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Vision vs. Vernunft – 10 Gründe warum Restaurants scheitern

Von: Lesezeit: 6 Minuten
Vorheriger Artikel Ein Mann und sein Huhn

Restaurants sperren auf, Restaurants sperren zu – es ist ein ewiger Kreislauf. Aber wieso funktionieren manche Lokale über Jahrzehnte und anderen Unternehmern geht nach kurzer Zeit schon die Luft aus? Eine Studie der Ohio-State-University analysierte 2005 die Situation in den USA und filterte zehn Gründe für das gastronomische Scheitern – von mangelhafter Kalkulation bis zur schlecht gewählten Location. Die Liste würde heute vermutlich exakt gleich aussehen – egal, wo auf der Welt man die Studie durchführte….KTCHNrebel interviewte exemplarisch einen österreichischen Gastronomen – hätte er die Studie gelesen, hätte er 2009 sein gastronomisches Experiment trotzdem unternommen?

Das Magazin fliegt in hohem Bogen durch die Luft – landet mit einem scharfen Knall auf dem Steinboden. Vom Cover lächelt versonnen ein gutaussehender Mann Mitte Vierzig. „Rotzfrech und Vogelfrei“ – steht unter dem Bild. Markus Götzenauer bückt sich und klaubt die Zeitung auf. Erst als er sie näher zu seinem Gesicht hält, fällt die Ähnlichkeit auf – die Haare kürzer, dafür mit Bart, die Züge härter; aber die Augen sind dieselben. Dasselbe leuchtende Grün und ja, sie strahlen auch. „Wieder“ – lacht Götzenauer. „Ich kann heute auch endlich wieder lachen – eine Zeitlang dachte ich, ich hätte das ganz verlernt…“  Er hält kurz inne, betrachtet sein Foto auf dem Magazincover und blättert in die Mitte hinein zu seiner Geschichte. „Damals war die Welt noch in Ordnung – ich dachte, ich wäre am Anfang von etwas ganz Großem. War es auch – es war der Beginn meines ganz großen Scheiterns…“

Restaurant scheitert

Markus Götzenauer: „Ich bin Unternehmer, es war meine Verantwortung, ich gebe niemandem die Schuld.“

Es ist 2009, Markus Götzenauer ist 45 Jahre alt und Gastronom durch und durch. Er kennt das Geschäft, die Tücken, die Fallstricke – er ist schon lange selbständig, seine Lokale haben immer gut funktioniert. Aber jetzt ist er an einem Punkt, wo er es genau wissen will: Etwas Neues schwebt ihm vor. Ein Speiselokal, das anders ist, das es so in Salzburg noch nicht gibt – entspannt und unkonventionell, das Publikum von jung bis alt, von Snack bis Fine Dining – er möchte „gegen den Strom schwimmen“…

Als Götzenauer eines Tages erfährt, dass im Haus der Natur – einem wahren Besuchermagneten mitten in der Salzburger Altstadt – die gastronomische Fläche neu geplant werden soll, nehmen seine vagen Vorstellungen rasch Gestalt an. Das Lokal ist auf drei Arten zu erreichen: innen durch das Museum während der Öffnungszeiten, nach 18 Uhr über einen Lift neben dem Museumseingang und dann noch über eine wunderbare Freitreppe  direkt von der Straße. Im ersten Stock gelegen, zieht sich die Restaurantfläche quer durch das Gebäude – vorne beim Eingang die Bar für ein schnelles Bier, dahinter ein Bistro für die Museumsgäste und ganz am Ende der große Speisesaal  – für das Fine-Dining am Abend. Einen Namen hat er auch schon: „Vogelfrei“ will er es nennen.  Planer, Einrichter, Lieferanten – alle, denen Götzenauer seine Pläne schildert, sind begeistert. Nur Andrea nicht.

Seine Frau hat von Anfang an kein gutes Gefühl bei der Sache, aber irgendwann sieht sie ein, dass Markus sich von seinem Projekt nicht abbringen lässt. „Er wollte unbedingt mit dem Kopf durch die Wand.“, sagt sie heute. „Ich war überzeugt, dass es funktioniert!“, meint er dazu nur. Mit einem Schulterzucken: „Hätte ich auf sie gehört, wäre uns viel erspart geblieben – aber damals hätte ich sicher auch das Gefühl gehabt, eine Chance verpasst zu haben.“

Ab wo es schief gegangen ist, kann er heute nicht mehr sagen, Götzenauer betont nur mit Nachdruck: „Ich bin Unternehmer, es war meine Verantwortung, ich gebe niemandem die Schuld.“

Vermutlich waren es viele kleine Bausteine, die nicht zusammengespielt haben – jedenfalls bleiben nach einem ersten kurzen Hype die Gäste aus. „Am Nachmittag haben mich die Mütter mit ihren Kinderwägen überrannt, da sind wir kaum nachgekommen – aber mit Punkt 18 Uhr war das Lokal leer.  Am Abend war tote Hose.“ Abends zusperren kann er nicht, das Abendgeschäft ist Bestandteil seines Pachtvertrages. Die Karte umstellen? Die Preise ändern? Günstiger einkaufen? „Ich hab‘ an allen Schrauben gedreht, die mir eingefallen sind, ich hab gescheite Leute gefragt – aber ich hab das nun einmal nicht aus meinen Ersparnissen finanziert und sehr auf hochwertige Qualität geschaut beim Einrichten. Die Fixkosten bekommst du kurzfristig nicht weg und wenn nicht entsprechend Geld herein kommt, kannst du dem Minus jeden Tag beim Wachsen zusehen.“

Warum Restaurants scheitern

Markus Götzenauer in Salzburg

Nach einem knappen Jahr muss Markus Götzenauer w.o. geben – 2010  geht er in Konkurs. Die Zeit die folgt, gräbt tiefe Furchen in sein Gesicht, er bezeichnet sie heute als die Schlimmste seines Lebens. Drei Dinge helfen ihm, durchzuhalten: Sein zweiter Betrieb, das Café Classic, seine Tochter Annabel und seine Frau Andrea, die kompromisslos zu ihm hält. Sehr hart trifft ihn der Verlust einiger seiner – wie er damals glaubt – engsten Freunde. „Viele der Menschen, von denen ich eigentlich geglaubt hätte, ich könnte auf ihre Unterstützung zählen, waren plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Da fühlst du dich plötzlich sehr allein mit deinem Elend. Dass ich dadurch Ballast losgeworden bin, Menschen, die nicht gut waren für mich und meine Familie – das habe ich erst lange nachher erkannt. Jetzt werte ich es schon fast als Glücksfall!“

Über Geschichten von Gastronomen, die mit einem Projekt auf die Nase fallen, sich aufrappeln und wenig später mit dem nächsten Projekt die Sterne vom Himmel pflücken, kann Götzenauer nur müde lächeln. „Gibt es sicher, die Regel ist das eher nicht….“

Er jedenfalls beißt sich durch, Tag für Tag – Andrea an seiner Seite gibt ihm Kraft, auch wenn sie oft unterschiedlicher Meinung sind, wie es weitergehen soll. Sein Café Classic am Makartplatz entwickelt sich stetig und gibt ihm die Gewissheit, dass er sein Handwerk als Gastronom beherrscht. Nach und nach finden sich neue Freunde und einige langgediente Wegbegleiter erweisen sich als verlässliche Stütze. „Selbst wenn ich mich gastronomisch doch noch einmal verändern sollte, Stiegl-Bier und Meinl-Kaffee werde ich die Treue halten – das sind Partner, wie man sie sich in schweren Zeiten nur wünschen kann.“

Ob er sich damals von einer internationalen Studie, wie der der Ohio-State-University von seinen Plänen hätte abbringen lassen? „Ich habe fest an mein Projekt geglaubt – Visionen bergen immer ein Risiko, man kann sich nicht zu hundert Prozent absichern. Aber gar nie zu riskieren, ist auf Dauer auch nicht befriedigend…“

Das Magazin mit seinem Konterfei am Titel hat er zugeschlagen – das Kapitel „Vogelfrei“ abgeschlossen, sogar fotografisch ist das jetzt dokumentiert….
Wie es mit „rotzfrech“ aussieht? Die grünen Augen blitzen schelmisch – wer weiß? „Nein“ sagt Andrea bestimmt und drückt ihrem Mann einen Kuss auf die Wange und die Hundeleine in  die Hand.  „Geh‘ eine Runde mit Wilma – und freu dich über das hier und jetzt, dass wir gesund sind und wieder ein Leben haben!“

Ob er auf sie hören wird? Solange er keine neue Vision hat, sicher….

10 Gründe warum Restaurants scheitern

1. Ein Traum allein ist noch kein Konzept

„Raus aus dem Büro – ich mach eine Gastro, das ist cool! Leider reicht es oft nicht, das eigene Lieblingslokal zu kopieren und ein „bisschen kochen können“ ist auch nicht genug. Wenn Deine Vision zu schwach ist, ist der Traum schnell ausgeträumt,“ so der Gastronomieexperte. Ohne einem richtigen Konzept ist meist auch die Vision zum Scheitern verurteilt.

2. Falsche Vorstellungen vom Investitionsaufwand

„Ich übernehm‘ ein bestehendes Lokal, da ist alles drin – ein paar Sachen mach ich neu, so viel kann das ja nicht kosten.“ Ein Irrglaube dem leider auch viele Gastronome verfallen. Fakt ist jedoch, dass auch erfahrene Gastronomen und an sich gute Rechner oft auf die Kleinigkeiten vergessen – am Ende heißt es dann: „Na, das ist jetzt auch schon egal…“ und plötzlich geht sich der erste Einkauf nicht mehr aus und die Kosten und Investitonen übersteigen das eigene Budget und die Ersparnisse.

3. Falsche Vorstellungen vom laufenden Aufwand

Erstaunlich viele Gastronomen haben auf die Frage nach ihren laufenden Kosten keine prompte Antwort parat – laufendes Controlling? Fehlanzeige. Profis empfehlen: Mindestens einmal im Monat Zahlen abgleichen!

4. Allein kämpfen funktioniert nicht

Eine Gastronomie funktioniert nur mit einem Team – Küche und Service liegen auf der Hand; im Hintergrund braucht es allerdings noch verlässliche Lieferanten, im Idealfall einen guten Steuerberater und eventuell noch jemanden, der sich um Marketing und Social Media kümmert. Die letzten drei sucht man oft vergeblich: „Das macht der Chef!“

5. Zur falschen Zeit am falschen Ort

Es gibt tatsächlich locations, die per se funktionieren und solche, die im Zweijahrestakt ihre Betreiber abwerfen. Allerdings ist das im Normalfall aktenkundig – also recherchierbar. Dass Sie mit einem grandiosen Konzept ein paar Jahre zu früh am Markt sind, könnte natürlich auch passieren – das ist aber tatsächlich selten.

6. Kein Marketing

„Ich hab noch die letzten Glühbirnen eingeschraubt, da standen schon die ersten Kunden im Lokal.“ Im Regelfall sind Menschen neugierig und schauen sich zumindest einmal an, was es da Neues gibt. Wenn das Konzept passt, kommen die Gäste wieder. Aber es hilft enorm, wenn Sie laut kundtun, dass Sie jetzt da sind; klassisch oder per SocialMedia – machen Sie Lärm!

7. Keine Linie

Allen Menschen Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann… Nicht jedes Gastronomiekonzept passt für jeden Gast; Sie sollten wissen, welche Gäste Sie ansprechen möchten und welche nicht. Wenn Sie nicht wissen, was Sie Ihren Gästen bieten möchten, wird sich Ihr Team nicht auskennen und der Gast erst recht nicht.

8. Keine Flexibilität

Natürlich kann es passieren, dass ein an sich gutes Konzept nicht ganz in eine Gegend passt. Dann ist es keine gute Idee, stur an Plan A festzuhalten, bis das lokal endgültig leergespielt ist – Plan B können leichte Anpassungen sein, ohne dass Sie sich und Ihre Grundidee gänzlich verlieren.

9. Feedback ignorieren

„Diese ganzen Bewertungen können mir sowieso gestohlen bleiben, haben ja alle keine Ahnung!“ Social Media in unserer Zeit gänzlich außen vor zu lassen, sollte sich kein Gastronom mehr leisten – und wenn Sie kritisiert werden, überlegen Sie zumindest kurz, ob die Kritik berechtigt war. Falls ja, sollten Sie die Chance nutzen, zu reagiern.

10. Hilfe ablehnen

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und wo gehobelt wird, gibt es Späne – Fehler passieren, das ist ganz natürlich. Aber Sie gehen ja auch zum Arzt, wenn Sie gesundheitlich angeschlagen sind – warum also nicht einen Berater konsultieren, wenn Ihr Laden nicht läuft?

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