Unterstützt wird er dabei nicht nur von seinem Kompagnon Lauri Kähkönen und einem jungen Team, sondern auch von Millionen von Küchenhelfern. Denn während Tonis Angestellte in der offenen Küche des kleinen Lokals auf der Albertinkatu im hippen Stadtteil Punavuori Gemüse schneiden und die Gläser polieren, machen sich die unsichtbaren Kollegen – die Mikroorganismen in Form von Milchsäure- und Essigbakterien – in den Einmachgläsern nützlich. Sie spalten fleißig Stärkemoleküle auf, schieben gärend chemische Prozesse voran. Und sind dabei recht anspruchslos: Zimmertemperatur sowie der Ausschluss von Luft und von solchen Bakterien, die sie bei ihrer Arbeit behindern, das genügt ihnen schon. Doch was hat sich getan seit jenen Tagen, an denen die Finnen tatsächlich im Sommer schon an den Winter dachten? Toni Kostian möchte es nicht für sich behalten. Er ist für seine Experimentierfreude in Sachen Konservierung bekannt und teilt seine Erfahrungen gerne.
Toni, Fermentierung ist so alt wie das Kochen selbst. Wie bist du auf das Thema aufmerksam geworden?
Die traditionellen finnischen Techniken haben mich schon seit jeher interessiert. Vor etwa acht Jahren fing ich an, mich intensiver damit zu beschäftigen. Denn Fermentieren ist auf den ersten Blick ganz einfach, es kann aber auch sehr kompliziert und zeitaufwändig werden. Dann nämlich, wenn du anfängst zu experimentieren. Und das ist ja ein wichtiger Bestandteil meiner Küche. Ich mache manchmal 30 bis 40 Tests, bis ich mit dem Resultat zufrieden bin. Wenn du etwas fermentieren möchtest, was du bisher noch nicht fermentiert hast, sagen wir, eine Frucht oder ein Gemüse, dann musst du herausfinden, ob und wie viele Laktobakterien in Form von Molke du hinzufügen musst. Und du musst testen, wie lange der Gärprozess ist, bis das Produkt so schmeckt, wie du es dir vorstellst. Du weißt anfangs nie, was du bekommst! Und es gibt so viele Dinge, die schiefgehen können. Hast du die falschen Bakterien in der Charge, verdirbt alles.
Wie entstand die Idee für das Restaurantkonzept?
Ich wollte gerne auf meine Art kochen, eben mit diesen Methoden. Aber das gab es in Helsinki nicht. So entstand bei mir und meinem Partner Lauri Kähkönen die Idee, uns selbstständig zu machen. Als der Entschluss gefallen war und wir das Go von der Bank hatten, habe ich angefangen, mich in die Natur zu begeben und alles Mögliche zu sammeln und zu konservieren, was ich finden konnte. Nach sechs Monaten hatten wir 1000 Kilogramm Lebensmittel auf Vorrat und auch schon die gesamte Einrichtung gekauft. Das Schwierigste war tatsächlich, ein Lokal zu finden. Helsinki ist nicht groß, musst du wissen. Wir haben lange gesucht, bis wir das Passende gefunden haben. 2015 haben wir dann eröffnet.
Mise en Place für einen Salat dauert wenige Minuten, ein fermentiertes Gemüse unter Umständen Wochen – wie planst du, wie bereitest du Menüs vor und wie produzierst du nach?
Unser Menü ist saisonal beeinflusst. Zweimal pro Woche gehe ich in die Natur, um Zutaten zu sammeln. Ich weiß ja inzwischen, was ich wo bekomme und auch was ich an Vorräten habe. Bei den einzelnen Gängen des Menüs gehe ich immer von einer Zutat aus, und stricke das Gericht quasi drumherum. Wir fermentieren nicht alles – einen Großteil unserer Zutaten legen wir ein, manches wird getrocknet, manches eingesalzen und vieles wird auch frisch verwendet. Aber du hast recht: Die Planung nimmt viel Zeit in Anspruch. Würde ich nur in der Küche stehen, könnte ich diesen Teil der Arbeit nicht leisten.
Wie reagieren deine Kunden auf fermentierte Produkte?
Generell gut. Meine Küche ist ja als sehr würzig bekannt. Ich bin kein Anhänger des Trends, dass eine Möhre nur nach sich selbst schmecken soll. Ich mag es also umami, und beim Fermentieren bekommst du Aromen, die du in keinem Gewürzregal findest. Außerdem sind fermentierte Speisen ja sehr gesund für die Darmflora. Das ist vielen unserer Gäste auch bekannt. Mehr Erklärung benötigen die da eher bezüglich der Insekten, die wir verwenden. Da Säuren eine große Rolle bei uns spielen, in Finnland aber keine Zitronen wachsen, haben wir Alternativen gesucht und sind dabei auf Ameisen gestoßen. Wir servieren sie tiefgekühlt zu Erdbeeren. Da stoßen wir manchmal auf Skepsis. Aber dann siegt meist die Neugier.
Welche Neuheiten hast du in der letzten Zeit entwickelt?
Bei uns gibt es ständig Neues. Als Koch musst du immer neugierig sein, jeder Baum, jeder Pilz sollte dich interessieren. Für diesen Winter habe ich Blätter der schwarzen Johannisbeere, aber auch Birkenblätter und Himbeerblüten fermentiert und dann getrocknet. Die Blätter bekommen dadurch einen Tee-Geschmack und wir servieren sie als Kräutertees. Zum Teil wandern sie aber auch in die Gerichte.
Was ist dein liebstes fermentiertes Produkt?
Momentan ist es eine wilde Zwiebel, die einen Knoblauchgeschmack hat. Die also quasi two-in-one ist.
Woran bist du beim Fermentieren schon gescheitert?
Unter anderem an Rosenkohl. Das hat einfach nicht funktioniert. Ich teste vieles und manchmal weiß man dann selbst nicht sicher mehr, ob etwas gut ist oder nicht. Ich nehme die Produkte dann mit ins Restaurant und lasse meine Belegschaft probieren. Wenn das Team gar nichts sagt und nur komisch guckt, dann weiß ich, dass es nicht funktionieren wird. Wenn es meine Mitarbeiter nicht verstehen, versteht es auch sonst keiner.