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Von 90 auf 250 Mahlzeiten: Mit Luxus-Lieferservice gegen die Krise

Von: Lesezeit: 4 Minuten
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Erst vor wenigen Monaten, Ende des Jahres 2019, wurde Eric Menchon vom Le Moissonnier in Köln von der Redaktion des „Feinschmeckers“ zum „Koch des Jahres“ gekürt. Vier Monate nach Jahreswechsel ist für ihn und seine Kollegen nichts mehr, wie es war. Eine Pandemie nie dagewesenen Ausmaßes hat die Welt in ihrem eisernen Griff, der Shutdown trifft die Gastronomie mit voller Wucht.

Die Türen bleiben geschlossen, die Küchen kalt. Doch Krisen sind die großen Bühnen für außergewöhnlich starke Charaktere, für Menschen, die sich in jeder Lebenslage zu helfen wissen, die aus dem Stand neue Ideen entwickeln, Bedürfnisse erkennen und ihre Talente einzusetzen wissen. Der Koch Eric Menchon und sein Partner Vincent Moissonnier, Inhaber und Namenspatron des Le Moissonnier, sind offenbar solche Charaktere. Ende Februar dieses Jahres bezeichnete die FAZ die beiden als „eines der wenigen Traumpaare der Spitzengastronomie“. Und tatsächlich scheint das Duo sich genauso tatkräftig wie traumwandlerisch durch die schwierige Zeit zu manövrieren. Wenige Tage, nachdem Mitte März im Zuge der Corona-Eindämmung die Schließung von Restaurants, Cafés und Kneipen verfügt worden war, hatte das Le Moissonnier bereits einen exklusiven Lieferservice ins Leben gerufen und eine Logistik aufgebaut, die dem Betrieb fortlaufende Geschäfte ermöglicht. Mit Deliveroo & Co. jedoch hat das, was die mit zwei Michelin-Sternen dekorierte Kölner Gastro-Institution in kürzester Zeit auf die Beine stellte, herzlich wenig zu tun. Der hohe Qualitätsanspruch und ein sehr persönlicher Service – zwei Distinktionsmerkmale, die Menchon und Moissonnier seit über drei Jahrzehnten charakterisieren – erweisen sich auch unter veränderten Vorzeichen als Grundpfeiler des Erfolgs. Vincent Moissonnier, der in „normalen“ Zeiten seinen Charme in der Jugendstilatmosphäre seines Restaurants versprüht, verrät im Interview, wie es ihm und seinem Partner mithilfe ihrer beider Familien und der Belegschaft gelingt, ihre Unerschütterlichkeit unter Beweis zu stellen.

Team des Le Moissonier, einem Restaurant, dass seine Effizienz steigern konnte.

Blick in die Küche des Le Moissonnier, Image: Kira Bunse

Herr Moissonnier, Sie haben sehr früh auf die Schließung der Restaurants reagiert. Wann war das?

Als wir Anfang März von den Schließungsplänen hörten, dachten wir zunächst, dass der Ausnahmezustand ja nur ein paar Wochen andauern würde und wir dann zur Normalität zurückkehren könnten. Mir ging es darum, unserer Belegschaft ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln: „Macht Euch keine Sorgen, wir stehen Euch zur Seite. Wir brauchen nur etwas Flexibilität.“

Wie schnell haben Sie dann von dem normalen Restaurantbetrieb auf den Lieferbetrieb umgestellt?

Das ging, dank des großen Engagements aller Beteiligten, unglaublich schnell. Dienstags hatten wir uns zusammengesetzt, am Freitag haben wir bereits die ersten Speisen ausgeliefert.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben ein Menü entwickelt, das aus zwei Vorspeisen, zwei Hauptgerichten, zwei Beilagen und einem Dessert besteht und wöchentlich wechselt. So können sich unsere Gäste ihr Essen wie im Restaurant zusammenstellen. Dazu wurden Arbeitsgruppen gebildet, die mit den neuen Aufgaben betraut sind. Neben dem vierköpfigen Küchenteam gibt es eine Gruppe, die für das Zusammenstellen und Einpacken zuständig ist, und eine andere, die die Auslieferung gewährleistet. Zudem haben wir auf der Website unseres Weinhandels die Shopfunktion erweitert, so dass dort nun Bestellungen möglich sind. Wichtig war uns, dass auch der persönliche Kontakt zu unseren Gästen bestehen bleibt: Drei Damen, darunter meine Tochter Pauline, nehmen die Wünsche auch persönlich am Telefon entgegen, beraten zur Auswahl und vereinbaren Zeitfenster für die Lieferung.

Wie sieht das Konzept aus und was unterscheidet Sie von herkömmlichen Lieferservices?

Unser Claim lautet: „Ein Stückchen Le Moissonnier für Sie zu Hause“. Wir nutzen hierfür das Cook & Chill Verfahren, sprich, wir bereiten die Speisen vor und der Kunde wärmt das Essen zuhause auf. Unser besonderer Service fängt bei der Verpackung an und hört bei der Aufwärmanleitung auf. Wir geben konkrete Empfehlungen. Angefangen damit, zu welchem Zeitpunkt eine Mahlzeit vor dem Aufwärmen aus dem Kühlschrank genommen werden sollte, bis hin zum Vorschlag des richtigen Tellers. Manchmal muten wir unseren Kunden auch etwas Eigeninitiative zu, dann braten sie beispielsweise selbst etwas an. Das schönste Kompliment habe ich kürzlich von einem Bonner Kunden bekommen: „Zum ersten Mal habe ich mich gefühlt wie ein Zwei-Sterne-Koch.“ Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Restaurant delivery corona revenue

Le Moissonnier Lieferservice, Image: Kira Bunse

Wie läuft die Bestellung praktisch ab?

Bestellungen werden jede Woche bis Donnerstag, 12 Uhr entgegengenommen, geliefert wird am Freitag- und Samstagnachmittag. Wir bringen auf Wunsch nicht nur die Menüs selbst vorbei, sondern außerdem den passenden Wein oder zum standesgemäßen Abschluss des Mahls auch Käse des renommierten Affineurs Maître Antony.

Wie organisieren Sie die Lieferung?

Zunächst ist uns wichtig: Die Lieferung ist selbstverständlich kostenlos. Unsere drei Kellnerinnen wurden zu Fahrerinnen „umgeschult“. Sie melden sich bei den Kunden, sobald sie in der Nähe sind. Meist ist eine kontaktlose Übergabe möglich. Dieses Wochenende liefern wir übrigens erstmals auch Speisen nach Düsseldorf. Ich werde sie persönlich ausfahren.

Gebratene Lotte in Rotwein-Speck-Sauce oder ein geschmortes Kalb in Marengo-Sauce für 25 Euro – die Preise Ihres Lieferservices sind deutlich niedriger als die im Restaurant. Wie gelingt es Ihnen, die Qualität zu halten?

Es geht uns im Moment nicht darum, Geld zu verdienen. Vielmehr ist uns wichtig, den Schaden so gering wie möglich zu halten, sprich: den Wagen ohne Beulen durch die Krise zu manövrieren. Zudem ist das Handling weniger aufwändig, wir investieren im Restaurant ja nicht unerheblich viel Zeit in das Anrichten. Und zu guter Letzt wollen wir unseren Kunden auch entgegenkommen – schließlich bestellen sie auch bei uns, um uns zu helfen.

Wie haben die Kunden von Ihrem Lieferservice erfahren und wie wurde Ihr Angebot angenommen?

Wir haben das große Glück, nach 33 Geschäftsjahren über einen Mailverteiler mit 2500 Adressen zu verfügen. So konnten wir mit einem Newsletter schon viele Kunden erreichen. Zudem ist am 17. März in der hiesigen Stadtzeitung ein Artikel erschienen, der die Auswirkungen der Corona-Krise in der Gastronomie behandelt. Darin wird auch unser Lieferservice thematisiert. Und schlussendlich ist es natürlich Mund-zu-Mund-Propaganda, die uns hilft. Tatsächlich haben wir eine erstaunliche Resonanz erfahren. Im Moment kochen wir bis zu 250 Mahlzeiten, das ist in etwa das Zehnfache der ersten Woche. Zum Vergleich: An einem normalen Tag haben wir früher etwa neunzig Menüs im Durchschnitt zubereitet. Nach sechswöchigem Einsatz arbeiten wir kostendeckend, können unsere Mannschaft behalten.

Mussten Sie investieren, um die Umstellung zu bewerkstelligen?

Wir haben in einen großen Schockfroster investiert. Er hilft uns, die Kühlkette nicht zu unterbrechen.

Wie sehen Ihre Pläne aus? 

Wir möchten gerne von Woche zu Woche interessanter zu werden. Ostern war ein großer Erfolg, nun arbeiten wir an einem Special für den Muttertag. Ganz neu sind übrigens unsere Filme auf Vimeo, mit denen wir das jeweilige Wochenangebot anteasern.

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