Hier, rund 20 Autominuten von der Römerstadt Arles entfernt, kredenzt Armand Arnal in den Räumen einer ehemaligen Farm und auf ihrer von Platanen und Wein beschatteten Terrasse seine pflanzenbasierte Küche. Mit großem Erfolg. Für seinen hyperfrischen Kreationen, die den natürlichen Geschmack jeder Zutat deutlich herausarbeiten, wurde das Restaurant La Chassagnette als erstes Bio-Restaurant Frankreichs 2009 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Wir sprachen mit dem Chef über die kulinarische Inspiration der ursprünglichen provenzalischen Landschaft, seine Garden-to-table-Philosophie und das Problem des Weglassens in der französischen Küchentradition.
Wir befinden uns hier in einem weitläufigen ländlichen Garten. Was ist die Philosophie des La Chassagnette?
Der Garten ist das Herz und die Seele des Restaurants. Es geht uns darum, die Möglichkeiten auszuloten, die das Land für uns bereithält. Der Boden in der Camargue ist sehr salzhaltig, da gedeiht nicht alles. Seit 15 Jahren versuchen wir hier mit den Gegebenheiten eine möglichst große Vielfalt zu erzielen. Das gelingt vor allem auch deswegen, weil wir viel Platz zur Verfügung haben und mit unserem rotierenden System einen Teil der Fläche immer wieder ruhen lassen.
Wie lebt und arbeitet ihr mit diesem Land?
Mein Arbeitstag beginnt mit den Gärtnern. Sie übergeben mir das Gemüse, das Obst und die Kräuter, sprich: das, was die Natur uns an jedem einzelnen Tag des Jahres zur Verfügung stellt. Damit gehe ich dann in die Küche.
Was wächst wild in der Region?
Es sind vor allem wilde Kräuter und Fenchel. Sie sind zusammen mit Mangold und Tomaten meine Lieblingszutaten.
Experimentierst du viel?
Wir experimentieren im Anbau, ja, in der Küche versuchen wir die Dinge eher so zu lassen, wie sie sind. Wir wollen verständlich bleiben – und die Natur nicht zu sehr verfremden.
Das kommt offenbar gut an. Ihr seid das erste Bio-Restaurant in Frankreich, das einen Stern bekommen hat.
Ja, das war 2009, zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung. Vor etwa zehn Jahren war Bio-Food in Frankreich noch nicht sehr etabliert, daher war es eine große Überraschung für uns. Und trotzdem hatten wir zu kämpfen.
Warum?
Wir haben das Gemüse nicht so lange gekocht, das war für viele Leute gewöhnungsbedürftig. Dann haben wir statt Weizen Reismehl für das Brot verwendet, weil wir nur mit Zutaten aus der Region arbeiten. Damit haben wir ein Sakrileg begangen.
Wie waren die Reaktionen?
Ich wurde als der ‚glutenfreie Chef‘ bezeichnet, dabei ging es mir gar nicht darum, etwas wegzulassen. Ich möchte auch nicht als glutenfreies Restaurant in Frauenzeitschriften auftauchen. ‚Free from‘ hat im Englischen noch eine positive Konnotation, ‚sans‘ hingegen klingt nach Verzicht und Einschränkung. Das entspricht ehrlich gesagt nicht meiner Philosophie.
Gibt es auch tierische Produkte auf der Karte?
Ja, im letzten Jahr hatten wir das Gefühl, dass uns ein neuer Dreh guttäte, und so haben wir den Garten um eine kleine Farm erweitert. Wir bewirtschaften jetzt 50 Bienenhäuser, halten ein paar Schafe und Hühner. Unser Fleisch beziehen wir jedoch von lokalen Produzenten. Mal ist das Lamm, mal Taube, im Winter auch mal Schwein. Aber dennoch bleiben die Proteine bei uns Beilagen, das Gemüse spielt immer die Hauptrolle. Der wohl größte Unterschied zwischen uns und den meisten anderen Restaurants.
Du arbeitest auch mit einem Kombidämpfer von Rational. Wo setzt du ihn ein?
Nahezu überall. Wir dämpfen und wir kochen damit, auch sous-vide. Und wir backen unser Brot darin.
Bevor du 2006 nach Arles gekommen bist, hast du unter anderem für Alain Ducasse gearbeitet. Wie war dein Werdegang?
Meine erste Berührung mit dem Kochen hatte ich in der Küche meiner Eltern. Sowohl meine Mutter als auch meine Großmutter und Urgroßmutter waren passionierte Köchinnen. Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Konditor begonnen, dann aber festgestellt, dass mich das zu sehr einschränkte. Daher bin ich nach New York gegangen. Dort habe ich unter anderem als Berater zusammen mit Alain Ducasse gearbeitet, an einem Projekt für Weltraumnahrung. Stell dir vor, mein Essen war schon im All!
Das klingt aufregend.
Ja, ich war Mitte zwanzig und das war tatsächlich sehr aufregend. Aber es hat meine persönliche CO2-Bilanz natürlich deutlich beeinflusst. Jetzt mache ich bis ans Ende meiner Tage regionales Bio-Food. (lacht)
Arles hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem internationalen Kultur-Hub entwickelt. La Chassagnette gehört ja Maja Hoffmann, die einen ganz entscheidenden Teil zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Unter anderem hat sie Frank O. Gehry mit dem Entwurf eines großen Museums in Arles betraut, dem sogenannten Turm der Ressourcen, der im kommenden Jahr eröffnet wird. Wie fühlt es sich für dich an, hier zu leben?
Es passt wunderbar für mich. Mein Antrieb besteht darin, das Beste aus dem zu machen, was die Natur mir gibt. Gleichzeitig finde ich es sehr interessant, für Maja Hoffmann zu arbeiten. Sie bringt mit ihrer Stiftung viele große Künstler nach Arles. Das gibt mir die Gelegenheit, interessante Menschen zu treffen, und inspiriert mich selbst auch dazu, über den Tellerrand hinauszublicken und Grenzen zu verschieben. Und Arles hat ein besonderes Licht, eine ganz spezielle Energie, das hat schon Vincent van Gogh festgestellt. Dieses Licht, es zwingt dich dazu, etwas zu bewegen. Das ist kein Ort, an dem man sich ausruht.