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From nose to tail: Darum züchten immer mehr Küchenchefs selbst

Von: Lesezeit: 8 Minuten

Ob Rinder, Wasserbüffel, Mangalitza-Schweine oder Geflügel. Zahlreiche Küchenchefs züchten mittlerweile selbst. From nose to tail ist hier die Devise. KTCHNrebel hat mit Spitzenköchen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich gesprochen. Einblicke in eine Koch-Philosophie abseits der Massentierhaltung.

Fleisch ist ein wertvolles Lebensmittel, aber immer wieder gibt es Skandale um Massentierhaltung oder illegale Praktiken. Nicht nur der Gast will genau wissen, woher sein Fleisch kommt. Qualität, Regionalität, Nachhaltigkeit und Tierwohl werden immer wichtiger. Warum züchten einige Spitzenköche selbst? Was halten sie von vegetarischer oder veganer Küche? Und was raten diese ihren Kollegen?

Pionier vom Falkenhof

Franz Keller vom Falkenhof im Taunus mit selbstgezüchtetem Ferkel

Franz Keller | Image: Paul-Felix Heinisch

Rinder- und Schweinezucht nach Bio-Kriterien

Seit über 14 Jahren züchtet Franz Keller Rinder und Schweine auf dem Falkenhof im Taunus nach Bio-Kriterien: „Gutes Fleisch ist für meinen Falkenhof und für die Adler Wirtschaft, die mein Sohn führt, unabdingbar“. Das Thema Tierwohl ist ihm wichtig, seine Tiere werden artgerecht gehalten: „Die Schweine sind das ganze Jahr im Freiland-Gehege. Die Rinder wachsen möglichst auf der Weide auf, im Winter sind sie nur teilweise im Stall“. Auch das Ende ist respektvoll: Geschlachtet wird überwiegend in einem biozertifizierten Schlachthof, der elf Kilometer entfernt ist: „Manchmal schlachten wir auch selbst am Hof“, so Keller. Verarbeitet wird das ganze Tier – von Kopf bis Fuß. „Sogar das Fell wird in Deutschland gegerbt und zu Messer- und Laptop-Taschen verarbeitet“, erklärt der Koch.

Vom Einfachen das Beste

Franz Keller stammt aus einer Gastronomen-Familie mit Metzgerei aus Vogsburg-Oberbergen bei Freiburg. Sein Handwerk erlernte er bei Paul Bocuse und Jean Ducloux. Insgesamt erhielt er fünf Michelin-Sterne, bis er sich 1993 aus der Sternegastronomie verabschiedete und die Adler Wirtschaft eröffnete: Sein Motto „Vom Einfachsten das Beste“. Um die gewünschte Qualität zu erhalten, begann er, Fleisch selbst zu produzieren. Seine Rinder sind eine Kreuzung aus Limousin- und Charolais mit einem Kobe-Bullen. Auf dem Hof leben zudem bunte Bentheimer, eine seltene Schweine-Rasse, die viel Fett ansetzt. „Ein Schwein, muss fett sein“, betont Keller. Seine Schweine werden bis zu eineinhalb Jahre alt, die Rinder drei Jahre: „Erst dann ist das Fleisch wirklich reif“, so der 72jährige. „Wir müssen die Tiere achten, denn sie ernähren uns“. Wie steht der Fleischexperte zum Thema vegetarische Küche? „Weniger Fleisch zu essen finde ich sehr gut“, so Keller. „Es ist in Ordnung, wenn die Gesellschaft sich umorientiert“. Den Vegan-Boom kann er dagegen nicht nachvollziehen: „Für mich ist vegan eine aufgeheizte Mode-Erscheinung, ein Riesen-Markt. Wir haben sehr schnell reagierende Märkte. Daher wird auch ein veganes Schnitzel produziert“. Eine rein vegane Ernährung sei für ihn ein Irrweg.

Selbst gezüchtetes und geschlachtetes Fleisch vom Falkenhof - zubereitetet und serviert in der Adler Wirtschaft

Image: Paul-Felix Heinisch

Klimawandel und Regionalität

Sein Fleisch verwendet Keller am Falkenhof für Kochkurse, Küchenpartys und in der Adlerwirtschaft. Durch Corona habe man sich umorientiert und verkaufe auch an Privatkunden. Alle zwei Monate bis drei Monate kann man Rinder-Burgerpatties, Rinder & Schweine-Würste, Steak vorbestellen und am Falkenhof abholen. Zukünftig werde er vermutlich weniger Tiere züchten: „Durch den Klimawandel muss ich meine Herde verkleinern – es ist leider zu oft zu trocken auf den Weiden“, bedauert der Spitzenkoch.

Sein Tipp: „Sucht euch Partner aus der Region. Bauern, die ihre Tiere nach Tierwohlkriterien züchten. Heutzutage gibt es tolle Bio-Betriebe. Ich konnte mich ganz der Zucht widmen, da mein Sohn das Restaurant übernommen hat“.

Alles vom Wasserbüffel

Ein ganz junges Team sind „The Valvs“ – Valentin Schwencke (25), Amelie Schweisfurth (23) und Vuong Pham Huu (28) vom Büffelhof im bayerischen Beuerbach. Das Koch-Trio züchtet Wasserbüffel und Mangalitza – Wollschweine.

From nose to tail: Mangalitza - Wollschweine vom Büffelhof

Image: Matthias Nager

Zucht mit Geschichte

„Gezüchtet wurde am Büffelhof schon früher. Das wollten wir wieder aufgreifen. Für uns ist der direkte Bezug zu den Tieren sehr wichtig. Außerdem sind wir mit Tieren aufgewachsen“, betont Amelie Schweisfurth. Früher war die Zucht am Büffelhof viel größer und wurde von Valentin Schwenckes Vater betrieben. Nachdem 2019 die Gastronomie mit Eventlocation eröffnet wurde, wurde die Büffelzucht ausgelagert. Doch seit letztem Jahr gibt es wieder Büffel am Hof und das erste Kalb kam im November 2021 zur Welt: „Wie das erste Kalb da war, haben wir uns riesig gefreut“ sagt Schwencke. Mittlerweile leben zehn Wasserbüffel, ein Stier, fünf Mutterkühe und vier Kälber auf dem Büffelhof. Zusätzlich wuseln 18 Mangalitza-Schweine umher: „Die Schweine haben viel Fett am Rücken und Nacken, das gibt tolle Koteletts, Lardo oder Lendensteaks“, erklärt Valentin Schwencke. Jeden Morgen werden die Tiere versorgt – erst danach geht es für das Trio an den Küchenherd.

Das Koch-Trio (Valentin Schwencke , Amelie Schweisfurth und Vuong Pham Huu) vom Büffelhof im bayerischen Beuerbach.

Image: Matthias Nager

From Nose to tail: Fleischkonsum und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus

Nach dem Motto „From nose to tail“ wird alle paar Monate ein Tier komplett verwertet: „Die Büffel werden am Hof von einem Jäger geschossen und anschließend in einer Metzgerei in der Nähe zerlegt. Wir bekommen dann das Fleisch so zugeschnitten, wie wir es am besten nutzen können. Die Schweine fahren wir zum Schlachten in die Metzgerei“, so Schwencke. „Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit“.

Wasserbüffel nach Schlammbad - am Büffelhof werden die Tiere selbst gezüchtet und verwertet

Image: Matthias Nager

Eine nachhaltige Zucht mit direkter und ganzheitlicher Verarbeitung stehe nicht in Konkurrenz zu einer veganen Ernährung: „Viel mehr wünschen wir uns eine Kombination aus beidem – wenn man auf viele Fleisch- und Milchprodukten verzichten kann, indem man attraktive Alternativen schafft“, sagt Amelie Schweisfurth. Das Thema Fermentation sei dabei total interessant: „Wir versuchen mehr und mehr, so vegane Gerichte zu entwickeln, die ausschließlich aus regionalen Produkten bestehen und nach allen handwerklichen Regeln ohne Zusatzstoffe hergestellt werden können“. Am Büffelhof gebe es viele Gäste, die bewusst auf Fleisch verzichteten – aber doch mal einen Büffel probieren wollten: „Dadurch sehen wir in der Zukunft die Chance auf ein allgemeines Grundverständnis für natürliche Lebensmittel, die direkt aus unserer Region stammen“, sagt Schwencke.

Büffel fressen Heu am Büffelhof im Winter

Image: Matthias Nager

Das Büffel-Fleisch ist nur für den Eigenbedarf. „Natürlich haben wir manchmal spezielle Anfragen von Stammgästen, dann legen wir gerne auch etwas zur Seite“, verrät Schwencke. Im Hofladen gibt es selbstgemachte Erzeugnisse wie Wurst, Fonds und Saucen.

Ein Tipp: „Am Anfang ist sicherlich eine Zusammenarbeit mit einem Partnerbetrieb nützlich, über den auch anderes Fleisch bezogen werden kann und man Erfahrungen austauscht“. Sonst solle man langsam starten: „So kann man am besten lernen, wie mit den Tieren umzugehen ist. Zusätzlich wächst einem das Arbeitspensum nicht gleich über den Kopf“, sagt Schweisfurth.

Retter alter Geflügel-Rassen

Ein weiterer Vorreiter ist der Franzose Frédéric Ménager: „Vor 20 Jahren hatte ich große Probleme, die Produkte in der Qualität zu finden, die ich wollte. Daher kam ich auf die Idee, einen Bio-Bauernhof selbst zu bewirtschaften. Und auch mein Gemüse und mein Fleisch selbst zu produzieren“. Die Ferme de la Ruchotte liegt in der Nähe von Beaune in Burgund: „Mein Ziel ist eine gesunde Naturküche. Eine Küche, die Körper und Seele nährt“, betont Ménager.

Um die Qualität zu bekommen die er verlangt, züchtet er nun selbst

Frédéric Ménager | Image: Aurelio Rodriguez

Fünf-Gänge-Menü aus eigens produzierten Zutaten

In seinem Landgasthof offeriert er Fünf-Gänge-Menüs, ausschließlich aus Produkten aus seiner Landwirtschaft. „Meine Küche hat durch den Bauernhof an Bedeutung gewonnen“. Seine Tage starteten mit den Tieren: „Der Rhythmus des Landgasthofs ist ganz an den Rhythmus des Lebens auf dem Bauernhof angelehnt“, so der Koch, der etwa im Hotel Balzac mit Alain Chapel gearbeitet hat.

Truthahn aus Árdennen

Truthahn aus den Ardennen | Image: Aurelio Rodriguez

Auf dem Bauernhof kümmert sich der Spitzenkoch um acht Sorten Geflügel aus der Gascogne, bevorzugt alte Rassen wie Barbezieux, La Fleche, Le Mans, Marans, rote Puten aus den Ardennen, aber auch schwarze Schweine aus Bigorre. Jedes Jahr züchtet er etwa 1.500 und 2.000 Stück Federvieh. Etwa ein Viertel seines Geflügels verkauft Ménager an andere Küchenchefs, und auch an Gäste des Restaurants.

Vegan/Vegetarisch?

Was hält er vom Veganen/Vegetarischen Boom? „Ich glaube nicht an Ernährungsextremismus. Ich denke, dass wir Allesfresser sind und uns ausgewogen ernähren sollen. Aber natürlich viel weniger Fleisch essen“, sagt Ménager. Zwangsläufig sollte man in Zukunft dieses Bewusstsein entwickeln und viel mehr pflanzliche Lebensmittel essen. Seiner Meinung nach wird es künftig immer mehr Vegetarier geben: „Wir sollten uns eine Welt des Gleichgewichts inmitten eines gesunden Ökosystems vorstellen“, so Frédéric Ménager.

Frédéric Ménager hat sich auf die Zucht mit alten Geflügel Rassen spezialisiert

Huhn Barbezieux | Image: Aurelio Rodriguez

Sein Tipp ist fast philosophisch: „Man sollte die Tiere und ihren Lebensraum respektieren, im Tod und auf dem Teller. Man braucht viel Mut. Denn das ist nicht einfach. Betreibt eine Landwirtschaft, die den Boden und das Leben respektiert, dann wird das Kochen jeden Tag zu einem Wunder“.

Frédéric Ménager offeriert ein Fünf-Gänge-Menü komplett aus Zutaten die aus seiner Landwirtschaft stammen

Gascogne Schwein | Image: Aurelio Rodriguez

Schweizer Dream-Team

Die Brüder Nessensohn sind ein eingespieltes Team: Adrian steht am Herd – und Kay bewirtschaftet den Bauernhof, von dem das Fleisch stammt. 2020 hat sich Adrian Nessensohn mit seiner Partnerin Svenja Bellmann mit dem Restaurant Helvetia in Sankt Gallen selbständig gemacht: „Wegen unserer Leidenschaft zum Kochen und weil uns der Bezug zu Lebensmitteln und deren Herkunft sehr wichtig ist“. Das Helvetia ist mit 14 GaultMillau-Punkten gestartet. Beide sind schon seit 15 Jahren in der Gastronomie tätig und haben sich ihre Sporen in Restaurants wie der Chesery in Gstaad oder im Lampart’s in Hägendorf verdient. Auf dem elterlichen Lauftenhof in Lengwil betreibt Kay Nessensohn Mutterkuhhaltung von Black Angus und Limousin-Rindern. Vor vier Jahren kamen noch Turopolje-Schweine dazu. „Ich möchte gesundes, qualitativ hochwertiges und langsam gewachsenes Fleisch produzieren, das ohne Futtermittelzukauf, ohne Hormonbehandlung und möglichst ohne Antibiotika-Einsatz auf den Teller kommt“, so der Landwirt.

Die Brüder Nessensohn sind ein eingespieltes Team: Adrian steht am Herd – und Kay bewirtschaftet den Bauernhof

Brüder Nessensohn | Image: Nessensohn

Es ist ein enges Zusammenarbeiten: „Kay gibt Bescheid, wenn ein Tier geschlachtet wird. Wir sagen, welche Teile wir brauchen oder sie sagen uns was es noch gibt. Da wir meist nur second cuts verwenden, kann er die Edelstücke gut an andere verkaufen“, so Adrian. Beide arbeiten auch mit einer Metzgerei zusammen, um das Tier komplett zu verarbeiten. Ein Metzger übernimmt zudem die Auftragsschlachtungen für den Eigenverkauf: „Wir übernehmen die Ohren und Füße der Schweine und bereiten sie zu“, sagt der Küchenchef.

Vegetarische Küche hält Nessensohn für sinnvoll: „Wir haben eine sehr gemüsereiche Küche, da wir auf bewusstes Essen setzen. Das ist ein guter Weg Richtung Zukunft“. Menschen seien Allesesser. Man sollte den Fleischkonsum niedrig halten – so wie in der Natur vorgesehen: „Denn so wird auch die Viehzucht wieder tiergerechter und nicht mehr rein als Ware und Konsumgut betrachtet. Im Restaurant sind Vegetarier Alltag“, betont der Gourmet-Koch. Vegan sei eine Lebenseinstellung und eher schwer umsetzbar: „Zumal wir selber auch ungern auf Eier, Milch und Produkte wie Honig verzichten möchten“.

Nessensohn's Rinderzucht: nachhaltig, gesund und hochwertig

Image: Nessensohn

Sein Tipp: „Tiere zu züchten ist aufwendig und nimmt viel Zeit in Anspruch. Ein Rind wiegt etwa 500 Kilo davon hat man 250 bis 300 Kilo Fleisch. Das wenigste davon sind Edelstücke. Es gibt viel Hackfleisch oder Wurst. Es ist ratsam, mit einem guten Metzger zusammenzuarbeiten“. Aber wenn man absolut überzeugt sei, könne man seine Leidenschaft sehr gut die Gäste weitergeben.

Digitalisierung in der Gastronomie: so wichtig wie noch nie

Dass das Thema Digitalisierung in der professionellen Küche mittlerweile einen sehr wichtigen Stellenwert hat, dessen sind sich alle Interviewpartner einig, wenn gleich sie unterschiedliche Vorteile nennen:

Koch Adrian Nessensohn setzt auf den Nose-to-tail Ansatz

Image: Nessensohn

Mit Digitalisierung gegen Personalknappheit und für mehr Wohlbefinden bei den Mitarbeitern

In der Adler Wirtschaft arbeitet Franz Keller Junior seit Jahren mit einem Combi-Dämpfer: „Geräte, die mit einer umfangreichen Sensorik und präziser Parameteranpassung ausgestattet sind, sind ein wichtiger Faktor – gerade im Hinblick auf die Personalknappheit“. Praktisch und effizient sei es in jedem Fall: die Geräte lieferten eine gleichbleibende Qualität, wenn man selbst Qualitätsprodukte verwende.

Intelligent Kochsysteme von Rational

Image: Rational AG

Intelligente Geräte in der Restaurant-Küche sind auch für Frédéric Ménager in seiner Ferme de la Ruchotte eine Hilfe: „Die Kochsysteme haben sich weiterentwickelt. Wir können nachts kochen und so viel Energie sparen. Diese Tools sparen uns viel Zeit und wirken sich auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter aus“, so der Heavy-Metal-Fan.

Intelligente Geräte für gleichbleibende Ergebnisse und einen hohen Grad an Flexibilität

Digitalisierung in der Küche ist auch für Valentin Schwencke vom Büffelhof sinnvoll: „Wir nutzen einen Kombidämpfer von Rational. Wir schätzen sehr, dass wir so flexibel in den Garvorgängen sind. Sowohl für niedrige als auch sehr hohe Temperaturen mit unterschiedlichen Feuchtigkeitsgraden, ist dieser sehr gut geeignet“, sagt Schwencke.

In seiner Küche nutzt der Schweizer Koch Adrian Nessensohn moderne Geräte wie Pacojet, Thermomix, Dörrschrank und Kombisteamer, um bessere und konstante Ergebnisse zu erzielen: „Aber da wir eine kleine Küche haben, geht nichts vollautomatisch und auch nicht nur rein digital“.

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