Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kündigte unlängst an, 10.000 Mitarbeiter in Europa einstellen zu wollen, um ein neues Projekt für künstliche Intelligenz (KI) aufzubauen: das Metaversum. Diese Wortneuschöpfung steht für eine grenzenlose digitale 3D-Welt, in die man mithilfe eines Virtual-Reality-Headsets (VR) eintauchen kann, um z. B. ein Konzert zu erleben, im Park spazieren zu gehen oder sogar ein Restaurant zu besuchen.
Das Konzept, schon 1992 von Neal Stephenson für die Science-Fiction-Welt seines Romans Snow Crash entworfen, hat nun Zuckerberg aufgegriffen, um die künftigen Geschicke seines billionenschweren Unternehmens mit der Errichtung eines Metaversum zu verknüpfen, das ebenso einfach zugänglich ist wie das Internet. Mit der Umbenennung von Facebook in Meta hat er den ersten Schritt in seine KI-Zukunft vollzogen und zugleich der Wirtschaftswelt signalisiert: Macht euch bereit für diese neue virtuelle Landschaft – oder ihr bleibt abgehängt in der realen Welt zurück.
Sollte sich das Metaversum als so erfolgreich bewähren, wie Zuckerberg prophezeit, wird es allen Branchen Chancen bieten – auch der Gastronomie.
KTCHNrebel traf sich mit Joseph Schumaker FCSI, Präsident und CEO der jungen Gastronomieberatungsfirma FoodSpace, und FCSI-Partner Jay Bandy, Präsident der Goliath ConsultingGroup mit Sitz in Atlanta. Die beiden Berater sind bestens für die Praxis der künstlichen Zukunft in die Gastronomie gerüstet und erörtern nun, wie sich das Metaversum auf die Gastro-Branche auswirken wird und wie die Beteiligten von dem allerneuesten Trend profitieren können.
Die Welt der Gastronomie im Metaversum
Auch wenn das Metaversum in letzter Zeit hohe Wellen schlägt, ist das Konzept nach wie vor nicht einheitlich definiert. Und wie sich diese futuristische Idee auf die realen Unternehmen auswirken wird, lässt sich schwer bemessen. „Es ist sicherlich noch etwas früh um abzuschätzen, wie schnell sich das in der Gastronomie im Allgemeinen niederschlägt“, meint Schumaker, der auch Vorsitzender des Technologiekomitees der FCSI-Abteilung The Americas ist.
Beide Experten sind jedoch gleichermaßen der Ansicht, dass das Metaversum in Sachen Marketing eine Vielzahl an Möglichkeiten eröffnet, die vorausschauende Gastronomen bald nutzen sollten. „Als erstes sollte man sich mit den Werbemöglichkeiten befassen. Gezielte, clevere Werbung wird den Unterschied machen“, so Schumaker.
„Wir wollen unsere Betreiber immer über Trends auf dem Laufenden zu halten. Derzeit gibt es so viele technologische Neuerungen, da ist das Metaversum nur ein Teil des großen Ganzen. Im Marketingbereich bietet das Metaversum in meinen Augen riesige Chancen. Wenn potenzielle Gäste einen Blick auf die Speisekarte werfen können und sehen, wie die Speisen und Getränke in virtueller Umgebung tatsächlich aussehen, hat das immensen Einfluss auf das Restauranterlebnis“, meint Bandy.
Die Realität des virtuellen Restaurantbesuchs
Man sollte praktisch alles, was in einem Restaurant passiert, im Metaversum nachbilden oder verbessern können“, so Bandy. Die nächste Generation von Gästen kann dann in so einer Augmented-Reality-Welt ein Lokal betreten, einen Tisch auswählen, Essen bestellen und am Ende bezahlen – ein bisschen wie in einem Videospiel. „Das Bezahlen wird im Metaversum ebenfalls einfach, z. B. per Google Wallet oder Apple Pay als Teil des Erlebnisses“, fügt er hinzu.
„In Restaurants muss oft ein Balanceakt zwischen Erlebnis und Bequemlichkeit gemeistert werden. Im Metaversum werden diese beiden Gegenpole ideal miteinander vereint. Die Kunden können sich ihr Essen ansehen und bestellen, ohne das Haus zu verlassen, und haben trotzdem das Gefühl, als würden sie mit Freunden zum Essen ausgehen“, erklärt Schumaker.
Völlig ungewiss bleibt dagegen, wie so ein typisches „kleines Bistro um die Ecke“ diese enormen technologischen Umwälzungen und die damit verbundenen Kosten stemmen wird. „Ich befürchte vor allem, dass das Metaversum dann die großen Gastronomieketten begünstigt, die über riesige kreative und technische Mittel verfügen. Einige selbstständige Betreiber könnten vom Metaversum ausgegrenzt werden“, sagt Bandy.
Expandierende Märkte
Die virtuellen Ghost Kitchens oder Cloud Kitchens – ursprünglich entstanden als Reaktion auf die gestiegenen Nachfrage nach Lieferangeboten – sind in der Food-Branche aktuell im Aufwind und verzeichnen seit der Corona-Pandemie exponentielles Wachstum. Virtuelle Küchen sind sowohl für Selbstständige als auch für Ketten eine erschwingliche Alternative und ermöglichen es den Betreibern, die Bestellungen in kleinen Standorten schnell umzusetzen und auszuliefern und zugleich die Einrichtungs-, Betriebs- und Lohnkosten zu senken.
„Den virtuellen Küchen kommt das Metaversum zugute. Wenn Restaurants ihr Angebot mit ganz anderen Mitteln bewerben können, z. B. mit virtuellen Speisekarten, wird das den Mikrotrend der Ghost Kitchens weiter beflügeln“, ist Schumaker überzeugt.
Mit dem Aufstieg des Metaversums wird sich u. a. die Lücke zwischen virtuellen Küchen und herkömmlichen Restaurants durch den engeren Kundenkontakt schließen, sodass virtuelle Küchen letztlich als attraktivere Option angenommen werden. „Die Ghost Kitchens verlieren dann ihr Geisterimage“, sagt Bandy. Im Metaversum „wird der Gast in der Lage sein, durch direkte Verbindung zu erleben, wie und in welcher Umgebung sein Essen zubereitet wird, statt nur eine anonyme Verpackung geliefert zu bekommen.“
Das aufkommende Metaversum wird sich in den einzelnen Gastronomiebereichen unterschiedlich auswirken – einigen wird es Wachstum bescheren, andere wiederum werden sich stärker ins Zeug legen müssen, um mit der virtuellen Realität Schritt zu halten. „Catering und Großveranstaltungen werden am stärksten vom Metaversum profitieren, auch wenn die Menschen ihr Essen bei diesen Veranstaltungen auf ganz andere Weise genießen werden. Der virtuelle Besuch eines Baseballspiels bringt ein völlig anderes Gastronomieerlebnis. Betreiber und Veranstaltungsorte werden sich darauf einstellen und neue Dienstleistungen anbieten müssen“, so Schumaker.
Sind reale Restaurants ein Relikt der Vergangenheit?
Die meisten von uns verbringen gern Zeit mit Freunden in einem Restaurant oder auf großen Events mit Catering, um die Atmosphäre in der realen Welt zu genießen. Diese Realität wird vom Metaversum nicht bedroht. Foodservice-Anbieter werden auch künftig parallel zu den Marketingmöglichkeiten des Metaversums diese einzigartigen wirklichen Erfahrungen erzeugen können.