Das Gaststättengewerbe war von der Corona-Pandemie heftig erschüttert: Ständig waren die Betreiber gezwungen, sich an die geänderten Vorschriften anzupassen und ihr Angebot umzustellen, um die Marktschwankungen aufgrund der Lokalschließungen und der neuen explodierenden Nachfrage nach Lieferservice zu bewältigen. In der größten Pandemiewelle stieg die Zahl der virtuellen Küchen sprunghaft an, da klassische Restaurants nicht mehr ohne Weiteres betreten werden durften, und aufstrebende Lokale verlagerten ihren Service in Dark Kitchens, um der wachsenden Nachfrage Herr zu werden.
KTCHNrebel traf sich mit den beiden Experten Karen Malody FCSI, Gründerin und Präsidentin des Gastronomieberatungsunternehmens Culinary Options, und Stephan Leuschner von Rational, Leiter für Industry Management QSR Ghost Kitchens, um über die aktuellen Trends in der virtuellen Gastronomie, das Engagement von internationalen Prominenten und die Zukunftsaussichten der Branche für das Jahr 2022 zu diskutieren.
Die virtuelle Zukunft
Auf Englisch heißen sie dark kitchen, cloud kitchen oder ghost kitchen, bei uns sind sie auch als virtuelle Küchen bekannt – spezielle Gastronomiebetriebe, die ausschließlich für den Liefer- oder Mitnahmeservice produzieren. Häufig befinden sie sich in Gewerbekomplexen mit niedrigen Mieten oder sind strategisch günstig in Stadtzentren gelegen, denn dort lassen sich die Speisen schneller an einen größeren Kundenstamm ausliefern und zugleich die Kosten niedrig halten. Anders als herkömmliche Restaurants mit einer festgelegten Speisekarte können virtuelle Küchen aufgrund ihrer optimierten, auf Lieferservice ausgerichteten Arbeitsweise Produkte verschiedener Marken an einem Ort zubereiten.
Die Betreiber sollten die neusten kulinarischen Entwicklungen immer aufmerksam beobachten, um ihr Angebot zukunftssicher zu machen – und so ihr Geschäft insgesamt voranzubringen und immer auf dem Laufenden zu bleiben. „Man braucht flexible Werkzeuge und Arbeitsabläufe, denn die Marken unter dem Dach eines virtuellen Restaurants können sich über Nacht ändern. Der Einsatz entsprechender Geräte und optimierter Arbeitsabläufe sind daher die nächsten anstehenden Aufgaben für die Branche“, so Leuschner.
Unternehmen mit prominenter Unterstützung
Da virtuelle Restaurants auf kein vollwertiges Lokal mit Außenfront und Gastraum angewiesen sind, können sie in günstigen Gebäuden arbeiten und zudem mit geringem finanziellen Aufwand mehrere Betriebe an verschiedenen Standorten eröffnen. Das macht sie als Investition besonders interessant.
Eines der jüngsten Beispiele im aufstrebenden Universum der virtuellen Restaurants kommt von Virtual Hero in Zusammenarbeit mit dem YouTube-Kollektiv The Sidemen (bestehend aus den sieben Freunden KSI, Miniminter, Zerkaa, Behzinga, Vikkstar123, TBJZL und W2S, die Videos auf dem Online-Kanal veröffentlichen). Die Sidemen, bekannt für ihre kreativen Beiträge, Kochwettbewerbe und Kritiken, wollen nun ihren wohldosierten Charme in ihr virtuelles Brathähnchen-Projekt einbringen.
Aus dem „The Sides“-Menü können die Kunden ihr „Fleisch“ aus echtem Hühnchen oder in einer veganen Variante wählen und dazu mit einer Vielzahl von Toppings, Beilagen und Soßen kombinieren, sodass jeder seinen ganz individuellen Mix kreieren kann.
Kein Wunder also, dass die jungen Unternehmer bei weltweit 84,5 Millionen YouTube-Abonnenten (Tendenz steigend) ihre Marke auch bald in London und den Vereinigten Arabischen Emiraten einführen und bis Ende 2022 weltweit 200 Standorte eröffnen wollen. Mit der Unterstützung von Virtual Hero, einem Tochterunternehmen von Hero Brands, dem beliebte Fast-Casual-Ketten wie German Doner Kebab und Island Poké angehören, ist Sides die neueste Megamarke in der Cloud-Kitchen-Szene und geht über die Community-Schnittstellen von REEF an mehreren Standorten gleichzeitig an den Start.
Geflügeltes Megaprojekt
Dass Prominente in Gastronomiebetriebe investieren, ist mittlerweile kein neues Phänomen mehr. Viele bekannte Größen insbesondere aus dem Musikbusiness haben bereits Investitionen in Immobilien gewagt und zahlreiche gastronomische Projekte ins Leben gerufen, wie z. B. 2 Chainz mit seinem Atlanta Seafood Restaurant oder Ludacris mit Chicken + Beer. Mit Grammy-Preisträger und Plattenproduzent DJ Khaled will nun ein weiterer R&B-Künstler sein Foodservice-Imperium aufziehen.
Am 11. November wird die Geflügelkette Another Wing international auf drei Kontinenten, in fünf Ländern und 18 US-Bundesstaaten mit über 150 Standorten eröffnet. Erstmals in der Geschichte wird dabei ein Restaurantkonzept auf drei Kontinenten gleichzeitig eingeführt. Bei Another Wing gibt es Hähnchenflügel mit und ohne Knochen in sieben Geschmacksrichtungen, wie z. B. Un Un Un Believable Buffalo oder You Loyal! Lemon Pepper, bei dem die Kunden à la carte bestellen oder aus mehreren Gerichten kombinieren können.
Dem weltweiten Unterfangen von DJ Khaled prophezeit Malodys in dem zunehmend gesättigten Markt dennoch Erfolg, denn „mit seinem Bekanntheitsgrad hat DJ Khaled anderen virtuellen Restaurants etwas voraus – die Marke ist er selber.“ Die Melange aus DJ Khaleds kultiger Fangemeinde und REEF, dem am schnellsten wachsenden internationalen Lieferservice-Verbund der Welt, konnte zu einer unaufhaltsamen weltweiten Größe in der Foodservice-Branche aufsteigen.
„Mit der gleichzeitigen Eröffnung auf drei Kontinenten an 165 Standorten hat REEF der ganzen Welt gezeigt, wie Marken es mithilfe unserer Plattform schaffen können, in beispielloser Geschwindigkeit und bei minimalem Kapitaleinsatz groß rauszukommen. Wir von REEF verbinden wirklich die Welt mit Ihrer nächsten Umgebung“, meint Alan Philips, Chief Creative Officer von REEF.
Trends und Prognosen
Virtuelle Restaurants entwickeln sich ständig weiter, passen ihr Geschäftsmodell an und arbeiten an der Feinabstimmung. Da die Betriebe immer noch mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben, werden sie auch weiter zunehmend von Lieferservice-Marken abhängig sein. Um diesen wachsenden Anforderungen standhalten zu können, „werden sich neue Lebensmittelverpackungen exponentiell schnell entwickeln“, so Malody. „Virtuelle Restaurants müssen stets für sich definieren, wie sie das Kundenerlebnis gestalten wollen. Die Frage, wie die Lebensmittel verpackt werden, spielt dabei eine große Rolle. Entscheidend ist, dass die Qualität der Lebensmittel nicht unter dem Transport leidet.“
Die aufkommende Automatisierung und die Entwicklung der Servicerobotik wird der prägende Trend in der Branche in den Jahren nach 2022. „Es würde mich nicht wundern, wenn die Marken nach und nach auf automatisierten Lieferservice per Roboter oder selbstfahrende Autos umstellen“, meint Malody, doch solche Entwicklungen sind immer noch Zukunftsmusik.
„Robotik ist das große Thema der Zukunft, aber 2022 wird es sicher noch keine große Rolle spielen“, so Leuschner. „Automatisierungslösungen werden erst schrittweise in der Gastronomie eingeführt. Zunächst wird das Verpacken und Sortieren automatisiert, um Arbeit in der Küche einzusparen. In den kommenden Jahren werden sich auch immer mehr vollautomatische Küchen allgemein durchsetzen.“