Seit die koreanische Tempelküche durch die buddhistische Nonne Jeong Kwan in der berühmten TV-Kochshow „Chef’s Table“ vorgestellt wurde, begeistert die Strahlkraft dieser sanftmütigen Kulinarik viele Genießer. Dabei ist die koreanische Tempelküche keineswegs eine neumodische Erscheinung. Bereits seit über 1700 Jahre wird sie praktiziert und ihre Grundprinzipien sind moderner denn je. Es geht um Trendthemen wie Veganismus, mikrosaisonale Küche, unbehandelte Zutaten, Fermentation, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit. Der attraktiv bebilderte Band „Wookwan’s Korean Temple Food“ mit zahlreichen Rezepturen ist Ausdruck dieses Interesses und gibt einen guten Einblick.
Praktiziert wird die koreanische Tempelküche auch von Seonjae. Die buddhistische Nonne aus Südkorea ist als Temple Food Master mit den Feinheiten der koreanischen Tempelküche vertraut. „Da meine Großmutter mütterlicherseits Hofdame in der Palastküche Suragan war, habe ich schon sehr früh als Kind bei ihr kochen gelernt und später im Kloster bei einem ehrwürdigen Mönch“, erzählt die Nonne. Und sie weiß, wie das exotische Konzept auch uns westlich orientierte Menschen bereichern kann. In einem exklusiven Workshop ließ Seonjae sich in die Töpfe schauen und lud zum geselligen Mitkochen ein. KTCHNrebel war dabei.
Tempelküche leicht gemacht
Obwohl Corona-bedingt ein jeder in seiner Küche blieb und Seonjae nur via Bildschirm anwesend war, vermittelte die Nonne überzeugend die Freude am gemeinsamen Kochen und nahm sogleich alle Berührungsängste mit der fremden Küche. Da wurde geschnippelt und gebrutzelt und probiert und die spannende Mischung aus Unbekanntem und Vertrautem sorgte für Spaß und Gesprächsstoff. Im Nu entstanden unkomplizierte und aromatische Kompositionen wie eingelegte Walnuss in Chilipaste, Pilz-Gemüse-Pfanne mit Sojabohnenpaste oder gedämpfte Kartoffeln. Würzzutaten wie Chili, Sojabohnenpaste und Sojasauce lieferten appetitlichen Pep und dickflüssiger Reissirup den Hauch Süße, der den Geschmack angenehm ausbalanciert. Klingt lecker? Ist es auch. Schließlich sind hier stets sechs grundlegende Geschmacksrichtungen im Einklang. „Die sechs Geschmackrichtungen sind salzig, süß, sauer, bitter, scharf und adstringierend“, erklärt die Tempelköchin. „Diese sollen miteinander harmonieren.“
Genießen und Gutes tun
Aber es steckt noch mehr dahinter! Seonjae erzählt: „Mit der Tempelküche und deren Grundgedanken, dass Körper, Geist und wir alle eins sind, möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, die Probleme der globalen Erderwärmung und der damit einhergehenden Naturkatastrophen, die wir gerade erleben, weise zu lösen und eine hoffungsvolle, friedvolle Zukunft zu gestalten.“ Eine Küche also, die perfekt in unsere Zeit passt!
Das Beste: Diese freundliche Küche lässt bei der Wahl der Zutaten viel Spielraum. Regionale Lebensmittel passen bestens dazu und Experimentieren mit dem, was zur Verfügung steht, ist ausdrücklich erlaubt. Auch beim Einkaufen für den Workshop musste es keineswegs rigide zugehen, die angegebenen Alternativen machten es jedem leicht, seinen persönlichen Warenkorb zusammenzustellen. Eine Ausnahme sind die fünf verbotenen Zutaten Frühlingszwiebel, Knoblauch, Schalotten, Schnittlauch und Lauch, die nach buddhistischer Auffassung die Konzentration bei der Meditation negativ beeinflussen können.
Gastronomisch umgesetzt wurde das Konzept bislang außerhalb Koreas kaum. „Soweit ich weiß, gibt es im Ausland noch keine Restaurants, die auf die koreanische Tempelküche spezialisiert sind“, erklärt die freundliche Nonne. Schade eigentlich – und ein Grund mehr, sich als Gastronom mit diesem erfolgversprechenden Konzept zu befassen!
Die Tempelküche liegt voll im Vegan-Trend
Was gleich auffällt: Diese Küche ist vegan. Auf dem buddhistischen „Karuna“, dem Mitgefühl für alle Lebewesen, basierend, kommt sie ohne tierische Zutaten aus und passt damit zu einem der wichtigsten Ernährungstrends unserer Zeit. Noch dazu enthalten die Tempelspeisen viele gesunde Elemente: hochwertiges Eiweiß aus Bohnen, ungesättigte Fettsäuren aus verschiedenen Ölsorten, unterschiedliche Vitamine, Mineralien, Zellulose und andere wertvolle Inhaltsstoffe aus diversen Gemüsesorten. Außerdem werden beim Tempelessen nur natürliche Geschmacksverstärker wie Seetang, Pilze, wilder Sesam und Rohbohnenpulver verwendet. Einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit liefern nicht zuletzt die vielen fermentierten Zutaten – und auch damit liegt die leckere Tempelküche ganz im Trend.
Fermentation gehört zu den Genuss-Geheimnissen
In den koreanischen Tempeln werden für die langen Winter viele konservierte und fermentierte Speisen vorbereitet: Kimchi mit allen möglichen Gemüsearten, Bohnenpaste, Chilipaste und Sojasoße sowie eingelegtes Gemüse wie Toona Sinensis (Chinesischer Surenbaum) und Szechuanpfeffer. Besonders die Pasten bieten Nährstoffe, die durch den Verzehr von rohem Gemüse gar nicht aufgenommen werden können. Auch Seonjae liebt sie: „Sie enthalten die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft, und die Zeit“, führt sie aus. „Ich halte sie für das beste Heilmittel.“
Glückliche Zutaten machen uns glücklich
Ihr Rat: „Wir sollen unsere Lebensmittel als Medizin betrachten und deswegen nur so viel zu uns nehmen, wie unser Körper unbedingt braucht.“ Außerdem betont sie, dass man gute Zutaten auswählen muss. „Gute Zutaten sind saisonale Zutaten, die ohne Einsatz von Pestiziden auf natürlicher Weise mit geringstem Schaden für die Natur angebaut und geerntet wurden“, erläutert sie. „Wir sind dann glücklich, wenn wir natürliche Zutaten nehmen, die glücklich gewachsen sind“, ist sie überzeugt. „Ferner sollen wir der Natur und auch all denjenigen dankbar sein, die für unser Essen hart gearbeitet haben. Und wir sollen die guten Gedanken mit den Speisenden teilen. Wenn wir uns daranhalten, werden wir auch kein Essen übriglassen.“
Nachhaltigkeit – in der koreanischen Tempelküche mehr als ein Schlagwort
In der Tat sind Nachhaltigkeit und Sparsamkeit grundlegende Prinzipien dieses Konzepts. Dazu gehört auch, Gemüse als Ganzes zu essen, damit keine essbaren Bestandteile weggeworfen werden und die verschiedenen Nährstoffe vollständig erhalten bleiben. Beim Polieren von Reiskörnern wird versucht, die Oberfläche nicht zu sehr zu beschädigen, um die Zerstörung von Nährstoffen zu vermeiden. Auch wird das Wasser, mit dem die Reiskörner gewaschen oder in dem Pilze eingeweicht wurden, als Brühe für Eintöpfe verwendet. Das Wasser, in dem Gemüse blanchiert wird, wird als Suppe gekocht oder als Mul-Kimchi (Wasser-Kimchi) verwendet.
Die Tempelküche steht für achtsamen Genuss
Das wichtigste Prinzip aber ist und bleibt der dankbare, achtsame und gemeinsame Genuss. Seonjae erklärt: „Im Buddhismus wird Essen als Gongyang – Opfergabe – genannt. Gongyang bedeutet miteinander teilen. Die Begegnung zwischen der Speise und mir ist sehr wertvoll. Aus diesen kostbaren Begegnungen teilen wir unsere Nahrung und unsere Herzen mit Familien, Freunden, Mitmenschen und auch mit den Lebewesen der Natur.“ Das Ergebnis: „Wir spüren Frieden.“
Beim Templestay die Tempelküche authentisch erleben
Und eins ist klar: Am intensivsten eintauchen in die faszinierende Welt der koreanischen Tempelküche kann man direkt vor Ort bei einem Tempelaufenthalt. Allein rund um Seoul findet man 24 Tempel, in denen man für zwei bis drei Tage den Alltag praktizierender Buddhisten erleben kann. Dazu gehören neben Andachten und Meditationen auch die Teezeremonien und natürlich das „Barugongyang“, das rituelle klösterliche Mahl.