âIhr fehlt uns!â, titelte unlĂ€ngst die Allgemeine Hotel- und Gastronomiezeitung und zitiert Zahlen des DEHOGA Bundesverbandes, die die Personalnot im Gastgewerbe belegen: Zum Stichtag 30. September 2020 waren 2096724 Menschen in der Branche beschĂ€ftigt. Zum 30. 9. 19 waren es noch rund 325.000 mehr gewesen.
âEs ist eine Riesenherausforderung fĂŒr die Betriebe, geeignete Mitarbeiter zu findenâ, betont Guido Zöllick, PrĂ€sident des DEHOGA Bundesverbandes. Wie aus einer aktuellen DEHOGA-Umfrage hervorgeht, stellt der FachkrĂ€ftemangel fĂŒr fast 80 Prozent (79,6 %) der Betriebe ein Problem dar.
Eine weitere Krisenfolge ist ein massiver RĂŒckgang der Zahl neuer AusbildungsvertrĂ€ge. âBesonders deutlich gingen die NeuabschlĂŒsse im Gast- und Verkehrsgewerbe zurĂŒckâ, verdeutlicht Rotraud Kellers aus dem fĂŒr die Berufsbildungsstatistik zustĂ€ndigen Referat im Statistischen Bundesamt, das aktuelle Zahlen liefert. Die gröĂten RĂŒckgĂ€nge gab es 2020 im Vergleich zum Vorjahr demzufolge bei den Berufen Hotelfachmann/-frau (- 2.530, – 31,0 %), Koch/Köchin (- 1.540, – 19,8 %) und Tourismuskaufmann/-frau (- 990, – 61,1 %).
Vermisst: Work-Life-Balance
Auch in GroĂbritannien kĂ€mpfen Gastronomie und Hotellerie mit dem FachkrĂ€ftemangel. Aber eine Umfrage der Non-Profit-Organisation The Burnt Chef Project, die psychisch belastete Mitarbeiter der Branche unterstĂŒtzt, macht Hoffnung. Auf der Suche nach GrĂŒnden fĂŒr das Ausscheiden aus dem Sektor zeigte sich, dass 84 % der 2.311 im Juli 2021 Befragten noch stets fĂŒr die Branche tĂ€tig waren, und dass jeder Dritte, der jetzt anderswo arbeitete, in den nĂ€chsten zwölf Monaten wieder in den Hospitality-Sektor zurĂŒckkehren wollten. Andererseits plant jeder fĂŒnfte, in den nĂ€chsten zwölf Monaten die Branche zu verlassen, und 37 % sind schon auf dem Sprung. Als Hauptgrund fĂŒr die Unzufriedenheit wird die mangelnde Work-Life-Balance genannt.
Noch besorgniserregender ist die Lage in den USA. Allein im August kĂŒndigten fast sieben Prozent der Hospitality-BeschĂ€ftigten, meldet das Nachrichtenmagazin ntv. Dies fĂŒge sich in eine allgemeine KĂŒndigungswelle ungekannten AusmaĂes ein. âEs gibt stĂ€ndig gröĂere Bewegung, weil Arbeitnehmer sich trauen, ungeliebte Jobs zu verlassen. Die GrĂŒnde sind angestaute Unzufriedenheit wĂ€hrend der Pandemie, Wunsch nach gröĂerer FlexibilitĂ€t, fĂŒr manche erleichtert von Sozialleistungen der neuen Regierungâ, heiĂt es in dem Bericht.
Nochmal Gastgeber sein? No way!
Alarmierende Zahlen liefert eine Umfrage der Arbeitsvermittlungsplattform Joblist. Ein Drittel der Hospitality-BeschĂ€ftigten in den USA ist demzufolge unzufrieden mit dem Job â doppelt so viele wie vor Corona. 58 % der BeschĂ€ftigten wollen noch dieses Jahr kĂŒndigen, so die Studie. Und wer der Branche einmal den RĂŒcken gekehrt hat, kommt oft nicht mehr zurĂŒck. Hauptgrund, so Joblist, ist â wenig erstaunlich â die zu schlechte Bezahlung, dicht gefolgt von dem Wunsch, eine andere Karriere einschlagen zu wollen. Auch zu wenig Benefits, Arbeitszeiten und -dauer, schwierige GĂ€ste, das Corona-Risiko und die körperliche Anstrengung halten Menschen von der Branche fern.
Die Pandemie macht Mut zum Wechsel
Das zeigt: Der ĂŒberwiegende Teil der Kritikpunkte bestand schon vor der Krise und ist der Branche immanent. Aber die Pandemie hat BeschĂ€ftigten reichlich Impulse zur âAbstimmung mit den FĂŒĂenâ gegeben.
Nichts wie weg â wo AbtrĂŒnnige neue Jobs finden
Die Studie listet auch auf, wohin die enttĂ€uschten FachkrĂ€fte abwanderten: WĂ€hrend 16 % arbeitslos wurden, hatten die restlichen oft einen AuĂer-Haus-BĂŒrojob (17 %) oder eine Arbeit im Homeoffice (17 %) gefunden, 13 % gingen in die Industrie, 11 % in den Gesundheitssektor und sechs Prozent nahmen einen Job als Fahrer an.
Weltweit ist der FachkrĂ€ftemangel eines der drĂ€ngendsten Probleme fĂŒr Gastronomen. Das bestĂ€tigt jetzt eine aktuelle Studie, die der Kassenanbieter Lightspeed in sechs LĂ€ndern, darunter Deutschland, durchgefĂŒhrt hat.
Weltweite Flucht aus der Hospitality-Branche
Der âGlobal State of the Hospitality Industry Report 2021â ist eine internationale Umfrage, bei der 850 Restaurant-Verantwortliche aus den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich Deutschland, Frankreich und den Niederlanden befragt wurden. Ein Teil der Studie dreht sich auch um den Bereich Mitarbeiter und Personal. Die Ergebnisse zeichnen das Bild einer von der aktuellen Personalsituation zum Teil massiv beeintrĂ€chtigten Branche.
Dabei ist eines klar: Die Probleme bestehen nicht erst seit der Pandemie. âDass sie etwas gegen den Mangel an Personal unternehmen mĂŒssen, war den allermeisten Gastronomen hierzulande schon lange vor Corona klarâ, sagt dazu Christoph Becker, GeschĂ€ftsfĂŒhrer beim DEHOGA Nordrhein, anlĂ€sslich der Lightspeed-Studie. âDie Pandemie hat dazu gefĂŒhrt, dass sich das Thema noch weiter verschĂ€rft hat.â
In Deutschland sind die AnsprĂŒche der GĂ€ste eine gröĂere Herausforderung als der FachkrĂ€ftemangel
Gefragt nach der aktuell gröĂten Herausforderung landete das Thema Personal- und FachkrĂ€ftemangel in fast allen LĂ€ndern ganz vorne â mit Ausnahme von Deutschland. Hier wurde dieses Problem mit 22 % nur am dritthĂ€ufigsten genannt. Stattdessen sieht hierzulande mehr als jeder dritte Gastronom (35 %) die gestiegenen AnsprĂŒche der GĂ€ste als derzeit gröĂte Aufgabe â der höchste Wert in allen sechs LĂ€ndern â, gefolgt von steigenden Kosten fĂŒr Lebensmittel und Versorgung (23 %). Trotzdem: Die grassierende Personalnot ist auch fĂŒr das deutsche Gastgewerbe ein existenzbedrohendes Problem. So hatten 40 % der Gastgeber Probleme, ihre Mitarbeiter zu halten. AuĂerdem musste bereits ein Drittel der deutschen Betriebe mit weniger Personal auskommen als eigentlich vonnöten wĂ€re.
Keine Zeit also fĂŒr Entwarnung, weder in der deutschen Gastronomie noch im gesamten Hospitality-Sektor weltweit. Doch die Branche beweist einmal mehr ihre KreativitĂ€t und ihren Mut. Es gibt viele Wege aus der Krise. Aufgeben gilt nicht!