Amerika ist Sweetgreen weiter auf Expansionskurs. Interessant ist, wie das Unternehmen sein Angebot technisch so entwickelt hat, dass die Kunden sowohl mit der Marke in Kontakt kommen als auch im Geschäft bestellen können. Rothwell erzählt begeistert davon, dass der Food-to-go-Markt in Irland als ein wichtiger Maßstab für die europäische Entwicklung gilt. Ralph von BWG Foods berichtet, dass BWG vor der Pandemie in Irland vier verschiedene Kategorien von SPAR-Geschäften ausgemacht hat:

Spar Supermarkt, Anbieter von Essen und Kaffee zum Mitnehmen.

Image: SPAR | Snarøya

„Lifestyle“ mit Speise- und Kaffee-Angeboten zum Mitnehmen für unterwegs, den „SPAR Market“ mit Filialen in ländlichen Gegenden oder kleineren Wohngebieten, „Everyday needs“ als lokale Geschäfte mit einem guten Gesamtsortiment für den Alltagsbedarf sowie die eher zentral gelegenen „My Usual“-Filialen mit Presseartikeln, Kaffee oder Lotterielosen. In allen vier Formaten spielt das Mitnahme-Angebot für Lebensmitteln eine wichtige Rolle, sie waren aber unterschiedlich von Corona betroffen. „Am schwierigsten ist es in den Lifestyle-Filialen. Diese Geschäfte liegen in den Stadtzentren, Gewerbegebieten, an Universitäten oder auf Flughäfen“, erklärt Ralph. „Am besten geht es dem SPAR-Market. Da die Menschen vor Ort bleiben, liefen und laufen die Läden „um die Ecke“ ganz gut.“ Wie Ralph aber feststellte, hat sich mit der Lockerung der Beschränkungen und der Rückkehr der Laufkundschaft auch das Geschäft wiederbelebt. Seiner Ansicht nach kann man daraus folgende Lehren ziehen: „Nicht in Panik geraten, das Angebot nicht zu sehr umkrempeln und auf Gelegenheiten lauern. BWG Foods ist viel mehr als nur SPAR. Dazu zählt zum Beispiel eine starke Großhandelssparte im Lebensmittelgeschäft. Wir wollen unsere Kontakte zu Hotels und Cafés ausbauen und alle dazu bringen, an einem Strang zu ziehen und mit gemeinsamen Initiativen die Geschäfte in den Stadtzentren wieder zu beleben.“

Aufbau eines unverkennbaren Modells für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

„Es ist wichtig, dass die Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis in Ihrer Marke erkennen und dafür gern in Ihr Geschäft kommen“, meint Ralph. „Die Leistung macht sich nicht nur am Preis fest.“

Nothaft sieht das genauso: „Man kann sich ruhig Gedanken über das Preis-Leistungs-Verhältnis machen, aber man sollte nie an der Qualität sparen, nur um Kunden in den Laden zu locken.“

Takeaway Verpackungen mit leckerem gesunden Essen.

Image: AdobeStock | foodandcook

Sich stärker differenzieren, um die Richtung vorzugeben

„Ich habe mit einer Tankstellenkette in Österreich gesprochen“, erzählt Nothaft. „Dort entschied man sich, 40 der eigenen Stationen für einen Lieferservice zu nutzen. Das brachte unerwartete Umsatzzuwächse und war ein großer Erfolg.“

„Es gehört zu unserer Philosophie, alle Möglichkeiten der Differenzierung auszuloten“, sagt Ralph. „Entscheidend ist, sie auf den Markt zu bringen und zu bewerten, wie sie funktionieren.“

Stärkerer Fokus auf Gesundheitsaspekte

Vor der Corona-Krise konnte man ein zunehmendes Interesse an gesunden Lebensmitteln beobachten. Die Menschen haben bewusster auf ihre Gesundheit und ihre Ernährung geachtet und auf gesündere Lebensweisen umgestellt. Hat dieser Trend noch Bestand? „Ich habe den Eindruck, die Leute haben mit Beginn der Krise ihre Gesundheitsfragen und Sorgen um die Umwelt erst einmal hinten angestellt“, meint Ralph. „Fragt man die Leute, ob sie gesunde Lebensmittel möchten, lautet die Antwort natürlich Ja – aber bestellt werden sie nicht unbedingt. Wer sich nur auf Frische und Gesundheit konzentriert, erreicht man nicht alle Kunden“, ist Nothaft überzeugt. „Gesunde Ernährung ist offensichtlich im Kommen, aber man sollte die richtige Balance finden.“

Das Potential verschiedener Standorte abwägen

Die SPAR-Filialen in den Wohngebieten beschäftigen sich in der aktuellen Situation auf ihre Weise mit dem Potenzial von Lebensmitteln zum Mitnehmen und reagieren auf die neuen Anforderungen, die sich mittlerweile tagsüber ergeben. Denn während man früher auf dem Heimweg von der Arbeit noch schnell eine Fertigmahlzeit mitgenommen hat, ist man jetzt öfter zu Hause. Das bietet die Möglichkeit, Alternativen zum selbstgemachten Frühstück oder Mittagessen anzubieten. Ralph mahnt jedoch zur Vorsicht vor allzu radikalen Umbrüchen. „Wir müssen auch darauf achten, dass wir das Angebot oder das Erscheinungsbild des Geschäfts nicht völlig umkrempeln. Vieles wird wieder so werden, wie es zuvor war“, ist er überzeugt. Als die Menschen wieder vermehrt die Geschäfte in ihrer Umgebung schätzen gelernt haben, waren viele angenehm überrascht.

Metzgereifiliale, die dem Kunden warme Mitnahmegerichte anbietet.

Image: Naumann Augsburg

Einsatz von Technologie und Lieferservice zur Entwicklung und Erweiterung des eigenen Modells

Während des Lockdowns haben Lieferungen von Speisen und Lebensmitteln rasant an Popularität gewonnen. Sind wir bereit, diese Bequemlichkeiten wieder aufzugeben?

„Ich glaube nicht, dass der Trend rückgängig gemacht wird, aber man wird sehen, ob er wächst oder sich konsolidiert“, so Nothaft. „Einzelhändler haben mir in einigen schwierigen Gesprächen geschildert, dass sie nicht alles liefern können. Man sollte auf Qualität achten, denn der eigene Ruf ist wichtig. Man muss berücksichtigen, welche Formate es gibt und ob es zur eigenen Marke passen würde. Noch vor ein paar Monaten hätte man nicht gedacht, dass Deliveroo oder Just Eat mit Lebensmittelgeschäften kooperieren, weil ihr Kerngeschäft schließlich die Gastronomie war. Jetzt haben diese Lieferfirmen den Einzelhandel als Chance erkannt“, erklärt Ralph. „Dies ist ein Beispiel dafür, dass kurz- oder mittelfristige Erfolge auch langfristig lukrativ sein können.“ Es besteht also Einigkeit darüber, dass Essen zum Mitnehmen auch in schwierigen Zeiten großes Potenzial hat. Man kann zu relativ günstigen Preisen ein Wohlbefinden erzeugen, wie es nur wenige andere Branche können. „Der Kundenkontakt online und offline – oder sogar der Absatz über beide Kanäle – wird eine immer größere Rolle spielen“, so Rothwell. „Es ist eine einmalige Chance für die Branche, die Take-away-Konzepte voranzubringen.“

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