„Es gibt einen großen Unterschied zwischen seiner TV-Persönlichkeit, wie man sie besonders im amerikanischen, sensationsheischenden Fernsehen zu sehen bekommt, und seiner privaten Seite beziehungsweise dem, wie er ist, wenn man mit ihm zusammenarbeitet!“ – Auf ihren nunmehrigen Ex-Chef und noch immer Mentor Gordon Ramsay lässt Clare Smyth definitiv nichts kommen.
Und das nicht ohne Grund: „Wenn er privat wirklich so wäre wie in den Fernsehshows, hätte keiner so lange mit ihm gearbeitet“, springt die Küchenkoryphäe für Ramsay in die Bresche. Klingt einleuchtend. Vielleicht hat die sympathisch-bodenständige Clare Smyth aber auch nur ein dickes Fell. Das muss man haben, wenn man als erste und bislang einzige Küchenchefin in Großbritannien jahrelang drei Michelin-Sterne gehalten hat. Aber auch der TV-wirksame Parade-Choleriker Ramsay streute seiner loyalen, rampenlichtscheuen Kollegin in einem offiziellen Statement Rosen, als im Herbst 2015 bekanntgegeben wurde, dass die zuletzt als „Chef-Patron“ betitelte Smyth die Dependance seines Restaurants Gordon Ramsay im Londoner Stadtteil Chelsea mit 2016 verlässt, um sich mit ihrem Herzensprojekt Core selbstständig zu machen: „Clare ist zweifelsohne eine der größten Küchenchefinnen, die je meine Küche geziert haben, und hat sich zudemzum prominentesten weiblichen Küchenchef unserer Generation gemausert.“
Im Galopp an die Spitze
Man kann von Glück reden, dass Smyth in der Gastronomie gelandet ist und sich nicht für ihre berufliche Alternative als Springreiterin entschieden hat. Die gebürtige Nordirin wuchs nämlich auf einer Farm auf, wo ihre Familie noch heute Pferde hält. Viele erfolgreich gewonnene Wettbewerbe in dieser Sportdisziplin machten jedoch nicht ihre Liebe zur Gastronomie wett. Schon als Teenager half die heute 39-Jährige in lokalen Restaurants aus, durch Treffen mit Küchenchefs und ein kulinarisches Selbststudium in Form von Kochbüchern sei sie auf natürliche Weise in diesen Berufszweig schließlich hineingewachsen, erzählt sie, und ergänzt: „Mein Umfeld meinte immer, dass ich es einmal zur Küchenchefin bringen würde. Ich habe es ihnen nicht geglaubt, bis mir eines Tages klar wurde, dass ich es tatsächlich schaffen könnte.“
Mit 16 Jahren machte Smyth Nägel mit Köpfen, denn wenn schon Gastronomie, dann kam für sie nur das Mitmischen an der Spitze infrage, der Haute Cuisine. Und Clare Smyth hat in puncto Karriere das Pferd definitiv von vorne aufgezäumt. So kehrte sie ihrer Heimat den Rücken, ging nach England, wo sie auch ihre Ausbildung absolvierte, und zog mit 18 Jahren nach London. Nach Stationen im The Waterside Inn, dem Bibendum und dem The Fat Duck sowie nach Aufenthalten in Australien und Cornwall, wo Smyth zur Küchenchefin im Restaurant des The St Enodoc Hotels aufstieg, wurde 2001 schließlich Gordon Ramsay auf das Ausnahmetalent aufmerksam und holte Smyth in sein Team.
Einfach Genial
Ein Hauch von nordirischer Heimat: Jellied eel, toasted seaweed and malt vinegar. Ab 2004 schärfte der disziplinierte Ramsay-Schützling sein berufliches Profil durch Stages in Thomas Kellers Restaurants The French Laundry und dem Per Se sowie in Monaco, wo Smyth für ihr nach Ramsay zweites kulinarisches Idol Alain Ducasse eineinhalb Jahre im Le Louis XV arbeitete, bevor es sie 2007 wieder nach London und zu Ramsay zurückzog. Der setzte die damals erst 29-Jährige prompt als Head Chef in seinem Restaurant in Chelsea ein. Der Erfolg gab Ramsays Entscheidung recht. Neben den drei Sternen im Guide Michelin, die Smyth bis zu ihrem Abgang konsequent behauptete, wurden ihre Leistungen mit vielen weiteren Preisen honoriert, wie dem „Michelin Female Chef 2017“, mit dem Smyth während der Award-Zeremonie für Großbritannien und Irland geadelt wurde. Die Krönung ihrer Auszeichnungen stellte aber unbestritten die Ernennung zum Member of the British Empire, kurz MBE, dar, verliehen für ihre Verdienste um die Hospitality-Branche im Jahr 2013. Smyths Karriere, die von prestigeträchtigen Awards und mit Namen von Starköchen wie Heston Blumenthal, Claude Bosi, den Roux-Brüdern, Thomas Keller, Alain Ducasse und Gordon Ramsay gepflastert ist, fehlte es nur noch, selbst aus dem Schatten herauszutreten. Sich den Namen zu machen, für den sie sich schon längst ihre Sporen verdient hat.
„Jetzt oder nie“
In Londons Viertel Notting Hill eröffnete Clare Smyth im Sommer 2017 schließlich und endlich ihr Restaurant Core. „Es war einfach etwas, über das ich schon lange nachgedacht habe. Eine ‚Jetzt-oder-nie‘-Entscheidung und auch ein natürlicher Entwicklungsschritt für mich. Ich wollte nicht auf ewig den gleichen Job machen“, klärt die 39-Jährige über ihre Beweggründe für die eingeschlagenen Solopfade auf. Mit dem Core ist der ehemaligen 3-Sterne-Köchin jedenfalls ein elegant-entspannter Casual-Dining-Hotspot gelungen, mit Service und Küche auf Top-Niveau. Es gibt im 54 Sitzplätze umfassenden Restaurant auch keinen Dresscode, dafür Musik à la U2 und Van Morrison sowie jede Menge Spaß mit dem 35-köpfigen Team und natürlich der Chefin höchstpersönlich. Es war Clare Smyth einfach ein Bedürfnis, ihren Gästen die Fine-Dining-Schwellenangst zu nehmen und die Lokalität für jedermann leistbar zu machen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich der Wirkung des Gäste-Feedbacks bewusst ist: „Awards sind natürlich eine schöne Anerkennung, aber am wichtigsten sind wiederkehrende Gäste. Jeder Gast hat heutzutage ein eigenes Sprachrohr, eine Plattform, durch die Social Media. Das darf man nicht übersehen.“
Wie sich Smyth als Küchenchefin beschreibt? „Kreativ, engagiert und detailverliebt bis zum Zwanghaften“, lacht die Core-Chefin. Attribute, die sich auch gepaart mit ihrer Naturverbundenheit in ihrem Küchenstil widerspiegeln: „Je älter ich werde, desto einfacher werden meine Gerichte und desto höher ist mein Anspruch, ein Produkt perfekt zu kochen.“ In der Regel ist dieses eine Produkt sehr einfach und bescheiden. Wie der Star ihres Signature-Gerichts „Charlotte potato dulse beurre blanc, herring and trout roe“, das momentan enorme Aufmerksamkeit genießt, Teil ihrer beiden fünf- und siebengängigen Tasting-Menüs ist und als Hommage an ihre Heimat zu verstehen ist: „Es ist ein Symbol für mein Aufwachsen in Irland, da gab es beinahe jeden Tag Kartoffeln.“
Treu ist Smyth nicht nur ihrem Geburtsland, sondern auch ihrem Mentor Gordon Ramsay geblieben. Wie viel sie beim Küchenzampano gelernt hat, wurde ihr besonders in letzter Zeit bewusst: „Es ist lustig, wie viele Dinge Gordon mir über die Jahre gesagt hat, denen ich zum jeweiligen Zeitpunkt oft gar nicht so viel Beachtung geschenkt habe, aber wo ich nun oft denke: Er hatte so recht! Jetzt, wo ich mein eigenes Restaurant habe, kommen diese Dinge zum Tragen. Er hat mir einfach immer großartige Ratschläge gegeben und tut es noch.“ Ob er sie auch in ihrem Wunsch bestärkt hat, mit dem Core den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu setzen? Man weiß es nicht. Für Clare Smyth war es aber definitiv die richtige Entscheidung.
Clare Smyth wusste schon früh im Leben, dass sie Küchenchefin werden wollte. Mit 16 Jahren verließ sie ihr Zuhause im nordirischen County Antrim, um sich an die Spitze der Gastronomie hochzuarbeiten. 2001 holte Gordon Ramsay die heute 39-Jährige in sein gleichnamiges Restaurant in London. Nach Stages in Thomas Kellers US-Restaurants The French Laundry und Per Se sowie einem eineinhalb Jahre dauernden Gastspiel in Alain Ducasses Restaurant Louis XV in Monaco kehrte Smyth nach London und zu Ramsay zurück. Bis 2016 hielt sie als Küchenchefin in seinem Restaurant in Chelsea drei Michelin-Sterne und ist damit die bis heute erste und einzige Küchenchefin in Großbritannien, der dieses Kunststück gelang. 2017 machte sich Smyth mit ihrem Restaurant Core selbständig.
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