Ihr Browser ist veraltet. Es kann sein, dass nicht alle Funktionen dieser Websites angezeigt werden. Wir empfehlen, einen dieser Browser oder Versionen zu verwenden Mozila Firefox oder Google Chrome

Connect
To Top

Der Appetit nach Veränderung

Von: Lesezeit: 4 Minuten
Vorheriger Artikel Pilzkunde: Die Totentrompete

„Was gut für den Planeten ist, ist auch gut für uns“ – lautet ein Motto, das der veganen Ernährung entscheidenden Auftrieb verleiht. Doch ist diese Bewegung auch nachhaltig oder wieder nur eine vorübergehende Modeerscheinung?

Kürzlich verkündete der Schweizer Starkoch Daniel Humm auf Twitter die lang ersehnte Botschaft, dass das renommierte New Yorker Restaurant „Eleven Madison Park“ im Juni wiedereröffnen würde. Das Überraschende daran war jedoch eine Zusatznotiz. „Wenn das Eleven Madison Park im Juni wiedereröffnet, wird Daniel Humm eine rein vegane Speisekarte ganz ohne Fleisch präsentieren“, hieß es dort. Kommt diese Ankündigung wirklich so überraschend?
Der Trend zur veganen Ernährung hat sich in den letzten Jahren unübersehbar beschleunigt. Der Bericht über die vegane Lebensmittelbranche von Smart Protein, der auf Scanning-Daten von Nielsen MarketTrack basiert, zeichnet die Entwicklung in 11 europäischen Länder in den letzten drei Jahren nach und liefert den bislang umfangreichsten und genauesten Überblick über die Verbrauchergewohnheiten in diesem Bereich. Dem Bericht zufolge ist der Verbrauch von pflanzlichen Produkten seit 2018 europaweit um 49 % gestiegen.

Der Konsum von pflanzlichen Produkten ist seit 2018 europaweit um 49 % gestiegen.

Image: AdobeStock | dusk

Bewährte Zutaten, neue Herangehensweisen

Solche Zahlen sind ein deutlicher Aufruf an alle Köche und Betreiber, sich ernsthaft mit dem Thema zu befassen und auf diesen Markt zuzugehen. Daniel Humm hat dies bereits beherzigt und ist dem Ruf gefolgt. So schreibt er auf der Website von Eleven Madison Park: „Uns war bewusst, dass wir das Restaurant nach all dem, was uns im letzten Jahr widerfahren ist, nicht in gleicher Weise weiter betreiben konnten.“ Daher möchte ich Ihnen heute gerne mitteilen, dass wir uns dazu entschieden haben, eine vegane Speisekarte ganz ohne tierische Produkte zu erstellen: Jedes Gericht wird aus Gemüse – ob aus dem Landbau oder aus dem Meer – sowie aus Früchten, Hülsenfrüchten, Pilzen, Getreide und vielen anderen Zutaten zubereitet.
Wir haben unermüdlich daran gearbeitet, um ganz in diese Art des Kochens einzutauchen. Es war eine fantastische Reise und eine unvergleichlich lehrreiche Zeit für mich. Wir arbeiten auch weiterhin mit lokalen Erzeugern, zu denen wir eine enge Beziehung pflegen, und mit bewährten Zutaten, doch uns ist es gelungen, sie auf neue Weise zuzubereiten und zum Leben zu erwecken.“
Laut der Nielsen-Umfrage springen auch internationale Großkonzerne wie Unilever und IKEA auf den veganen Zug auf. So hat sich Unilever zum Ziel gesetzt, in den nächsten fünf bis sieben Jahre weltweit 1,2 Milliarden US-Dollar Umsatz mit pflanzlichen Fleisch- und Milchprodukten zu erzielen. Und IKEA will bis 2025 zu etwa 50 % vegane Gerichte in seinen Restaurants anbieten.

Andere Länder, andere Aromen

Ende April haben zwei Schweizer Unternehmen – der Duft- und Geschmackstoffhersteller Givaudan sowie der Anlagenbauer Bühler – in Singapur ein Protein-Innovationszentrum für den Asien-Pazifik-Raum eröffnet. Ihr Ziel ist es, pflanzliche Lebensmittel speziell für den kulinarischen Geschmack in Asien zu kreieren und zu entwickeln. Die Region ist offensichtlich zunehmend ein Hotspot für Fleischalternativen, denn auch der internationale Lebensmittel- und Aromenkonzern ADM hat kürzlich sein neues Innovationslabor für pflanzliche Produkte im Biotech-Zentrum Biopolis in Singapur eröffnet.

Wie wird wohl ein veganer Burger schmecken? pflanzlich, Fleischersatz

Burger patty Fleischersatz | Image: Beyond Meat

Laut dem Nielsen-Bericht ist Großbritannien der größte Markt in Europa für pflanzliche Fleischprodukte mit einem Umsatz von 502 Mio. Euro – ein Wachstum von 36 % seit 2018. Als aber im Mai die Aktien von Beyond Meat, dem 2009 in Los Angeles gegründeten Hersteller von veganen Fleischersatzprodukten, in den Keller rauschten, kam die Frage auf: Ist diese Bewegung nachhaltig oder doch nur eine vorübergehende Modeerscheinung?

Das Erlebnis rückt in den Fokus

Mark Dempsey, Global Consulting Director beim Datenanalyse- und Beratungsunternehmen GlobalData, geht fest davon aus, dass der Trend zu veganen Lebensmitteln von nachhaltiger Natur ist. Für ihn gibt es drei Gründe, weshalb er sich schon bald bei den Verbrauchern dauerhaft etablieren wird. Zum einen spielen ethische Aspekte eine Rolle. Die Verbraucher haben das Bedürfnis, etwas Gutes für die Welt und ihre Mitmenschen zu tun. Zudem kommt es dem Trend zum Flexitarismus entgegen. Denn wenn vegane, fleischfreie Produkte immer mehr verfügbar sind, fällt auch Nicht-Veganern die Auswahl leichter. Und nicht zuletzt achten die Verbraucher heutzutage sehr auf gesunde und verträgliche Angebote. Vegane Lebensmittel bieten eine gesündere Alternative zu Fleischprodukten und sind heute besser als vor 20 Jahren, als vor allem mit Sojaprodukten versucht wurde, Fleisch nachzuahmen oder zu ersetzen. Wie die Untersuchung von GlobalData zeigt, achten die Verbraucher mittlerweile um 42 % mehr auf ethische Aspekte bzw. um 76 % mehr auf ihre Gesundheit als noch vor vier Jahren. „Dass  Nuggets möglichst echt nach Hühnchen aussehen, ist heute nicht mehr das Entscheidende – es geht um ein eigenständiges Erlebnis“, so Dempsey. „Die vegane Branche in der Foodservice-Welt ist weniger darauf aus, nur fleischlose Imitate herzustellen, sondern möchte etwas Neues schaffen, ein Erlebnis rund um Gemüse und pflanzliche Produkte.“ Für Dempsey ist ein breites veganes Angebot zudem auch bestens dazu geeignet, die eigene Marke weiterzubringen. „Wenn man als Café in einer belebten Einkaufsstraße ein rein veganes Erlebnis bietet, hebt man sich von allen anderen Ketten ab.“

Die vegane Branche in der Foodservice-Welt konzentriert sich jetzt weniger darauf, eine fleischlose Nachahmung anzubieten, sondern mehr darauf, etwas Neues zu schaffen.

Image: Impossible Foods

Flexibilität ist weiterhin gefragt

Der Foodservice-Berater Chris Stern FCSI, Geschäftsführer von Stern Consultancy in Großbritannien, rät seinen Kunden, sich auf diesen Markt einzustellen. „Wir empfehlen unseren Kunden immer, das Speiseangebot mit ihrem Caterer so zu überarbeiten, dass ein ausgewogenes Verhältnis aus Fleisch, Fisch und vegetarischen Speisen entsteht, sodass für alle Gäste etwas dabei ist.
Man darf von seinem Caterer erwarten, dass er in jeder Kategorie eine leckere Auswahl bietet, damit sowohl Fleischliebhaber, als auch Vegetarier oder Veganer und nicht zuletzt die Flexitarier auf ihre Kosten kommen“, so Stern. „Man muss die Menschen auch unterstützen, ihre Präferenzen zu finden, insofern sind klare und ansprechende Angaben bzw. Kennzeichnungen unerlässlich. Die Gewerbe- und Industrie-Caterer sollten daher mit geeigneten Mitteln dafür sorgen, dass sie nicht nur den Interessenten veganer Ernährung entgegenkommen, sondern auch denjenigen, die auf Ernährungsangaben oder sonstige Präferenzen achten.“ In einem Punkt ist man sich auf jeden Fall einig: Die vegane Ernährungsweise ist mittlerweile auf der ganzen Welt angekommen. Für viele in der globalen Community ist veganes Essen aber mehr eine Lebenseinstellung als eine Frage von Lifestyle. „Die Argumente für eine vegane Ernährung liegen auf der Hand, und viele wollen von sich aus weniger Fleisch essen“, so Stern. „Offensichtlich lässt das Bedürfnis nach, sich auf die eine oder andere Sache festzulegen, und wir sind in unserer Ernährungsweise so flexibel wie eh und je, lassen aber unsere Erkenntnisse einfließen – was gut für uns und den Planeten ist. Würde sich die Untersuchung aber auf weniger hoch entwickelte Gesellschaften beziehen, wo es vor allem darum geht, ausreichend zum Essen zu haben, wäre ein größeres Angebot veganer Lebensmittel vermutlich nur dadurch begründet, dass sie leichter verfügbar und erschwinglicher sind.“

Die vegane Branche in der Foodservice-Welt konzentriert sich darauf, etwas Neues zu schaffen.

Image: Shutterstock | Valentina_G

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Food Management