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No pictures, please! Wie finden Influencer eigentlich Fotoverbote in Sternerestaurants?

Von: Lesezeit: 5 Minuten

Fotoverbote in Restaurants können viele Gäste verärgern. Aber warum entscheiden sich Gastronomen dafür? Und was bedeutet das für hauptberufliche Food-Influencer, die ohne ihr Handy nicht essen gehen?

Ingo Hettig greift zuerst zum Smartphone – und erst dann zur Gabel. Aus Prinzip. Und auch, um die Erwartung des Sternerestaurants zu erfüllen, in dem er gerade sitzt. Vom Küchenchef über die Service-Leiterin bis hin zum Jungsommelier weiß jeder: Hier sitzt ein Food-Influencer am Tisch, der über 80.000 Follower allein auf Instagram hat. Was er da auf unzähligen Fotos und Videos festhält, das sehen so gut wie alle internationalen Foodies, die in der Welt der Spitzengastronomie etwas zu sagen haben. Und auch Menschen, die durch Influencer wie ihn zu zukünftigen Gästen werden könnten.

Ingo Hettig und sein Handy formen eine mächtige Einheit. Eine, die viele Restaurants mit offenen Armen empfangen – und sich gerne auch etwas kosten lassen. Schließlich ist Sichtbarkeit in Zeiten von Social Media das A und O, um erfolgreich zu sein. Oder?

 

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Die kurze Antwort lautet: Ja. Die lange: Nun ja. Es gibt auch Restaurants, die Fotos und Videos verbieten. Und zwar sehr, sehr erfolgreiche. Sie sind mitunter so gehypt, dass auch Food-Influencer wie Ingo Hettig dort essen gehen wollen. Und müssen. Weil man als Sterne-Esser von Welt eben einfach dort gewesen sein muss. Warum aber entscheiden sich Sternerestaurants für Fotoverbote? Wie ziehen sie diese auch tatsächlich durch? Und wie gehen Food-Influencer damit um?

Brutal lokal – und analog

„Für uns war von Anfang an klar: keine Fotos, keine Videos“, sagt Billy Wagner. Sein Berliner Restaurant Nobelhart & Schmutzig eröffnete 2015 und gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten Restaurants Deutschlands. Als „politischstes Restaurant“ des Landes bezeichnet Wagner seinen Betrieb. „Brutal lokal“ lautet das Motto, mit dem in den letzten Jahren bewiesen wurde, dass große Küchenkunst durchaus nachhaltig sein kann – und ganz ohne die üblichen Luxusprodukte wie Stopfleber, Hummer oder Kaviar auskommt. Das macht das Nobelhart & Schmutzig neuerdings zum international bestbewerteten Restaurant Deutschlands: Ein Michelin-Stern, ein grüner Stern und Platz 17 im prestigeträchtigen Ranking der World’s 50 Best Restaurants sind nur einige der Auszeichnungen, die internationale Foodies auf den Plan rufen. Warum also das Foto- und Videoverbot?

 

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Billy Wagner nennt zwei Gründe: „Einerseits ging es mir um die analoge Aufmerksamkeit, die ja einen Restaurantbesuch erst wirklich ausmacht. Riechen, schmecken, fühlen, sehen. Wir merken alle mehr denn je, wie stark Smartphones, die ständig an unseren Körpern kleben, jeden Bereich unseres Lebens beeinflussen. Natürlich gehört es auch zum heutigen Leben dazu und macht vieles einfacher, das ist mir durchaus bewusst. Aber gerade deswegen braucht es auch Momente, in denen man es ganz bewusst auf die Seite legt.“

Als zweiten Grund führt Wagner das Thema der Privatsphäre an. „Mir ging es auch darum, dass die Gäste sich hier völlig frei fühlen können, auch frei von Überwachung. Nicht jeder möchte auf dem Foto oder Video seines Tischnachbarn, den er noch nie gesehen hat, erscheinen. Und auch ich möchte nicht auf 50 Fotos am Tag sein, die dann irgendwo gepostet werden.“ Und was, wenn Gäste doch ihr Telefon zücken?

Können Sie das bitte wegmachen?

Gegen das Handy an sich hat Wagner nichts. „Wir nehmen den Gästen das Handy ja nicht beim Betreten des Restaurants ab“, erklärt er. „Und wenn jemand seinem Gesprächspartner irgendetwas auf seinem Handy zeigen will, dann kann er oder sie das ja machen. Genauso habe ich nichts dagegen, wenn jemand die Weinflasche, die ihm schmeckt, kurz abfotografiert, um sie sich zu merken, oder die Platte, die gerade läuft, weil ihm die Musik gefällt. Wenn es halt unbedingt sein muss. Aber eigentlich sind wir Orte, an denen Menschen zusammenkommen, um miteinander zu sprechen, um gut zu essen und zu trinken. Und da stört ein Handy einfach. Deswegen machen wir die Leute auf unsere Policy bei jeder Gelegenheit im Vorfeld aufmerksam: auf der Homepage, auf der Reservierungsbestätigung, beim Eintritt, auf der Karte.“

Billy Wagner hat in seinem Restaurant ein Fotoverbot

Image: Nobelhart & Schmutzig

Da Wagners Rolle als Gastgeber nicht der eines Überwachers entspricht, kommt es immer wieder vor, dass Gäste trotz allem Fotos von Gerichten oder vom Restaurantinnenraum machen. „Wenn ich das bemerke, dann schreibe ich den Gästen und bitte sie, die Fotos von ihrem Kanal zu löschen. Klappt auch meistens. Bei Google kann man außerdem Fotos melden, die werden dann meistens daraufhin wieder entfernt.“

Billy Wagner‘s Nobelhart & Schmutzig ist aber nicht das einzige Restaurant, das von Smartphones und selbstgeknippsten Food-Fotos möglichst wenig wissen will. Doch die Gründe für Foto- und Videoverbote sind bei den Restaurants durchaus unterschiedlich.

Fotoverbote wegen alter Keramik

„Es gibt Gründe, die verstehe ich gut, andere wiederum weniger“, sagt Anders Husa. Der Foodblogger aus Kopenhagen ist zusammen mit seiner Frau Kaitlin Orr einer der erfolgreichsten seines Fachs. Inklusive aller Kanäle haben die beiden „Taste Hunters“ für die World’s 50 Best-Liste über eine halbe Million Follower – und sind somit die einflussreichsten Food-Influencer Skandinaviens. Husa erklärt: „Das Punk Royale in Stockholm beispielsweise nimmt den Gästen das Handy beim Eingang ab und sperrt es in eine Box. Das liegt daran, dass das Essen dort als große Show inszeniert ist und der Service sich dabei möglichst frei fühlen möchte, ohne Handykameras, die ständig auf sie gerichtet sind“, erklärt Husa.

Anders Husa

Image: Arnold Lan

Was er weniger gut versteht, ist das Fotoverbot im legendären Drei-Sterne-Restaurant Ryugin in Tokio. „Das Verbot gibt es deswegen, weil man dort die Sorge hat, dass die schweren Fotokameras auf das wertvolle, alte Keramikgeschirr fallen, Handyfotos sind allerdings erlaubt“ so Husa, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. „Beim Nobelhart & Schmutzig ist es um ein Vielfaches verständlicher, weil es Billy Wagner um etwas Zwischenmenschliches geht und das auch klar kommuniziert wird.“

Und doch: Husa macht keinen Hehl daraus, dass er Fotoverboten in der Spitzengastronomie nicht sonderlich viel abgewinnen kann. „Aus Marketingsicht ist es nicht sonderlich schlau, das zu machen“, ist er überzeugt. „Social Media ist ja eigentlich Gratiswerbung für Restaurants. Es ist eine der effizientesten Mittel, neue Gäste zu bekommen und sein Konzept, das Essen und die Atmosphäre nach außen zu tragen.“

Kaitlin Orr

Image: andershusa.com

Von außen geht immer

Ingo Hettig sieht das anders. „Ich finde, ein Handy- oder Fotoverbot kann als Marketingtool durchaus Sinn ergeben“, sagt er. „Natürlich funktioniert das nur, wenn der Großteil der anderen Restaurants Fotos und Videos erlauben, sonst geht ja das Alleinstellungsmerkmal verloren. Aber gerade bei Konzepten wie dem Nobelhart & Schmutzig, das stark für ein analoges Restauranterlebnis steht, ist es eine durchaus stimmige und glaubwürdige Positionierung.“

Hettig selbst war im Juni 2022 übrigens zum ersten Mal in Billy Wagners Restaurant. „Für mich“, sagt er, „war es das entspannteste Essen, seit ich 2016 Instagram beigetreten bin. Weil ich zum ersten Mal nicht fotografieren und filmen musste und weil es auch keine Erwartungshaltung gab, dass ich jetzt eine Menge an Content erstelle. Im Gegenteil! Ich habe mich voll und ganz auf das Essen eingelassen, und zwar mehr denn je. Das habe ich sehr genossen, weil es einfach auch einmal was anderes war.“

Ingo Hettig

Image: Ingo Hettig

Anders Husa und Ingo Hettig zeigen: Auch unter Food-Influencern werden Fotoverbote im Restaurant unterschiedlich gewertet und aufgefasst. Stimmig und nachvollziehbar können sie jedenfalls durchaus sein, wie Billy Wagner im Nobelhart & Schmutzig beweist. Andere wiederum, wie das im Ryugin in Tokio, wirken nahezu absurd – und auch nicht mehr zeitgemäß. Es scheint, als ginge es dabei um ein ziemlich fragiles Kräftespiel: Ergibt das Fotoverbot absolut keinen Sinn, gehen Influencer lieber woanders hin. Ergibt es jedoch Sinn, kommen Influencer dennoch. Ein Foto von der Außenfassade kann man ja immer noch machen.

 

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