Obolus oder WertschĂ€tzung?Â
Immer wieder sorgt das Thema Trinkgeld in der Gastronomie fĂŒr Diskussionen. Nachdem Moderatorin Anja Reschke Ende Juli 2022 auf Twitter von den Erfahrungen einer Kellnerin berichtete, brach erneut ein Diskurs los. Alles wird teurer, das Geld sitzt nicht mehr so locker.

Image: Fotolia | tanatat
Den Status quo in Deutschland belegt eine 2022 veröffentlichte Studie von JĂ€germeister: Befragt wurden 1.196 Personen, dazu 106 Barkeeper, 116 Gastronomen sowie 68 Taxifahrer. Das Fazit: Corona hat das Ausgehverhalten verĂ€ndert, es hat sich quasi halbiert. Das bedeutet â es gibt weniger Trinkgeld! Laut Studie geben im Restaurant 92 Prozent Trinkgeld, in Bars waren es 60 Prozent und in Kneipen 54 Prozent. Durchschnittlich lag die Höhe des Trinkgelds bei fĂŒnf Prozent. Das ist halb so viel, wie die sonst angenommenen zehn Prozent in Deutschland! Die meisten befragten Gastronomen betonten, dass Trinkgeld nicht nur ein Zeichen der WertschĂ€tzung, sondern auch ein Teil der Motivation fĂŒr die Mitarbeitenden ist.
Ein Fachmann fĂŒr die US-amerikanische âTipping Culture“ ist Sozialpsychologe und Marketing-Professor Michael Lynn von der Cornell-UniversitĂ€t in New York: Seine neueste Studie zum Thema Trinkgeld und Corona belegt, dass sich das Trinkgeld wĂ€hrend der Pandemie am Beispiel eines Pizzaboten, in Schnellrestaurants und Full-Service-Restaurants erhöht hat. Gleichzeitig aber gab es bei Face-to-face Transaktionen in Restaurants mit Service einen RĂŒckgang von ein bis zwei Prozent. âJe extrovertierter die Menschen in einem Land sind, desto mehr Berufe werden mit Trinkgeld versehen und desto mehr Trinkgeld wird gegeben“, so der Trinkgeld-Experte. Ăblich sind in USA 15 bis 20 Prozent. In den meisten US-Staaten sind Trinkgelder kein nettes Extra, sondern das Haupt-Einkommen. Service-KrĂ€fte in der Gastronomie erhalten dort einen sehr geringen Mindestlohn und sind auf spendable GĂ€ste angewiesen. Bis heute ist es umstritten, wie viel Trinkgeld man gibt. Denn Fakt ist: Jeder Gast kann selbst entscheiden, ob er dem Servicepersonal ein Trinkgeld hinterlĂ€sst oder eben nicht.

Image: AdobeStock | luckybusiness
Historie: Trinkgeld bereits seit dem Mittelalter bekannt
Trinkgeld â woher stammt der Begriff? Ein Blick in die Geschichte: Der Begriff âTrinkgeldâ trinckgelt ist bereits im spĂ€ten Mittelalter in Deutschland nachgewiesen. Der Geber meinte damit, dass das Trinkgeld auf sein Wohl vertrunken werden soll. Das Bibalia (lat. Trinkgeld) war schon in den Wochenrechnungen des Prager Dombaus zwischen 1372 und 1378 belegt. SpĂ€ter rĂ€t Adolph Freiherr von Knigge in seinem Werk âĂber den Umgang mit Menschenâ aus dem Jahr 1788 âdem Wagenmeister ein gutes Trinkgeld zu gebenâ. Die Herkunft des international gebrĂ€uchlichen Begriffs âTipâ fĂŒr Trinkgeld lĂ€sst sich nicht eindeutig bestimmen. Angeblich gab es in britischen GasthĂ€usern Schalen mit der Inschrift âTo Insure Promptitudeâ. In diese sollte man vorab MĂŒnzen als Trinkgeld werfen. Damit wollte man sich âeiner schnellen Bedienung versichernâ. Eine andere mögliche Herleitung des Begriffs âTipâ ist die vom Slang-Wort âto tippleâ, also vom âZechenâ.
Unumstritten war das Trinkgeld schon frĂŒher nicht: Um 1900 wurde in Deutschland sogar eine âAnti-Trinkgeld-Ligaâ gegrĂŒndet, die aber erfolglos blieb. Zudem gab es diverse Gesetzesinitiativen zum Trinkgeldverbot bis in die Weimarer Republik. Auch in anderen LĂ€ndern war Trinkgeld nicht unbedingt beliebt: 1909 erlieĂ Washington als erster US- Bundesstaat ein Anti-TrinkgeldÂ-Gesetz.

Image: AdobeStock | DWP
Rechtliches zum Thema Trinkgeld:
Wie sieht die Rechtslage in Deutschland aus?
Wir haben Rechtsanwalt Dr. Gerhard Engelmann, BezirksgeschĂ€ftsfĂŒhrer Dehoga – Mittelfranken, dazu befragt: âEs gibt keinen Anspruch auf Trinkgeld in Deutschland. Es ist eine freiwillige Leistung. Ein Dankeschön des Gastesâ, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerhard Engelmann. Das ist auch in den meisten anderen LĂ€ndern so. âDie Trinkgeldbesteuerung wurde 2002, damals durch die Regierung Schröder, abgeschafftâ, so der Jurist.
Wem gehört das Trinkgeld?
âZunĂ€chst ist es eine Schenkung des Gastes, in der Regel an das Servicepersonal. Der Gast könnte das Trinkgeld aufteilen, wie etwa bei gröĂeren Feierlichkeiten an Service- und KĂŒchenpersonalâ, rĂ€t Dr. Engelmann. Die Verteilung unter den BeschĂ€ftigten sollten grundsĂ€tzlich diese allein unter sich regeln.
Wie sieht es im Arbeitsrecht aus?
âMan sollte das Trinkgeld im Arbeitsvertrag nicht regeln. Auch sollte der Unternehmer oder der Betriebsleiter nicht bestimmen, wie hinsichtlich der BeschĂ€ftigten mit dem Trinkgeld zu verfahren istâ, so der Rechtsanwalt. Der Unternehmer sollte alles vermeiden, was in Richtung Vereinnahmung des Trinkgeldes geht: âDies könnte sehr leicht durch die FinanzĂ€mter als Betriebseinnahmen mit entsprechender Versteuerung angesehen werden. Wenn der Unternehmer andererseits das Trinkgeld dann wieder an den BeschĂ€ftigten auszahlt, wĂ€re es zusĂ€tzlicher Lohn und somit lohnsteuerpflichtigâ.