Die Hauptakteure der sorgsam komponierten Gänge sind: Wels, nach peruanischer Art in Asche gegart, Aal in brasilianischem Moqueca oder von Trüffel begleiteter Stör – Fisch ist im Michelin-dekorierten Gourmet-Tempel allgegenwärtig. Doch was hier fangfrisch seinen Weg auf kunstvolles Essgeschirr findet, ist nicht nur eine kulinarische Besonderheit – denn keiner der Fische hat je das naheliegende Meer gesehen.
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Aquaponik – Mit allen Wassern gewaschen
Das Sollo ist unweit von Malaga ein bislang einzigartiges Konzept und Schauplatz einer kleinen Food-Revolution. Bereits jetzt entstammen das gereichte Gemüse und die servierten Süßwasserfische fast gänzlich der eigenen Aufzucht. Das große Ziel: die Produktion vollständig autark gestalten.
Möglich macht dies ein hoteleigenes Gewächshaus, in dem eine integrierte Aquaponik-Anlage seit mehreren Jahren zeigt, wie gut Salat und Fisch auch außerhalb der Küche zusammenpassen. Was für uns ein neuer Trend ist, stand schon bei den Mayas hoch im Kurs: Der Zusammenschluss von Forelle und Feldsalat, von Wels und Wirsing. Die Aquaponik verbindet Fischzucht in Aquakultur mit der Hydroponik, der erdfreien Pflanzenzucht, zu einem geschlossenen Kreislauf, in dem Genuss und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen.
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Wenig romantisch, dafür umso effizienter ist die Technik, die Tomatenpflanzen dort zur Decke ranken lässt, wo Barsche im Wasser blubbern.
Der Kreislauf nimmt sein Anfang mit den Ausscheidungen der Fische. Das darin enthaltene hochgiftige Ammoniak wird mit Hilfe spezieller Bakterien in Nitrat umgewandelt. Dem Wasser als Dünger beigesetzt, umspielt der nährstoffreiche Cocktail im zweiten Becken die Wurzeln der üppig gedeihenden Pflanzen. Im Gegenzug reinigen diese durch die Absorption das Wasser, welches zu den Fischen zurückgepumpt werden kann. In diesem stetigen Kreislauf wachsen die Pflanzen schneller, auf kleinerer Fläche und mit geringerem Wasserverbrauch. Und während für ein Kilo Fisch in herkömmlicher Aufzucht rund 100 Kubikmeter Wasser benötigt werden, kommt der Aquaponik-Kreislauf auf etwa sieben Kubikmeter.
Die einzigen Verluste entstehen durch Verdunstung, den Fang der Fische sowie bei der Reinigung der Filtersysteme. Kurz gesagt: Mit etwas Glück schwimmt nicht weniger als die Zukunft der Fischproduktion in den mannshohen Bassins.
Nachhaltig im Trüben fischen
Überfischte Meere, Aquafarmen, die als Dreckschleudern der Nahrungsmittelherstellung gelten und Medikamente, die eimerweise im Zuchtbecken landen: Die Fischproduktion ist in ihrer heutigen Form bekanntermaßen alles andere als umweltfreundlich oder nachhaltig. Wie dringend der Nahrungsmittelsektor neue Methoden benötigt, wird spätestens mit einem kurzen Seitenblick auf die wachsende Weltbevölkerung klar, die einer umfassenden Abnahme der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen gegenübersteht. Rund 7,5 Milliarden Menschen gilt es heute weltweit zu ernähren, in 30 Jahren sollen es nahezu 9,8 Milliarden sein. Eine Mammutaufgabe, in der Aquaponik ein Teil der Lösung sein könnte – sowohl für mehr Lebensmittelsicherheit als auch für die Probleme dieses am schnellsten wachsenden Sektors tierischer Nahrung.
Neben den ökologischen Benefits der nahezu emissionsfreien Aufzucht können auch naturbedingte Schwankungen ausgeklammert werden: Regen oder Trockenheit, Sonnenstunden und Temperatur. Genau die Faktoren, die in Landwirtschaft und Fischzucht zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten bei Ernte und Zuchterfolg führen, sind in aquaponischen Anlagen minutiös planbar.
Von Kartoffeln, Möhren und dem meisten anderen Wurzelgemüse abgesehen steht die Aquaponik jedem Gemüse offen und kann ganzjährig betrieben werden. Zur Zucht schuppiger Mitbewohner eignen sich jedoch nur Süßwasserfische. Ein weiteres Manko: Auf Bio-Siegel müssen die Produkte der symbiotischen Fisch-Pflanze-Liasion in der EU zunächst verzichten. Laut EU-Regelung darf Bio-Gemüse nur im Erdreich gedeihen. In den Vereinigten Staaten hingegen, dem globalen Marktführer im Aquaponik-Business, arbeiten die Betriebe inzwischen nicht nur wirtschaftlich rentabel, sondern auch mit Bio-Zertifizierung.
Nie war Fisch auf dem Tisch so frisch
Frischer Tilapia, nur wenige Stunden nach seinem Fang als zartes Filet serviert: Ein Bild, das eher zum Strandurlaub als zu einem alten Fabrikgelände passt. Doch mitten in Berlin-Schöneberg züchtet ECF Farmsystems den als Hauptstadt-Barsch vermarkteten Fisch nachhaltig und frei von Gentechnik und Antibiotika. Rund 20 Tonnen Fisch wachsen hier an der Seite von Basilikum im daneben gelegenen Gewächshaus heran. Ausgewachsen macht sich der aquaponische Leckerbissen auf seinen kurzen Transportweg in ausgewählte Supermärkte und Gastronomien. Ob à point gebraten oder im heißen Rauch des Smokers vollendet – der ECF-Rosébarsch überzeugt kulinarisch wie ökologisch.
Das Berliner Unternehmen ECF ist dabei in guter Gesellschaft. Am Müggelsee im Südosten der Stadt arbeiten die Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei an ihrem aquaponischen „Tomatenfisch“. Inzwischen erproben hier Experten aus Deutschland, Spanien, Belgien und China das Verfahren im größeren Maßstab.
Mit dem Start-Up Blün kann sich seit Oktober 2016 auch Österreich einer Aquaponik-Anlage erfreuen. Die Pariser Bürgermeisterin wünscht sich eine Farm nach ECF-Vorbild, Interesse wird auch am albanisch-mazedonischen Ohrid-See laut: Hier soll Aquaponik eine bedrohte Forellen-Art schützen. Längst schlägt er nicht mehr nur hier Wellen – der Fisch aus der Pflanzen-WG.
Gastronomisches Potenzial von Aal bis Zuchtkarpfen
Für die Gastronomie funktioniert der Aquaponik-Fisch, weil er so nah am Zeitgeist schwimmt. Was auf den Teller kommt soll fangfrisch sein, auf lange Kühlketten oder Transportwege verzichten und einem verstärkten Umweltbewusstsein entsprechen. Die Realität sieht heute aber noch anders aus: Rund ein Drittel der Speisefische kommt aus Zuchtanlagen, die aufsteigende Nachfrage mit überfüllten Becken reagieren, in denen mehr Antibiotika als gesunde Fische treiben. Am Märchen vom frischen Fisch, der gerade noch im Bächlein tummelte, zweifeln inzwischen auch die Verbraucher. Ihrem Wunsch nach nachhaltigen und regionalen Produkten zu entsprechen, wird angesichts von Globalisierung und Rohstoffknappheit zur Herausforderung.
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Gemüse und Fisch aus aquaponischer Produktion bietet die ressourceneffiziente Flucht nach vorn. Hohe Ansprüche an die Produkte dienen zunehmend als Alleinstellungsmerkmal und sind Teil des gastronomischen Storytellings. Ein Blick auf die wachsende Palette vertretbarer Lebensmittel zeigt: Dieses Verlangen hallt inzwischen auch in Industrie und Handel nach. Überfischung, Klimawandel und medikamentös servierter Fisch können heute nur noch schwer überzeugen – verzichten wollen Konsumenten aber dennoch nicht. Da wird der Großstadt-Barsch aus einem Start-Up der Hipster-Hauptstadt zum Hoffnungsträger. Dazu empfehlen wir heute Gemüse – das am besten nah am Wasser gebaut ist.
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