Ihr Browser ist veraltet. Es kann sein, dass nicht alle Funktionen dieser Websites angezeigt werden. Wir empfehlen, einen dieser Browser oder Versionen zu verwenden Mozila Firefox oder Google Chrome

Connect
To Top

Gewissheit in der Veränderung: Prognosen für das nächste Jahrzehnt

Von: Lesezeit: 5 Minuten
Vorheriger Artikel Comfort Food - Gans einfach

Gewissheiten lassen sich vielleicht leichter vorhersagen, wenn es gut läuft – aber wie sehr sind langfristige Trends in der Gastronomie betroffen, wenn eine globale Krise hereinbricht?

Vor einem Jahr veröffentlichte der amerikanische Gaststättenverband National Restaurant Association seinen Bericht zum Gaststättengewerbe im Jahr 2030. Darin wird eingehend untersucht, wie sich die wichtigsten Trends in den Bereichen Technologie, Demographie, Gesundheit, Kommunikation, Verbraucher und Personal die Gastronomiebranche in den USA im kommenden Jahrzehnt voraussichtlich auswirken. Der Bericht war ein fundiertes Gegenstück zu den üblichen nebulös-hellseherischen und reißerischen Prognosen, die die Branche regelmäßig zum Jahresende von sich gibt. Denn er basiert auf validen Daten, langjähriger Forschungsarbeit der Verbandsexperten und den anschaulichen Einblicken von Insidern, die ihre Informationen über die Gastronomieszene in den USA aus erster Hand bekommen: von den Gastronomen.
Als der Bericht veröffentlicht wurde, ging es der Branche allerdings noch blendend. Nachdem die Restaurants in den USA 2019 einen Umsatz von 863 Milliarden Dollar erwirtschaftet hatten, ging man von einer Steigerung auf 1,2  Billionen Dollar bis 2030 aus. Zumal 2019 das zehnte Jahr in Folge ein Umsatzwachstum im Gaststättengewerbe zu verzeichnen war.
Doch dann hat sich die Welt in nur vier Monaten komplett geändert. Denn die Gastronomie- und Nahrungsmittelbranche, die naturgemäß auf soziale Begegnung angewiesen ist, wurde von der Pandemie vielleicht mehr als jeder andere Sektor getroffen. Persönliche Verluste gingen mit beruflichen Einschränkungen einher. Nach wochen- und teils monatelangen Schließungen und verschärften Vorschriften mussten einige vorübergehend geschlossene Restaurants letztlich für immer dicht machen. Kurzfristig beurlaubte Mitarbeiter wurden oft vollends entlassen, und so mancher renommierte Unternehmer und Franchisenehmer beantragte eine Insolvenz nach dem sog. „Chapter 11“-Verfahren.
Nun könnte man naheliegenderweise meinen, dass alle langfristigen Vorhersagen aus prosperierenden Zeiten in einem Umfeld in bzw. nach der Pandemie nicht mehr gültig sind. Dies trifft aber nicht zu, meint Hudson Riehle, Senior Vice President der Abteilung Forschung und Wissen im Verband. „Durch die Pandemie haben in den letzten neun Monaten viele grundlegende Trends in der Gastronomie Fahrt aufgenommen. Jeder einzelne davon spielt immer noch eine wichtige Rolle – vielleicht mehr noch, als um die Zeit vor einem Jahr.“

NRA: Trendprognosen für die Gastronomie bis 2030

Image: The National Restaurant Association

Immer noch eine „Gewissheit“?

In der Rubrik „10 Gewissheiten für 2030“ im Bericht von 2019 lautet die erste Prognose: Die Definition von „Restaurant“ wird sich ändern. Das heißt, dass neue gemischte Modelle zunehmend an Bedeutung gewinnen und sich die Unternehmer anpassen müssen, indem sie einen Mix aus Vor-Ort-Betrieb, Rundum-Service, Mitnahme- und Lieferservice oder auch Essens-Sets anbieten. „Das geschieht (inzwischen) rasend schnell. Soll heißen, der Standort eines Restaurants ist mittlerweile so eher ein Relikt als Namensgeber. Viel wichtiger sind die Zugangsmöglichkeiten“, so Riehle.
„Derzeit dreht sich vieles um die virtuellen Küchen. Wir erleben gerade, wie sich viele internationale US-Marken auf diese Konzepte einstellen und sie in kürzester Zeit umsetzen. Die „Definition von Restaurant wird sich ändern“, (diese Annahme) ist äußerst zutreffend – nur dass dies deutlich schneller vonstattengeht.“
Die zweite „Gewissheit“ des Berichts lautet: „Außer-Haus-Angebote sind der Wachstumsmotor der Branche“. Vor der Pandemie fielen 63 % der Restaurantbestellungen auf Außer-Haus-Verkäufe, so Riehle. Dazu zählen Speisen zum Mitnehmen, Drive-in, Lieferservice vor die Haustür oder auch Foodtrucks und Catering. „Daher überrascht es nicht, dass dieser Anteil mit Ausbruch der Pandemie Ende März bzw. im April bis zum zweiten Quartal auf 90 % angestiegen ist“, sagt Riehle.
„Offensichtlich war das Schnellbedienungssegment betrieblich besser aufgestellt, diese rasche Verlagerung aufs Außer-Haus-Geschäft zu nutzen, als es Betrieben mit Restauranträumen gelungen ist. Dieser Anteil von 90 % wird natürlich wieder zurückgehen. Aber wie Verbrauchbefragungen des Verbands deutlich zeigen, haben die Kunden großen Nachholbedarf in Sachen Restaurantbesuche.“
Insofern lässt sich wohl unschwer feststellen, dass die 3. „Gewissheit“ im Bericht – „Der Margendruck nimmt weiter zu“ – mehr denn je auch für die Zukunft gilt. „Wir verfolgen die zugrundeliegenden Konjunkturdaten und deren Zusammenhang mit dem Umsatzwachstum der Restaurants. Wenn das Einkommen unter normalen Konjunkturbedingungen wächst, steigen auch die Umsätze der Restaurants. Im aktuellen Umfeld ist dagegen die Beschäftigung eingebrochen, und laut Schätzungen werden die Einkommen ab diesem Jahr sinken, da sie zuletzt durch die staatlichen Förderpakete künstlich aufgebläht worden waren“, meint Riehle.
„2021 wird die Branche sicher nicht wieder das Umsatzniveau wie vor der Pandemie erreichen. Schon vor der Pandemie war der Margendruck gerade für bestimmte Unternehmen ziemlich hoch, doch nun hat er sich noch einmal so sehr verschärft, dass einige (Unternehmen) lieber aufgeben wollen.“

Daten, Demographie und das Schicksal

„Daten sind König“ lautet die nächste Gewissheit im Bericht, und dieser Rang wurde laut Riehle seit März nochmals aufgewertet, sodass der „digitale Regent“ mittlerweile geradezu allmächtig sämtliche Umfragen beherrscht. „Die rasche Integration der Technik ermöglicht mehr Echtzeitanalysen sowohl zum Verbraucherhalten, als auch in Bezug auf interne Betriebskostenstrukturen. Die Möglichkeiten, diese Daten zu nutzen und in Erkenntnisse umzuwandeln, sind inzwischen viel realer als zuvor.
Auch die fünfte bemerkenswerte Langzeitprognose im Bericht von 2019 – „Restaurants werden sowohl ein anderes demografisches Spektrum bedienen als auch beschäftigen“ – bleibt von den Auswirkungen der Pandemie unberührt. „Demografie ist Schicksal. Das Durchschnittsalter des normalen US-Bürgers steigt weiter. Die Vielfalt nimmt zu. Zwischen den einzelnen Landesteilen bestehen teils erhebliche Unterschiede beim Bevölkerungswachstum. Üblicherweise ist in Gegenden mit hohem Bevölkerungswachstum auch ein Umsatzwachstum in den Restaurants zu verzeichnen“, erklärt Riehle.
„Unter den Beschäftigten in der Gastronomiebranche spiegelt sich natürlich das wider, was sich auch in den nationalen demographischen Trends abzeichnet. Aber das Gaststättengewerbe hat ein auffallendes Merkmal, das es von allen anderen unterscheidet: es ist extrem arbeitsintensiv. Vor der Pandemie war jeder zehnte Beschäftigte in den USA im Gaststättengewerbe tätig. Insofern war der Beschäftigungsrückgang in diesem Sektor unverhältnismäßig größer als im US-Durchschnitt.“
Daher ist dieses demografische Schicksal unweigerlich mit der sechsten „Gewissheit“ verbunden: „Einstellung, Bindung und Weiterqualifizierung haben weiterhin oberste Priorität“. Sobald sich der Arbeitsmarkt 2020 und in der Folgezeit erholt und vor allem die Gäste vermehrt in ihre Stammlokale zurückkehren, wird es wichtiger denn je sein, gutes Personal einzustellen, zu halten und weiter zu schulen.

Porträtfoto von Hudson Riehle

Hudson Riehle | Image: The National Restaurant Association

Technik macht den Unterschied; die Mühlen der Bürokratie

Neben der menschlichen Komponente in der Gastronomie- und Lebensmittelbranche bleibt als zunehmend einflussreiche „Gewissheit“, dass „die Technologie enorme Fortschritte in Sachen Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelbeschaffung und Nachhaltigkeit mit sich bringt“.
„Technologie kann absolut den Unterschied ausmachen, wenn es darum geht, wie ein Verbraucher ein Unternehmen oder eine Marke in Anspruch nimmt und wahrnimmt“, sagt Riehle. „Da die Branche schon immer besonders arbeitsintensiv ist, lassen sich mithilfe der jeweils neusten Technologien Effizienz und Produktivität erheblich steigern.
Die Verbraucher sind nach Riehles Überzeugung bei einem Restaurantbesuch sehr offen für die technischen Möglichkeiten. „In der Pandemie hat sich noch einmal umso stärker gezeigt, wie sehr es sich auszahlt, digitale Bestell- und Kommunikationsmöglichkeiten zu haben, ein Treuesystem einzuführen oder jederzeit verfügbare Speisekarten bereitzustellen.
Als nächstes geht der Bericht davon aus, dass der Staat künftig „ein größerer Faktor bei allen unternehmerischen Tätigkeiten“ sein wird. Wie man unschwer erraten kann, hat sich diese „Gewissheit“ nur noch verschärft.
„Die Branche steht je nach Region und Bundesstaat bzw. sogar je nach Stadt innerhalb eines Bundesstaates vor erheblich unterschiedlichen Hürden“, so Riehle. „Und die Einschränkungen in den Restaurants selbst sind wirklich für sehr viele Betreiber der springende Punkt. Tatsache ist aber auch, dass der Wohlstand nicht so rasch zurückkehrt.“

Nachhaltigkeit und soziale Kontakte

„Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Modewort“ heißt die neunte „Gewissheit“ im Bericht. Vor allem die jüngere Generation der Restaurantbesucher wird auch künftig ganz besonders Wert darauf legen, so Riehle. „Ein umweltbewusster Restaurantbetrieb spielt eine wichtige Rolle in der Entscheidungsmatrix. Die Herausforderung für die Betreiber ist die rasant gestiegene Nachfrage nach Produkten zum Mitnehmen. Insofern werden auch weiterhin verschiedene Verpackungsarten gefragt sein. Nachhaltigkeit ist eine Haltung, von der abhängt, wie die einzelnen demographischen Gruppen ein Restaurant im Alltag annehmen.“
Die letzte Prognose, dass „Restaurants auch weiterhin Menschen zusammenbringen werden“, wurde zwar durch Covid-19 zwangsläufig für kurze Zeit hinfällig. In langfristiger Hinsicht bleibt dieser Aspekt aber mit Sicherheit gültig, so Riehle.
„Das Gaststättengewerbe hat in den Vereinigten Staaten zwei wesentliche treibende Kräfte. Da ist zum einen der Komfort. Und zum anderen die sozialen Kontakte. Dass es zuletzt unmöglich war, sich in gewohnter Weise zu treffen, hat dieses ureigene Bedürfnis nicht gemindert, sondern nur verstärkt. Es wird derzeit quasi nur vertagt. Wenn man sich die Zukunft in drei Jahren vorstellt, wird der Socializing-Aspekt als treibende Kraft wieder genauso wichtig wie eh und je.

Was ist neu?

Auch wenn sich die zehn „Gewissheiten“ im kommenden Jahrzehnt nicht ändern, so hat doch die Pandemie unweigerlich weitere Trends ausgelöst, meint Riehle. Ein neuer Megatrend sind seiner Auffassung nach alle Bemühungen, sich schneller zu vermarkten, für sich zu werben sowie neue und bestehende Kunden zu gewinnen.
„Technikintegration und Verbesserungen betreffen drei grundlegende Sphären: den Gästebereich, die Küche und den die Kommunikation über das Smartphone. Die Restaurant-Apps fürs Smartphone haben sich zuletzt deutlich schneller entwickelt. Sämtliche Informationen hat man jetzt schnell und exakt auf dem Handy verfügbar, und sie entscheiden mit darüber, wie und wann jemand Stammkunde wird.
Diese scheinbaren Störfaktoren sind nach Riehles Ansicht in Wirklichkeit verborgene Chancen, wenn man z. B. softwaregestützt und mithilfe von künstlicher Intelligenz Bestellmuster vorhersagen kann, um die Preise der Gerichte nach Tageszeit, Woche oder sogar Monat zu variieren. „Dieses Element ist neues Grenzland. Da die Ressourcen von der Infrastruktur (dem Aufbau weiterer Standorte) abgezogen wurden, stehen nun mehr Mittel zur Verfügung, um die technischen Komponenten vieler dieser Unternehmen zu verbessern.“
In dieser „neuen Normalität“ erkennt Riehle daher noch viel Potential. Und warum? Weil wir von Natur aus das Bedürfnis nach Genuss und gutem Essen haben, das mit einem Lächeln serviert wird.
„Übergeordnet betrachtet hat das Gaststättengewerbe noch eine recht optimistische Zukunft, vor allem weil die Menschen gern ins Restaurant gehen“, ist Riehle überzeugt. „Vor der Pandemie gaben in den USA über 90 % der Erwachsenen in Umfragen an, dass für sie ein Restaurantbesuch zur Lebensgewohnheit dazugehört. Auf lange Sicht wird das immer noch die treibende Kraft für das Wachstum in der Branche sein.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Food Management