Die Tür geht auf, und schon steht Nelson Müller da und fragt, ob er den Mantel abnehmen soll. Aus der Küche dringen laute Geräusche, es klappert und zischt. Es ist 19 Uhr, die Köche arbeiten auf Hochtouren in Müllers Essener Restaurant im Szeneviertel Rüttenscheid. Wobei, an diesem Tag im November sind es noch zwei Restaurants, die sich am Standort Rüttenscheider Straße 62 befinden: das Müllers auf der Rü, eine Brasserie, und die Schote, das seit 2011 durchgängig mit einem Stern ausgezeichnete Gourmetrestaurant. Nach 15 Jahren in der Ruhrgebietsstadt wird letzteres bald umziehen – doch dazu später mehr.
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Ein Mitarbeiter führt den Gast zum Tisch, der separee-artig von zwei Bänken umfasst ist. Zur Auswahl stehen das große Menü mit acht Gängen und ein kleineres mit zwei Gängen weniger. Auch ein vegetarisches Menü gibt es. A la carte bestellen kann man nicht, was typisch ist für die jüngere Entwicklung deutscher Sternerestaurants – so lässt sich besser planen und günstiger einkaufen.
Nelson Müllers Restaurants – alles außer Standardprogramm
Nelson Müller läuft vorbei, einen Teller in der Hand, man sieht ihn relativ häufig hier, er lässt sich blicken, serviert und redet in seiner ruhigen, ausgeglichenen Art mit den Gästen. Das mag manche überraschen, bedenkt man, was außer den zwei Betrieben in Essen noch zu seinen Unternehmungen gehört: Er betreibt ein Restaurant im Rheingau (Müllers auf der Burg) und ein Restaurant auf Norderney (Müllers auf Norderney). Er tritt als Juror in der Sendung „Die Küchenschlacht“ sowie in diversen weiteren TV-Formaten auf, er singt mit seiner Band. Sogar im „Traumschiff“ hat er schon mitgespielt. Dazu kommen eine Menge nicht-öffentlicher Tätigkeiten, er geht zum Boxen, nimmt Gesangsunterricht und fährt sehr viel zu Kollegen, auch im Ausland, um dort zu essen.
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Angesichts seines Pensums wäre also nur menschlich, wenn Müllers Menü in der Schote eher einem Standardprogramm der Spitzenküche ähneln würde. Hier eine regionale Möhre, da ein Stück Saibling, dort eine rosa gebratene Entenbrust. Bei Kollegen, die ähnlich viel um die Ohren haben wie er, kommt das vor. Nicht so bei Nelson Müller. Seine Gerichte sind ambitioniert und klischeefrei, angenehm komplex – und auch für Vielesser interessant. Hier spiegelt sich seine facettenreiche Lehrzeit, die er auf Sylt bei Holger Bodendorf verbrachte, in der Kaderschmiede Résidence in Essen und in der Orangerie unter Lutz Niemann. Müller verschränkt Weißkohl mit Kaviar als Begleitung zum Tatar. Zu in Nussbutter konfierter Makrele versöhnt er mühelos eine leichte Velouté mit dem Wumms einer Hollandaise, garniert Kartoffelringe mit Gelee von Estragonessig. So entsteht Aromenspiel, das Spaß macht, aber eine Menge Erfahrung und Handwerk erfordert.
Koch und Unternehmer – Zukunftspläne von Nelson Müller
Wie schafft man das alles? Müller, der in Ghana geboren wurde und bei einer Pflegefamilie in Stuttgart aufwuchs, versteht sich selbst als Unternehmer. Er organisiert sich sehr diszipliniert und umgibt sich mit guten Leuten – so arbeitete Henri Bach, sein Mentor und langjähriger Sternekoch, bis zu seinem frühen Tod als kulinarischer Direktor von Müllers Restaurants. Er hat ein Management mit zwei Assistentinnen. Er macht Sport, um den Kopf freizubekommen und „um nicht auseinanderzugehen“, wie er sagt.
Das Ergebnis: Da geht noch was, denn der 45-Jährige ist noch lange nicht fertig. 2025 wird Nelson Müller Hotelier und nimmt dafür auch die Schote mit – sein Stammhaus, das Müllers auf der Rü, verbleibt dagegen in Essen. Nur eine halbe Stunde von Köln entfernt, in der Diepeschrather Mühle bei Bergisch Gladbach, wird die Schote dann Teil von Müllers neuem Herzensprojekt – einem Hotel mit kulinarischem Schwerpunkt, eingebettet in die Vereinigung „Relais & Châteaux“. „Wir brauchen Platz, um uns weiterzuentwickeln“, sagt der vielbeschäftigte Patron dazu, „die Schote hat es verdient, eine eigene Bühne zu haben“.
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Keine Klischees
Das historische Anwesen liegt nahe Köln eingebettet in die grüne Landschaft des Bergischen Landes, ideal für Spaziergänge, Wanderungen und kleine Fluchten aus dem Alltag. Das Hotel wird 25 Zimmer bieten, darunter fünf Suiten, einen großzügigen Wellnessbereich mit Außenpool und zwei Restaurants. Neben einer Küche im Farm-to-Table-Stil, die regionale/saisonale Zutaten und bodenständige Gerichte in den Fokus stellt – im Müllers in der Mühle –, bekommt auch das Gourmetrestaurant eine neue Heimat. Hier möchte Müller weiterhin ambitionierte, pflanzenbetonte Gerichte mit saisonalen Akzenten kreieren – ganz in seinem Stil, klischeefrei und durchdacht.
Die Gästezimmer sind modern und komfortabel eingerichtet, viele mit Terrassen und Blick ins Grüne oder auf den Pool. Für Gourmets und Ruhesuchende wird das Hotel gleichermaßen ein Anziehungspunkt sein – mit kulinarischen Highlights, Entspannung im Wellnessbereich und, wer mag, einem Kochkurs mit Nelson Müller selbst.