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Ghetto Gastro: Soul-Food mit politischer Message

Von: Lesezeit: 3 Minuten
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Nichts ist amerikanischer als ein Apple Pie – bis Kreide-Silhouetten ihn zum Tatort eines politischen Statements machen. Der dekonstruierte Dessertklassiker zur Black-Lives-Matter-Debatte ist das Machwerk des kulinarischen Kollektivs Ghetto-Gastro. Seine Gründer haben allerdings mehr geschaffen als nur das nächste New Yorker Trend-Restaurant. Wie die Food-Aktivisten selbst sind auch ihre kunstvollen Köstlichkeiten tief in der Bronx verwurzelt – und gern gesehene Gäste der Upperclass.

Bronx to the world: Die Gourmet-Hood des Ghetto Gastro

Abseits des Yankee-Stadions fallen New Yorkern in der Regel nur wenige Gründe für einen Abstecher in die Bronx ein. Gefährlich sei es hier, mit einer Kinderarmutsrate von rund 40 % und einem Kriminalitätsproblem, das seit Jahrzehnten brodelt. Der Stadtteil genießt einen zweifelhaften Ruf und beschwört eher Bilder von Gangs und Gewalt herauf denn von Food-Highlights. Doch genau hier, wo ausgewogene Ernährung hinter der höchsten Fettleibigkeitsrate zurücktritt, bezieht ein Quartett mit Soul Food Stellung. Den vier Gründern des kulinarischen Kollektivs gelingt eine einzigartige Mischung, die nicht trotz, sondern wegen ihrer Gegensätze funktioniert.

Die Aroma-Aktivisten Jon Gray, Pierre Serrao, Lester Walker und Malcolm Livingston II zelebrieren ihren Bronx-Background, indem sie zeigen, dass ihre Hood mehr zu bieten hat. Nach dem Credo „Bronx to the world. World to the Bronx.“ rücken Sie Missstände wie Einzigartigkeiten mit gutem Essen in den Fokus. So vielfältig wie Kultur und Menschen in diesem Stadtteil soll auch das Essen der vier Food-Aktivisten sein. Sie betiteln ihren Kochstil als Black Power Kitchen, die von dem multidisziplinären Mix aus Kunst, Musik und Aktivismus profitiert. Die Zutaten für diesen Ghetto-Gastro-Cocktail, zu dem neben Essen eben auch Design und DJs gehören, finden sich im Quartett selbst. Denn bei aller Inszenierung – hier sind Profis mit Herz am Werk.

 

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Die Robin Hoods der Hood

Lester Walkers Weg begann mit einem High-School-Kochkurs und führte über ein Stipendium und anschließendes Studium später zu Top-Adressen wie den New Yorker Sterne-Restaurants Jean Georges und Eleven Madison Park. Mit seiner kulinarischen Erfahrung muss sich auch Geschäftspartner Livingston nicht verstecken: Er machte unter anderem als Pâtissier im Kopenhagener Noma von sich reden. Am Piemonteser Italian Culinary Institute lernte hingegen Serrao sein Handwerk und brachte damit schon Beyoncé und Jay-Z, P.Diddy und die Beckhams in Verzückung. Einzig John Gray hat einen weniger foodlastigen Background – er führte und designte für das Label Mottainai. Allen Ghetto-Gastro-Guys ist hingegen ihr Engagement für soziale Gerechtigkeit und die Rechte von Afroamerikanern gemein. Denn die Avantgarde-Aktivisten verstehen sich als Robin Hoods ihrer Hood.

Von Reichen nehmen und den Armen geben – im Ghetto Gastro, das Buchungen erst ab einem Volumen von 50.000 Dollar annimmt, wird das Konzept mit Arbeitsplätzen und Projekten für das Viertel konsequent gedacht. So verschaffte beispielsweise ein AirBnB-Event 70 Bronx-Bewohnern einen Tagesjob. Mit der Planung eines Gemüsegartens oder einer Bio-Food-Linie tun die Soul-Food-Experten etwas für die Seele ihrer Nachbarschaft. In Zusammenarbeit mit anderen New Yorker Restaurants sollen überschüssige Lebensmittel hingegen ihren Weg in die Küchen der Bronx finden. Über den Maßnahmen und ihrer Arbeit in den „GG Labs“, den kulinarischen Versuchslaboren des Ghetto Gastro, steht das erklärte Ziel, die Lebensverhältnisse im „Problemviertel“ zu verbessern. Dazu braucht es jedoch eine weitere Zutat, auf die sich das kulinarische Kollektiv versteht: Aufmerksamkeit.

Hip Hop meets Haute Couture

Es ist der erste Abend der New York Fashionweek, als das Label Woolrich die „American Soul“ zelebriert. Die New Yorker Musikszene in den Mittelpunkt stellend feiert die Kollektion kreative des Landes. So wurden die lässig glamourösen Street-Styles in diesem Jahr von der einstigen Fugees-Frontfrau Lauryn Hill mitkreiert. Es ist eine runde Vorstellung, in der das Motto des Abends sich in Hills souligen Songs spiegelt, die präsentierte Mode inspirierte – und auch vor den Horsd’œuvre nicht Halt macht. Denn die geflämmte Yamswurzel die als „Yamborghini“ die Runde macht, gehört zur Menü-Komposition des Ghetto Gastro.

 

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Es ist nur eines der glamourösen wie ausgesuchten Events, dem das Kollektiv seine Spezialitäten angedeihen lässt. Die Menüs sind Reminiszenzen der Leibgerichte aus Kindheitstagen, basieren auf kubanischen Blätterteigkissen oder zelebrieren Southern Beautys wie Chicken and Waffles. Doch auch das Fine Dining kommt nicht zu kurz. Klassiker à la Crab & Cornbread gestalten sich als Krabbenvelouté mit Beluga-Kaviar samt gefriergetrocknetem Maiscrunch. Surf & Turf wird mit Kobe-Rind und Hummer in Safranbutter auf ein neues Level gehoben.

Die Liste der Auftraggeber für diese coolen Combos liest sich wie ein Who-is-who Amerikas. Microsoft, Nike, Apple und Designer von Weltrang haben bereits geladen, die Spannweite reicht insgesamt von Hillary Clinton bis Puff Daddy. Was Ghetto Gastro bei einem Event des Labels Pigalle auftischte, meisterte ein Ensemble aus Essen und Engagement als legendäre Provokation. In einer Art kreativer Kampfansage im Koksgewand drapierte das Bronx-Restaurant Kokosraspeln auf verspiegelten Tellern.

Ghetto Gastro: Botschafter eines Bronx-Restaurants

Wie der zerrüttete Apple Pie, doppelbödig in seiner Hommage an die Black-Lives-Matter-Bewegung, ist auch das Kokos-Koks mehr als eine pure Provokation. Das ausgeklügelte Gericht zeigt Ästhetik und soll dem Hedonismus der 80er Jahre Tribut zollen. Der Name „Whiteout“, angelehnt an ein angstauslösendes meteorologisches Phänomen, lässt die Grenzen von Kunst und Kulinarischem verschwimmen. Die Strategie des Ghetto Gastro ist ebenso schwer greifbar. Während die Gründer des kulinarischen Kollektivs aufrütteln wollen, werden sie wie nebenbei zur Lifestyle-Marke. Doch auch wenn sie von Businessmeeting zu Vogue-Shooting jetten, hätten sie ihre Herkunft nie vergessen. Ghetto könne den Gründern zufolge eben mehr sein als ein Synonym für das Versagen. Ihren Teil trügen sie Walker zufolge mit der Stärkung der Community, mit Gemeinschaftsgärten, besserer Ernährungsbildung und freien Mahlzeiten bei – erst dann sei es Black Power Kitchen.

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