Als Borna Bayat im August 2021 bei Next Gen Foods anfing, war er der erste europäische Mitarbeiter dieses Start-up-Unternehmens, das seinen Hauptsitz zwar in Singapur hat, aber Mitarbeiter auf der ganzen Welt beschäftigt – ein echter virtueller Arbeitgeber. Hier erläutert er für uns die Entstehung und das Konzept der pflanzlichen Alternative zu Hühnerfleisch, mit der weltweit bereits in mehr als 500 Restaurants gekocht wird.
Wie ist TiNDLE und die Idee für pflanzliches Hühnchen entstanden?
Borna Bayat: Im März 2021, also vor etwa 15 Monaten, sind wir an den Start gegangen. Die Marke wurde von Next Gen Foods entwickelt, um den Verbrauchern eine echte Alternative zu Hähnchen zu bieten, die den Sinneswandel vorantreibt und so einen Beitrag für eine nachhaltigeres Lebensmittel-Ökosystem und Zukunft leistet. Fleisch ist überall auf der Welt ein wichtiger Bestandteil der Ernährung. Aber so, wie es momentan erzeugt und beschafft wird, hat es leider negative Auswirkungen.
Anders als herkömmliches Hühnerfleisch aus Geflügel ist unser Hühnchen vollständig auf pflanzlicher Basis. Wir wollen eine wirkliche Alternative bieten, die Hühnerfleisch in praktisch jedem Gericht ersetzen kann und zugleich das gleiche Fleischerlebnis bringt, genauso viel Genuss und das Gefühl von einer schmackhaften, vollwertigen Mahlzeit. Es lässt sich nach Belieben alles daraus machen – aber eben als pflanzliche Alternative, damit man die Verarbeitung nachvollziehen kann.
Was wollt ihr mit TiNDLE erreichen?
Borna Bayat: Es geht um einen Wandel im Nahrungsmittelsystem und darum, es den Verbrauchern zu ermöglichen nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Das Produkt soll nicht alle zu einer veganen Lebensweise bekehren, richtet sich aber an Food-Liebhaber – inklusive der Fleischesser, die ab und an eine pflanzenbasierte Alternative haben wollen.
Wir wollen dazu beitragen, dass man es wirklich auch genießen kann sich pflanzlich zu ernähren und es nicht nur lustlos hinnimmt, weil es aus rationalen Gründen besser für den Planeten ist. Das ist natürlich ein riesiger Bonus, aber deshalb würden wir niemals Kompromisse beim Geschmackserlebnis von TiNDLE eingehen.
Woraus besteht das TiNDLE-Produkt?
Borna Bayat: Wir benutzen dafür nur neun Zutaten. Das Kernprotein ist aus Soja. Weitere Zutaten sind Wasser, Hafer, Weizen, Sonnenblumenöl, Kokosnussöl und ein Kochbindemittel. Das so genannte „Lipi“, unser markenrechtlich geschütztes Geschmacksprofil das im Wesentlichen die Essenz von Hühnerfett ist, das aus Pflanzen gewonnen wird. Lipi verleiht TiNDLE den Geschmack, das Aroma und die Kocheigenschaften von Hühnchen.
Bei der Entwicklung haben wir festgestellt, dass das sowohl für den Geschmack, als auch fürs Anbraten sehr wichtig ist. Daher haben wir das komplett mit pflanzlichen Rohstoffen nachgebildet. Das ist sozusagen unsere Geheimzutat. Letztlich geht aber es darum, aus natürlichen Zutaten wie Lauch und Salz Geschmack zu erzeugen.
Geht es bei TiNDLE darum, den Hühnchengeschmack nachzuahmen oder eine Alternative zu bieten?
Borna Bayat: Man kann es sich als Zutat vorstellen, die Hühnerfleisch im Essen vollständig ersetzen kann, aber auch das Genusserlebnis von Hühnchen bieten soll. Es geht also um den Geschmack und die Konsistenz, wie es sich im Mund und auf der Zunge anfühlt. Den ersten Markteinstieg haben wir über die Restaurants bewerkstelligt und das Produkt daher für die Anforderungen der Köchinnen und Köche entwickelt.
Es lässt sich genauso abwechslungsreich wie Hühnerfleisch in verschiedenen Gerichten und für alle möglichen Zubereitungsarten verwenden. Von Pfannengerichten über Teigtaschen bis hin zu Grillspießen. Es ist ein sehr vielseitiges Protein. Zu Beginn lässt sich ähnlich wie ein Teig formen und mit Aromen, Gewürzen oder Marinaden verfeinern. Durch das Garen und je nach Zubereitungsweise erhält man die Konsistenz, Knusprigkeit und Festigkeit von Hühnerfleisch.
Wie lange hat die Entwicklung von TiNDLE gedauert?
Borna Bayat: Das Unternehmen wurde im Sommer 2020 gegründet. Die Entwicklung dauerte also ein Jahr, aber die Macher hinter dem Projekt sind schon seit gut 25 Jahren in der Branche unterwegs. John Seegers, unser Technischer Direktor, ist das Superhirn hinter dem Produkt. Und er arbeitet seit mehreren Jahrzehnten in der Branche. TiNDLE selbst wurde dann aber im März 2020 entwickelt. Wir haben in Singapur begonnen, erschließen aber laufend neue Standorte dazu. Mittlerweile sind wir in etwa 50 Städten und in über 500 Restaurants weltweit präsent. Und hatten erst kürzlich einen phänomenalen Launch in 40 Restaurants in Deutschland.
Mit wem kooperiert ihr?
Borna Bayat: Wir arbeiten mit verschiedenen Geschäftspartnern zusammen. Wir waren mit den Restaurantbetreibern und in der Regel auch mit deren Kochteam im Austausch. Pflanzenbasiertes Hühnerfleisch (wird meist) in vorgeformten, oft vorgegebenen Nuggets, Strukturen usw. geliefert, was die Verwendungsmöglichkeiten einschränkt. Bei uns waren die Köche besonders davon begeistert, dass man mit unserem Produkt wirklich alles erzeugen kann.
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Manche Köche waren besonders von dem Produkt überzeugt, nach dem sie dessen Vielseitigkeit erlebt hatten. Zum Beispiel hat hat ein Koch eine Form in 3D-Druck erstellt und damit eine Blume aus TiNDLE kreiert. Ein anderer Koch hat sich an das in den USA und in Großbritannien sehr beliebte Gericht „Chicken and Waffle“, also Brathähnchen mit Waffeln gewagt. Dafür hat er das klassische Brathähnchen einfach durch TiNDLE-Hähnchen ersetzt.
Fleischersatzprodukten wird oft nachgesagt, sie enthalten zu viele künstliche Zutaten. Wie geht ihr damit um?
Borna Bayat: Ein Anliegen bei unserer Entwicklung war, eben nicht 30 verschiedene, weitgehend unbekannte Zutaten einzusetzen. So sind wir bei neun einfachen Zutaten gelandet. Es gibt nur eine, die man nicht kennt, wenn man nicht in der Lebensmittelindustrie arbeitet ist ein veganes Kochbindemittel mit der Bezeichnung Methylcellulose. Alle anderen Zutaten finden wir vielleicht sogar in der eigenen Küche. Wir geben all unsere Zutaten auf der Website an, weil wir sehr transparent damit umgehen wollen.
Wie unterscheidet sich euer pflanzliches Hühnchen von anderen Hühnerersatzprodukten?
Borna Bayat: Allen voran in Geschmack und Konsistenz. Wir bieten veganes Hühnchen auf pflanzlicher Basis, welches man nicht von einem klassischen unterscheiden kann, außer man weiß es – das ist das Wichtigste. Darüber hinaus unterscheidet es sich darin, dass es wirklich formbar ist. TiNDLE lässt sich ganz nach eigenem Gusto marinieren oder mit verschiedenen Aromen, Soßen, Gewürzen und Aufmachungen bereichern.
Dank dieser Eigenschaft lässt es sich leicht verarbeiten und kann so zum Mittelpunkt eines jeden Gerichts werden. Kein anderes Produkt auf dem Markt verfügt über solche Eigenschaften.
Warum haben die Gründer sich dazu entschieden, das Unternehmen in Singapur anzusiedeln?
Borna Bayat: Ja, die Firma wurde in Singapur gegründet. Die Stadt verfügt über eine sehr gute Infrastruktur und ein gutes Netzwerk, sie bietet insgesamt ein gutes Umfeld für Innovationen, gerade im Bereich Lebensmitteltechnologie. Die Regierung von Singapur ist in dieser Hinsicht sehr zukunftsorientiert. Dort wurde in Innovation, vertikale Landwirtschaft, pflanzliche Lebensmittel u. v. m. investiert. Zudem sind dort qualifizierte Leute und finanzielle Mittel für den Raum vorhanden.
Was für Produkte entwickelt ihr aktuell?
Borna Bayat: Einige davon sind schon küchenfertig, z. B. Burgerpatties und Nuggets, andere wiederum lassen sich in unterschiedlichen Küchenkonstellationen ganz vielseitig verarbeiten und zubereiten. TiNDLE ist unser Flaggschiff, auf der weitere Innovation aufbauen (werden).
Derzeit wird TiNDLE nur in der Gastronomie verkauft. Gibt es auch Pläne, das Produkt im Einzelhandel einzuführen?
Borna Bayat: Ja, das wird sicher eines Tages passieren. Aktuell geht es erstmal darum, dass die Menschen beim ersten Mal ein positives Erlebnis haben, TiNDLE kennenzulernen und dabei das hervorragende Essen unserer Restaurantpartner zu genießen.
Wir möchten, dass die Leute einen geradezu erleuchtenden Moment erleben, in dem sie das Produkt verstehen und warum sie Gefallen daran finden. Um das zu erreichen, müssen die Kunden ein besonderes Erlebnis haben. Und am besten gelingt das eben einem Profi. Es gibt viele exzellente Köche, aber die meisten von uns haben wenig Zeit.