Wie kommt ein Gastronom auf die irrwitzige Idee, ein Konzept zu entwickeln, das alles, was Gäste in einem Restaurant zum Verweilen einlädt, nicht beinhaltet? Und zwar – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – bis hin zu den Sitzmöglichkeiten? „Ich wollte nicht nur einen Kunden in einer Stunde haben, sondern die doppelte Gästeanzahl in der gleichen Zeit“, erklärt Kunio Ichinose, Gründer der Ikinari-Steakrestaurants, völlig ernst.
Diese Rechnung mag vielleicht in der Theorie und aus wirtschaftlicher Sicht aufgehen, aber dass sie auch praxistauglich ist? Darauf hätten viele wohl kaum ihr Geld verwettet. Doch der umtriebige Geschäftsmann, der sein Gastro-Imperium mit japanischen Steakrestaurants aufgebaut hat, ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und der Erfolg gibt ihm recht: Im Dezember 2013 legte Ichinose unter dem Motto „Top-Quality-Steaks zu leistbaren Preisen“ den Grundstein für seine Ikinari-Steakkette und heute hält er bei 119 Restaurants in Japan. Kürzlich wagte er den Sprung über den Großen Teich und eröffnete Filiale Nummer 120 im New Yorker East Village. Sein Ziel? In den nächsten fünf Jahren will der 75-Jährige 20 weitere Stores in Manhattan aufziehen, langfristig sollen auch Dependancen in weiteren US-Staaten und Europa folgen.
Interaktives Kulinarik-Vergnügen
Durchschnittlich stürmen täglich 450 bis 500 Gäste die neue Ikinari-Location im East Village, die von Montag bis Sonntag durchgängig von elf Uhr vormittags bis 23 Uhr nachts geöffnet hat. Kein Wunder, denn im Schnitt verbringen die Kunden maximal 30 Minuten bei Ikinari-Steak. Aber das Interesse reißt nicht ab. Und auch wenn hier der Komfort zu wünschen übriglässt, sind die Steaks einfach fantastisch.
Dabei ist das System so simpel wie benutzerfreundlich und macht durch die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten im Restaurant auch Spaß: Die Kunden gehen an die Theke, wo sie Cuts vom Ribeye, Sirloin oder Filet per Gramm beim hauseigenen Metzger ordern können. Nach dem Schneiden und Wiegen bereiten die Köche das Steak bevorzugt auf eine Garweise zu: rare. Das Beef, das von einer Qualitätsfleischerei aus Illinois stammt und auch für die Ikinari-Restaurants in Japan verwendet wird, kommt schließlich auf einer heißen gusseisernen Platte und immer noch brutzelnd an den (Steh-)Tisch.
Als Sides werden grob gewürfelte Zwiebeln, gekochter Mais, grüne Bohnen oder Reis gereicht. Außerdem können verschiedene Toppings wie Wasabi oder die Signature-J-Sauce, die auf Soja basiert und ein Geheimrezept ist, hinzugefügt werden. Dazu gibt es Getränke wie Cola, Tee, Wein, Bier und Sake. Kaffee nicht. Klar, das würde die Gäste ja zum Bleiben bewegen und das ist ja nicht der Sinn der Sache im Ikinari- Steakrestaurant, denn Zeit ist Geld. Apropos: Acht bis elf amerikanische Cent muss man je nach Fleischsorte per Gramm rechnen, das preisliche Bestell-Minimum liegt zwischen umgerechnet 14 und 25 Euro.
Ob Kunio Ichinoses Konzept in New York, das für seine Steakkultur bekannt ist, zum neuen State of the Art wird, wird sich weisen. Aber eines liegt schon jetzt auf der Hand: Ichinose gibt der Stadt, die niemals schläft, mit seiner günstigeren und auf den Punkt gebrachten Steak-Experience ordentlich Stoff zum Nachdenken.